„Wer nicht in China ist, findet im Autogeschäft nicht statt“ – Opel sagt Expansionspläne nach Fernost dennoch ab
Der Autobauer wollte in Fernost durchstarten. Die Spannungen zwischen dem Westen und China torpedieren nun diesen Plan. Opel steckt in Europa fest.
Wien. Im Sommer vor einem Jahr verkündete Opel große Pläne. Der kleine und stark auf Europa konzentrierte Autobauer aus Rüsselsheim versprach, in den größten Pkw-Markt überhaupt einzusteigen: China. „Wir haben versprochen, dass Opel global wird – und wir liefern“, bekundete der damals amtierende Firmenchef Michael Lohscheller. Dazu kam es allerdings nie.
Lohscheller ist längst nicht mehr bei den Hessen im Amt. Und unter seinem Nach-Nachfolger Florian Huettl vollzieht Opel eine strategische Kehrtwende. Die China-Expansion ist abgesagt, wie das Handelsblatt von drei Insidern erfuhr.
Hintergrund sind die wachsenden geopolitischen Spannungen zwischen der kommunistischen Führung in Peking auf der einen Seite und den USA sowie der Europäischen Union auf der anderen Seite. Nationalistische Tendenzen in China, die drakonische Zero-Covid-Politik und die Zuspitzung des Konflikts um die Unabhängigkeit von Taiwan erschweren Opel den Markteintritt. Man könne diese Zeitenwende nicht einfach ignorieren, heißt es in Unternehmenskreisen.
Opel bestätigt den Schwenk. „Aufgrund der aktuellen Herausforderungen für die Automobilindustrie ist es für Opel wichtiger denn je, sich auf klare Prioritäten zu konzentrieren – das sind Qualität, Rentabilität, Kundenzufriedenheit und Nachhaltigkeit“, bekundet ein Firmensprecher. „Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht des erforderlichen Volumens, um einen wirklichen Effekt zu erzielen, lässt Opel die Pläne für einen Markteintritt in China derzeit ruhen.“
Jetzt Handelsblatt Premium zum Vorteilspreis sichern - Zum Angebot
Letztlich habe Carlos Tavares, CEO des Opel-Mutterkonzerns Stellantis, die Reißleine gezogen, heißt es intern. Der Portugiese mit französischem Pass sieht in dem wachsenden politischen Einfluss auf das Geschäft in China enorme Risiken und ordnete Ende Juli bereits den Rückzug der Marke Jeep aus dem Reich der Mitte an. „Wir wollen kein Leidtragender möglicher gegenseitiger Sanktionen werden“, begründete der Vorsitzende des viertgrößten Autobauers der Welt damals diesen Schritt.
Opel steckt in Europa fest.Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Center Automotive Research (CAR)
Dasselbe Argument gilt auch für Opel. Nach Russland bricht dem heimischen Fahrzeughersteller damit allerdings die nächste Absatzregion mit erheblichem Wachstumspotenzial weg. „Opel steckt in Europa fest“, konstatiert Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Center Automotive Research (CAR).
Tatsächlich verkaufen die Hessen neun von zehn Fahrzeugen in der EU, Großbritannien, Norwegen und der Schweiz. Vor einigen Jahren war der Europa-Anteil am Gesamtabsatz sogar noch deutlich größer.
Opel selbst betont daher, dass die 2017 gestartete Exportoffensive ein Erfolg sei, man habe zahlreiche Märkte neu erschlossen – von Aserbaidschan, La Réunion und Südafrika über Marokko, Uruguay und Moldawien bis hin zu Ecuador, Kolumbien und Neuseeland. „Weitere Markteintritte sind in Vorbereitung“, sagt ein Unternehmenssprecher. Intern keimt dagegen Kritik auf.
In vielen Auslandsmärkten verkaufe Opel seine Fahrzeuge nur in „homöopathischen Dosen“, moniert eine Führungskraft. Das rechtfertige vielfach den Aufwand nicht. Klar ist: Ohne China stößt die Internationalisierung von Opel unweigerlich an Grenzen. Die Volksrepublik stand mit mehr als 21 Millionen verkauften Pkw im vergangenen Jahr für fast ein Drittel des globalen Neuwagenmarktes.
