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Korrelation und Kausalität unterscheiden: Was ist Zufall und was nicht?

Immer wieder verwechseln Führungskräfte Korrelation mit Kausalität. Je stärker Unternehmen auf Daten setzen, desto teurer wird dieser Fehler. Was hilft? Eine Kultur, die Experimente wertschätzt.

Von Michael Luca

Korrelation ist nicht das Gleiche wie Kausalität. Wenn man darüber nachdenkt, ist das eigentlich klar. Dennoch stellen viele Topmanager, Politikerinnen und Journalisten kausale Behauptungen auf Grundlage irreführender Korrelationen auf. Solche Behauptungen bleiben nur allzu oft unüberprüft, werden vervielfältigt und als Basis für wichtige Entscheidungen herangezogen.

Beispiele gibt es viele, etwa eine aktuelle Studie aus dem Gesundheitswesen. Die wissenschaftliche Analyse sollte ermitteln, ob Bäder das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringern. Das Ergebnis: Menschen, die regelmäßig ein Bad nehmen, leiden nicht so oft unter Herz-Kreislauf-Krankheiten und haben seltener Schlaganfälle. Die Autoren kamen daraufhin zu dem Schluss, dass ihre Daten auf eine "positive Wirkung" von Bädern hindeuteten.

Es war aber nur schwer zu sagen, ob dieser Zusammenhang tatsächlich kausal ist. Die Studie umfasste weder ein kontrolliertes Experiment noch ein sogenanntes natürliches Experiment, bei dem Probanden nach dem Zufallsprinzip und ohne Manipulation von Variablen ausgewählt werden. So ist es durchaus möglich, dass Menschen, die regelmäßig baden, generell weniger gestresst sind und mehr Zeit zum Entspannen haben. Das könnte der wahre Grund dafür sein, dass sie eine geringere Anfälligkeit für Herzerkrankungen haben. Dennoch wurden die Studienergebnisse weit verbreitet, mit Schlagzeilen wie "Ein Bad zu nehmen ist entspannend – und es könnte auch gut für Ihr Herz sein".

Zahlreiche Studien in Verhaltensökonomie und Psychologie haben gezeigt, dass wir bei der Auswertung von Daten systematische Fehler machen. So suchen wir gern nach Belegen, die unsere vorgefassten Meinungen bestätigen. Wir ignorieren Daten, die unseren Hypothesen widersprechen, und vernachlässigen, wie die Daten zustande kommen. Allgemeiner ausgedrückt: Es ist angenehm einfach, sich auf jene Daten zu konzentrieren, die wir direkt vor der Nase haben – auch wenn die wichtigsten fehlen. Auf uns wirkt es so, als ob "das, was wir sehen, alles ist", wie der Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman diesen Effekt beschrieb.

Das kann Fehler und vermeidbare Katastrophen auslösen – egal ob die Entscheidungen von Einzelpersonen, Unternehmen oder Regierungen getroffen werden. Es gibt immer mehr Daten auf der Welt, ja, wir werden mit Zahlen und Fakten regelrecht bombardiert. Daher müssen wir lernen, Daten zu analysieren und Kausalaussagen zu bewerten – eine Fähigkeit, die für Führungskräfte in Wirtschaft und Politik immer wichtiger wird.

In die Irre geführt

Unternehmen müssen experimentieren, um Fehlschlüsse aufzudecken, und den Wert von Experimenten in ihrer Organisation betonen. In einem Artikel der "Washington Post" aus dem Jahr 2020 ging es um den Zusammenhang (Korrelation) zwischen den Ausgaben für die Polizei und der Kriminalitätsrate. Der Autor konstatierte: "Eine Analyse der Ausgaben für staatliche und lokale Polizeibehörden in den vergangenen 60 Jahren [...] zeigt auf nationaler Ebene keine Korrelation zwischen Ausgaben und Kriminalität." Doch diese Korrelation führt in die Irre. Denn ein wichtiger Treiber von Ausgaben für Polizeikräfte ist die aktuelle Kriminalitätsrate, sodass hier ein Henne-Ei-Szenario entsteht. Kausale Forschung hingegen hat gezeigt, dass zusätzliches Geld für die Polizei die Kriminalität verringert.

