Die Chip-Industrie entdeckt Deutschland – Intel ist nur der Anfang
Die Milliardeninvestition in Magdeburg befeuert das Interesse ausländischer Konzerne. Allerdings nimmt auch die Konkurrenz zu. Ein Land fällt besonders auf.
Die Neugier ist geweckt: Immer mehr Halbleiterkonzerne schauen sich nach einem Standort in Deutschland um, nachdem sich Intel im Frühjahr für eine Milliardeninvestition in Magdeburg entschieden hat „Das Interesse an Deutschland ist gestiegen, es gibt nun mehr Anfragen von Chipfirmen zum Bau von Fabriken“, sagte Max Milbredt, Elektronikexperte der bundeseigenen Ansiedlungsagentur Germany Trade and Invest (GTAI), dem Handelsblatt.
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Als erster ausländischer Konzern seit fast drei Jahrzehnten plant der US-Konzern Intel einen Werksneubau in Deutschland. 17 Milliarden Euro will die Nummer zwei der Branche ausgeben. Davor war es der Rivale AMD gewesen, der von Ende der 1990er-Jahre an in großem Stil Fabriken in Dresden errichtet hatte. Sie gehören heute zu Globalfoundries.
Dem Beispiel Intel könnten bald weitere internationale Chiphersteller folgen, meint Milbredt. Die Ansiedlung in Sachsen-Anhalt habe einen positiven Effekt: „Europa und insbesondere Deutschland werden als Investitionsstandort für die Halbleiterbranche inzwischen ernst genommen.“ Namen nannte der Manager indes nicht.
Der weltgrößte Auftragsfertiger TSMC hatte wiederholt erklärt, eine Ansiedlung in Deutschland und Europa zu prüfen. Eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen, hieß es zuletzt bei den Taiwanern. Interesse gezeigt hatte zudem der US-Hersteller Wolfspeed, ein Spezialist für das innovative Material Siliziumkarbid.
Allerdings nimmt auch die Konkurrenz unter den Nationen zu. So ist es Indien dieses Jahr erstmals gelungen, mehrere Investoren für milliardenschwere Chipfabriken anzulocken. Das Land spielte als Produktionsstandort der Industrie bislang keine Rolle. Zuletzt teilte der Taiwaner iPhone-Produzent Foxconn mit, sich am 20 Milliarden Dollar teuren Bau eines Standorts für Chip- und Bildschirmfertigung in Indien zu beteiligen.
Die meisten neuen Vorhaben sind aber in den USA geplant. Namhafte Hersteller wie Globalfoundries, Intel, Wolfspeed oder Micron wollen auf ihrem Heimatmarkt Milliarden investieren. Die Regierung hat die Firmen mit 52 Milliarden Dollar an Subventionen aus dem sogenannten Chips Act geködert.
Ambitionierte Ziele der EU
Die Zeit scheint günstig, die Chipfirmen zu Investitionen zu bewegen. Denn die Konzerne sind bereit, so viel auszugeben wie nie. Den Experten von IC Insights zufolge werden sie im laufenden Jahr weltweit 185,5 Milliarden Dollar in neue Fabriken und Ausrüstung stecken. Das ist ein Rekord und gut ein Fünftel mehr als 2021.
In der Europäischen Union wird unterdessen noch über den eigenen Chips Act debattiert, mit dem mehr als 40 Milliarden Euro den Halbleiterfirmen zufließen sollen. Mit dieser Summe will die EU-Kommission dafür sorgen, dass sich Europas Anteil an der Weltchip-Produktion bis 2030 auf 20 Prozent mehr als verdoppelt.
Das Ziel gilt unter Experten aber als ambitioniert. „Anderswo werden noch mehr und auch größere Investitionen getätigt. Daher kann das Engagement von Intel nur der Anfang sein“, sagt GTAI-Manager Milbredt.