„Wer nicht in China ist, findet im Autogeschäft nicht statt“, urteilt CAR-Direktor Dudenhöffer. Dennoch ist der Rückzieher von Opel aus Sicht des Branchenkenners eher eine gute als eine schlechte Nachricht. Der Plan der Rüsselsheimer für China sei stets unrealistisch gewesen. Die Expansion in die Volksrepublik hätte hohe Ausgaben für Marketing und Vertrieb zur Folge gehabt. „Opel kennt dort ja kein Mensch.“
2023 drohen Überkapazitäten
Zugleich mangle es der Firma an attraktiven Fabrikaten, die sich von jenen der nationalen und internationalen Konkurrenz abheben. „Unser Produktportfolio ist aktuell nicht geeignet, um auf dem chinesischen Markt erfolgreich zu sein“, räumt ein Opel-Manager ein.
Bestseller wie der Kleinwagen Corsa oder das Golf-Pendant Astra seien zu stark auf die europäische Klientel zugeschnitten. Der Grandland als wichtigster SUV der Marke sei „nicht weltmarktfähig“ und das Limousinen-Flaggschiff Insignia wird noch dieses Jahr vorzeitig eingestellt. Kurzum: Jetzt sei nicht nur der „falsche Zeitpunkt“ um in China durchzustarten, man habe aktuell auch die „falschen Modelle“ für eine Offensive, analysiert der Manager.
Will Opel wachsen, muss der Konzern in Europa notgedrungen in den Verdrängungswettbewerb. Und der wird erkennbar härter. Die Abhängigkeit vieler EU-Länder von russischem Erdgas, die hohe Inflation und steigende Zinsen dürften ab kommendem Jahr zu einer spürbaren Kaufzurückhaltung bei Verbrauchern führen. „Die alte Autowelt der Überkapazitäten steht 2023 vor der Tür“, warnt CAR-Experte Dudenhöffer.
In Rüsselsheim wappnet sich die Geschäftsführung bereits für eine bevorstehende Rezession und zusätzlichen Kostendruck. Vergangene Woche kündigte Arbeitsdirektor Ralph Wangemann im Zuge eines Townhall-Meetings an, weiteres Personal an den deutschen Standorten in Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach abbauen zu wollen.
Jetzt Handelsblatt Premium zum Vorteilspreis sichern - Zum Angebot
Konkret will die Firma bis zu 1000 Beschäftigte über freiwillige Programme wie Altersteilzeit, Vorruhestand und Abfindungen loswerden. Perspektivisch könnten die Kürzungen sogar auf 2000 Mitarbeiter ausgeweitet werden. Das sorgt für schlechte Stimmung im Betrieb.
„Grundsätzlich bestreitet der Betriebsrat die Notwendigkeit für den Personalabbau“, heißt es in einer internen Rundmail der Arbeitnehmervertreter. „Die vermeintliche Notwendigkeit entsteht insbesondere dadurch, dass der Arbeitgeber Fremdvergaben forciert.“
Opel bringt den Monza zurück
Gewerkschafter und lokale Manager klagen seit Jahren, dass viel zu wenig in die Fabriken von Opel investiert werde. Es hake überall. So lähmten im ersten Halbjahr Qualitätsprobleme die Produktion am Stammsitz in Rüsselsheim. In Eisenach montiere man Fahrzeuge teils in „Rumpelschichten“, berichten Beteiligte. Das Band komme immer wieder zum Stillstand, weil das nötige Personal fehle. Um dennoch ausreichend Stückzahlen zu produzieren, wird auch samstags gearbeitet.
Zwei Lichtblicke zeichnen sich indes ab. So will Opel nicht nur den legendären Manta als Elektroauto wiederbeleben, sondern plant auch fest mit einem Revival des Monza, heißt es in Unternehmenskreisen. Mit dem Sportcoupé feierte Opel in den 80er-Jahren beachtliche Erfolge. Nun soll der Monza als Insignia-Nachfolger zurückkommen. Opel wollte sich dazu nicht äußern.
Angedacht ist der künftige Monza als ein Crossover, also eine Mischung aus Limousine und SUV, mit einer elektrischen Reichweite von mehr als 700 Kilometern. Geplanter Produktionsstart: Mai 2025. Womöglich eignen sich ja die neuen Modelle mit den alten Namen noch für einen verspäteten Eintritt in den chinesischen Markt.
Jetzt Handelsblatt Premium zum Vorteilspreis sichern - Zum Angebot
Jetzt Handelsblatt Premium zum Vorteilspreis sichern - Zum Angebot