Die Online-Auktionsplattform Ebay gab im Jahr 2013 rund 50 Millionen US-Dollar für Suchmaschinenwerbung aus. Eine Analyse von Unternehmensberatern hatte gezeigt, dass Ebay mehr Artikel in jenen Gebieten verkaufte, in denen User mehr Anzeigen zu sehen bekamen. Trotzdem drängten die Ökonomen Tom Blake, Chris Nosko und Steve Tadelis das Unternehmen dazu, die Kausalbehauptung kritisch unter die Lupe zu nehmen. Dazu analysierten sie natürliche Experimente und entwarfen eine neue randomisierte, kontrollierte Studie. Mit deren Hilfe fanden sie heraus, dass die Werbeanzeigen weitgehend nutzlos waren – auch wenn das Marketingteam bislang etwas anderes angenommen hatte. Die Anzeigen erreichten vor allem solche Menschen, die bereits über Ebay einkauften.

Gern konzentrieren wir uns auf Daten, die wir direkt vor der Nase haben – auch wenn das Wichtigste fehlt.

Es stellte sich heraus, dass die bestehenden Kaufabsichten der Zielkunden sowohl die eingeblendeten Anzeigen als auch die Kauf_entscheidungen der Kunden ausgelöst hatten. Das Marketingteam von Ebay hatte den Fehler begangen, diesen Faktor zu unterschätzen. Stattdessen nahm es an, dass die beobachtete Korrelation darauf zurückzuführen war, dass die Anzeigen ursächlich für die Käufe waren. Hätte Ebay andere Faktoren untersucht, die womöglich hinter dieser Korrelation steckten, hätte das Unternehmen diesen Fehler vermeiden können.

Auch das Empfehlungsportal Yelp kämpfte 2015 mit einem ähnlichen Problem. Die Analyse einer Unternehmensberatung hatte gezeigt, dass Unternehmen, die auf der Plattform inserierten, am Ende mehr Aufträge über Yelp erhielten als Unternehmen, die dort keine Werbung schalteten. Das Problem ist nur: Unternehmen, die über Yelp mehr Umsatz generieren, schalten womöglich eher Werbung dort. Der ehemalige COO von Yelp und ich diskutierten darüber und beschlossen, ein groß angelegtes Experiment zu starten. Dazu teilten wir Tausenden willkürlich ausgewählten Unternehmen kostenlose Anzeigenpakete zu. Der Knackpunkt dabei war die Frage, welche Faktoren tatsächlich für die Korrelation verantwortlich waren. Wir fanden heraus, dass sich Anzeigen bei Yelp tatsächlich positiv auf den Umsatz auswirkten. Zudem verschaffte das Experiment dem Unternehmen neue Erkenntnisse über die Wirkung von Anzeigen.

Die empirischen Wirtschaftswissenschaften haben sich in den vergangenen 40 Jahren dramatisch verändert. Sie haben Methoden entwickelt, die sich auf die Analyse kausaler Zusammenhänge fokussieren. Zwei der drei jüngsten Wirtschaftsnobelpreise honorieren diese Arbeit. Im Jahr 2019 teilten sich Abhijit Banerjee, Esther Duflo und Michael Kremer den Nobelpreis "für ihren experimentellen Ansatz, die weltweite Armut zu lindern". 2021 ging der Preis an Josh Angrist, Guido Imbens und David Card für ihre Vorreiterrolle in dem, was Angrist die "Glaubwürdigkeitsrevolution" der Wirtschaftswissenschaften genannt hat. Das Nobelpreiskomitee würdigte Angrist und Imbens für "ihre methodischen Beiträge zur Analyse kausaler Zusammenhänge" und Card für "seine empirischen Beiträge zur Arbeitsmarkttheorie". Die drei sind Pioniere in der Forschung mit natürlichen Experimenten, und die Entwicklung eines Instrumentariums für Kausalzusammenhänge ist beeindruckend.

Sie müssen aber keinen Doktortitel in Ökonomie besitzen, um vorsichtiger mit Behauptungen umzugehen, die einen Kausalzusammenhang herstellen. Versuchen Sie als Ausgangspunkt zu verstehen, wie der Prozess funktioniert, aus dem die Daten hervorgehen, die Sie sich gerade anschauen.

