Streit um Markenrechte: Audi verklagt chinesischen Newcomer Nio
Der chinesische Elektroautohersteller will sich in Europa etablieren. Der Deutschland-Start ist zum Jahresende vorgesehen. Doch es gibt Ärger mit Audi.
Chinesische Autohersteller drängen verstärkt nach Europa. Das läuft nicht immer konfliktfrei. Aktuell sucht Audi die juristische Auseinandersetzung mit einem der Elektro-Newcomer aus China. Die VW-Premiumtochter hat Klage bei einem Münchener Gericht gegen Nio eingereicht, wie Konzernkreise berichten. Mit einigen der erstmals in Europa angebotenen Modelle würden Markenrechte von Audi verletzt.
Jetzt Handelsblatt Premium zum Vorteilspreis sichern - Zum Angebot
Konkret geht es um zwei Nio-SUV mit den Typenbezeichnungen ES6 und ES8. Audi verkauft seit einigen Jahren zwei sportlich ausgelegte Limousinen mit den Modellnamen S6 und S8. Nio komme mit den Typenbezeichnungen seiner neuen Elektroautos sehr nahe an die schon vor geraumer Zeit eingeführten Audi-Modelle heran, so die Argumentation der Ingolstädter VW-Tochter.
„Audi ist wie viele erfolgreiche Unternehmen auch stets darauf bedacht, seine Markenrechte umfassend zu schützen“, bestätigte ein Unternehmenssprecher das Verfahren. Der Kontrahent habe für den europäischen Markt Modellbezeichnungen gewählt, „die nach unserer Auffassung Marken von Audi verletzen“. Die juristische Klärung der Angelegenheit stehe aktuell noch aus, daher wollte Audi keine weiteren Details nennen.
Ähnlich zurückhaltend äußerte sich die europäische Nio-Tochter in München. „Ein laufendes Verfahren kommentieren wir nicht“, sagte ein Sprecher. Für den Autohersteller ist die Klage ein unerwartetes Störfeuer für den gerade erst gestarteten Markteintritt in Europa. In China verkauft Nio seine Autos schon seit längerer Zeit.
Als Reaktion auf die Klage agiert Nio vorsichtiger bei seinen ersten öffentlichen Auftritten in Deutschland. Die Fahrzeuge aus China werden bereits auf Autofachtagungen gezeigt. Zur Sicherheit entfernt Nio die Typenbezeichnungen an den umstrittenen SUV.
Schwierige Expansion in Europa
Der Markteintritt von Nio in Europa verläuft langsam und ist nur in ausgewählten Ländern vorgesehen. Ende vergangenen Jahres hatte das Unternehmen zunächst in Norwegen mit dem Verkauf begonnen. Die europäische Vertriebszentrale und ein Designzentrum sind in München angesiedelt. Daher hat Audi seine Klage auch bei einem Münchener Gericht platziert.
Der Verkaufsstart in Deutschland ist für das vierte Quartal vorgesehen. Zunächst soll nur der ET7 auf den Markt kommen, eine Limousine vergleichbar mit einer E-Klasse von Mercedes oder einem 5er-BMW. Ein Verkauf der beiden SUV-Modelle, gegen deren Typenbezeichnung Audi gerichtlich vorgeht, ist anfangs nicht vorgesehen.
Ein Schwerpunkt für Nio liegt in Skandinavien: Von Norwegen aus expandiert der Autohersteller weiter nach Schweden und Dänemark. Zudem startet Nio auch den Verkauf seiner Modelle in den Niederlanden.
In Europa Fuß zu fassen ist für Nio alles andere als einfach, unabhängig von der Audi-Klage. Verantwortlich sind dafür technische Gründe. Der chinesische Hersteller gehört zu den wenigen Anbietern von Elektrofahrzeugen, die auf Wechselakkus setzen. Die Autos fahren nicht an die Ladesäule, um dort den nötigen Strom zu laden. Stattdessen werden die leeren Batterien an speziellen Servicestationen gegen volle Akkus gewechselt.
Im Unterschied zu den anderen außereuropäischen Herstellern muss Nio also nicht nur ein eigenes Vertriebsnetz aufbauen, sondern zusätzlich ausreichend Wechselstationen errichten. Der Autobauer hat mit diesem Konzept eine Sonderstellung und kann auch nicht mit einem anderen Hersteller kooperieren.
Nio nennt bislang keine Details, wie dicht das Netz der Wechselstationen etwa in Deutschland geknüpft werden soll. Es gibt auch keine Hinweise darauf, wo die ersten Vertriebspunkte entstehen sollen. In der Autobranche wird vermutet, dass sich das Unternehmen zunächst auf die größten Städte wie Berlin, Hamburg und München konzentrieren wird.
Der Autohersteller dürfte ein ähnliches Konzept wie Tesla verfolgen und mit auffälligen Store-Konzepten in zentrale Innenstadtlagen gehen. Ein solches „Nio House“ gibt es in der norwegischen Hauptstadt Oslo bereits. Das Unternehmen ist ein Premiumhersteller, der vorrangig vermögende Kunden bedienen will.
Nio wäre also ein direkter Konkurrent für Audi. Dass sich die Volkswagen-Tochter jetzt juristisch gegen den möglichen Wettbewerber wehrt, stößt in der Branche nicht überall auf Verständnis. „Die Verwechslungsgefahr bei einem SUV und einer Limousine ist doch ziemlich gering“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Automobilprofessor vom Center Automotive Research (CAR) in Duisburg.
Der Experte nennt die Vorgehensweise von Audi „kontraproduktiv“. Wettbewerber sollten so nicht miteinander umgehen. Eine Klage sorge für „schlechtes Klima“. Das Verfahren werde möglicherweise auch in China negativ aufgenommen. Audi gehört dort zu den wichtigsten Anbietern von Premiumfahrzeugen.
Chinesische Hersteller gehen bei der Digitalisierung voran
Eine einzelne Klage wird die Expansion chinesischer Elektrohersteller jedoch kaum aufhalten. „Sie werden in der Elektromobilität immer stärker“, betont Stefan Bratzel, Professor am Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. In China seien in den vergangenen Jahren mit BYD, Geely oder Nio Hersteller entstanden, die mit den etablierten Anbietern absolut konkurrenzfähig seien.
Auch bei der Digitalisierung machten die chinesischen Anbieter entscheidende Fortschritte – womöglich sogar größere als die europäischen Konkurrenten. Die Firmen werden auf dem Feld auch von der Kundschaft im Heimatmarkt angetrieben, die eine bessere digitale Ausstattung als europäische Autokäufer verlangen.