Gehen Sie dabei nicht davon aus, dass sich eine Korrelation auf einen Kausalzusammenhang zurückführen lässt (oder dass eine fehlende Korrelation automatisch fehlende Kausalität widerspiegelt). Fragen Sie sich lieber, welche unterschiedlichen Faktoren die Korrelation verursachen könnten – ob und wie diese den Zusammenhang verzerren, den Sie beobachten. In manchen Fällen werden Sie zu der Überzeugung gelangen, dass der Zusammenhang sehr wahrscheinlich kausal ist. In anderen Fällen entscheiden Sie womöglich, dass Sie dem Ergebnis lieber nicht trauen.

Vermuten Sie, dass eine Korrelation nicht kausal sein könnte, helfen Ihnen Experimente weiter. Bei Unternehmen wie Amazon oder Booking.com stehen Experimente im Mittelpunkt der Entscheidungsprozesse. Aber nicht immer ist das sinnvoll. Dann sollten Sie nach anderen Belegen suchen, die Licht auf die von Ihnen gestellte Frage werfen, oder sogar selbst gute natürliche Experimente entwickeln. © HBP 2022

Der Autor

Michael Luca ist Associate Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Harvard Business School. Zusammen mit Max H. Bazerman hat er das Buch "The Power of Experiments" verfasst.

Vorsicht vor falschen Korrelationen!

Natürlich wissen wir alle, dass Korrelation nicht zwangsläufig Kausalität bedeutet – dass also kein Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung bestehen muss. Aber wenn wir sehen, wie Linien gemeinsam ansteigen, Balken gleichzeitig in die Höhe gehen oder Punkte sich in einem Streudiagramm ballen, dann suchen wir automatisch nach einem Zusammenhang. Wer sich die Zahlen genauer anschaut, wird jedoch oft enttäuscht. Wahr ist: Diagramme, die eine hohe Korrelation zeigen, setzen häufig optische Täuschungen ein, um uns Zusammenhänge vorzugaukeln.

Tyler Vigen, der heute als Principal bei Boston Consulting arbeitet, hat 2015 als Jurastudent ein Buch mit dem Titel "Spurious Correlations" (auf Deutsch etwa "Falsche Korrelationen") geschrieben. Auf seiner Webseite tylervigen.com macht er sich einen Spaß daraus, absurde Korrelationen darzustellen – etwa zwischen dem Margarineverbrauch pro Kopf in den USA und der Scheidungsrate im Bundesstaat Maine. Doch auch weniger offensichtliche Fake-Kausalitäten lassen sich mit grundlegendem Wissen leicht aufdecken, wie die folgenden Diagramme zeigen.

Unterschiedliche Variablen vergleichen: Wenn Sie auf Y-Achsen unterschiedliche Werte darstellen, erhalten Sie möglicherweise ähnlich verlaufende Kurven. Das kann in die Irre führen, wenn die Werte den Anschein erwecken, miteinander in Beziehung zu stehen, obwohl das gar nicht der Fall ist. Am besten ist es, sie separat darzustellen.

Die Skalierung verändern, um Kurven anzugleichen: Selbst wenn die Y-Achsen Daten aus einer Kategorie angeben, kann eine unterschiedliche Skalierung immer noch in die Irre führen. Diese Y-Achsen stellen die Monatsumsätze des Unternehmens RetailCo dar. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Größenordnungen und des proportionalen Anstiegs. Wenn Sie die zweite Achse wegnehmen, erkennen Sie die Verzerrung.

Ursache und Wirkung suggerieren: Wer Daten zusammen darstellt, die nicht miteinander in Verbindung stehen, kann auch eine Wenn-dann-Beziehung andeuten. Es sieht dann so aus, als ob die Änderung einer Variable automatisch eine Änderung der anderen Variable verursacht. Wenn das (fiktive) Internetradio Pandora weniger Verlust macht, dann wird mehr Musik urheberrechtlich geschützt. Das ist aber reiner Zufall.

Dieser Artikel erschien in der März-Ausgabe 2022 des Harvard Business managers.

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