Wenn Langeweile im Job krank macht – was dagegen hilft
Chronische Unterforderung im Beruf kann krank machen und schadet der Leistung. Was Betroffene machen können und wie Arbeitgeber reagieren sollten.
Überarbeitet und ausgebrannt: Das Burnout ist eine bekannte Diagnose in der Arbeitswelt. Stress am Arbeitsplatz gehört für viele auch einfach zum Job dazu. Doch worüber niemand gerne spricht, ist Langeweile im Beruf.
Wer mit seinen Aufgaben unterfordert ist, sich langweilt und kein Interesse hat für die Arbeit, leidet irgendwann an einem Boreout. Statt ausgebrannt sind die Betroffenen aus-gelangweilt.
Doch in einer hektischen Welt, voller gestresster Menschen, ist Langeweile im Beruf ein absolutes No-Go. Betroffene versuchen darum, eine hohe Auslastung vorzutäuschen, um nicht unangenehm aufzufallen. Denn wer seine Langeweile und Unterforderung offen zur Schau stellt, könnte eine Kündigung riskieren.
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Tätigkeiten werden darum auf mehrere Tage verteilt. Während der Arbeitszeit werden auch viele private Aktivitäten erledigt wie E-Mails und Whatsapp-Nachrichten an Freunde und Verwandte senden, Online-Einkäufe tätigen und gamen. Manchmal werden sogar Überstunden geleistet – nur um eine hohe Auslastung vorzutäuschen.
Es entsteht ein Teufelskreis. Denn obwohl Boreout-Betroffene unterfordert und gelangweilt sind mit ihrer Arbeit, täuschen sie Überlastung vor. Dadurch erhalten sie keine neuen und anspruchsvollen Aufgaben.
Die Arbeit bleibt damit langweilig. Betroffene fühlen sich unwohl, ihre Leistung sinkt. Hinzu kommt das schlechte Gewissen: Die Kollegen nebenan arbeiten, schieben Überstunden, während die Betroffenen im Internet surfen.
Ähnlich wie beim Burnout steigt dadurch mit der Zeit die gesundheitliche Belastung. Es können Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Magenbeschwerden oder Erschöpfungssymptome auftreten.
Boreout wegen der Pandemie
Corona könnte das Phänomen Boreout befördert haben. «Durch das Homeoffice in der Pandemie ist eine Distanz entstanden. Für Führungspersonen ist es schwieriger geworden, zu erkennen, wie es Mitarbeitenden geht und ob diese optimal gefordert und gefördert werden», erklärt Corinne Baumgartner, Arbeitspsychologin beim Organisationsberater Conaptis.
Bei Remote Work brauche es noch bewusster einen Austausch. Nur so können Arbeitgebende merken, ob Anforderungen und Kompetenzen übereinstimmen und Mitarbeitende ihre Fähigkeiten einbringen können. «Ein bewusster Austausch bietet auch die Gelegenheit, Wertschätzung für die Person und Anerkennung auszudrücken.»
Reagieren, bevor das Selbstwertgefühl leidet
Wichtig sei, dass auch Betroffene auf eine anhaltende Unterforderung reagieren. Denn Menschen wollen sich einbringen können, wollen sich kompetent fühlen und dazugehören. «Wenn der Job so wenig von uns fordert, dass wir ständig unterfordert sind, unser Potenzial ungenutzt bleibt und wir beginnen, an uns zu zweifeln, ist es Zeit für eine Veränderung», so Baumgartner.
Und das besser, bevor das Selbstwertgefühl leidet und man sich immer weniger zutraut oder unter gesundheitlichen Folgen leidet. Betroffene sollten dann das Gespräch mit den Vorgesetzten suchen oder sich im schlimmsten Fall nach einer neuen Stelle umschauen.
Grundsätzlich müssen sich Personen, die an einem Boreout leiden, zuerst einmal fragen, ob sie in ihrem aktuellen Job bleiben möchten: «Vielleicht ist es auch einfach Zeit für eine berufliche Neuorientierung», sagt Arbeitspsychologin Barbara Körner.
Wollen Arbeitnehmende auf der aktuellen Stelle bleiben, sei ein Gespräch mit den Führungskräften nötig. «Zudem können sich Betroffene überlegen, ob sie vielleicht Mentoring-Aufgaben übernehmen können, ob es im Unternehmen oder Team Projekte gibt, für die sie infrage kommen, und sich so neue Impulse im Job suchen», so Körner.
Produktive und ausgelastete Mitarbeitende sind auch im Interesse der Arbeitgebenden. Salary.com und AOL haben ausgerechnet, dass unterforderte Arbeitnehmende, die während der Arbeitszeit anderen Dingen als ihrem eigentlichen Job nachgehen, die USA über 750 Milliarden Dollar oder 5000 Dollar pro Angestellte jährlich kosten.
«Arbeitgebende können das Risiko für Boreouts über geeignete Prozesse, enge Führung und bewusste Aufgabengestaltung präventiv reduzieren», sagt Corinne Baumgartner. Dafür brauche es häufige Gespräche zwischen Mitarbeitenden und Führungspersonen, in denen die Auslastung und die Anforderungen thematisiert werden.
«Einfache Fragen können hier viel bringen, wie etwa: Wie bist du aktuell ausgelastet oder wie geht es dir mit deiner Arbeit ganz allgemein?», so Baumgartner. Eine allfällige Unterforderung und Wünsche zur Weiterentwicklung können so erkannt werden.
Laut Barbara Kröner wäre es am besten, wenn Arbeitgebende von vornherein vermeiden, dass Arbeitnehmende Boreout erfahren. Wichtig sei dementsprechend darauf zu achten, dass Arbeitnehmende unterschiedliche Tätigkeiten ausführen und ein gewisses Mass an Autonomie darüber haben, wie sie diese Tätigkeiten ausführen.
«Diese Eigenständigkeit kann Boreout entgegenwirken», sagt Körner. Zudem sollten Arbeitgebenden ein offenes Ohr haben, wenn Arbeitnehmende auf sie zukommen und um anspruchsvollere Aufgaben und mehr Verantwortung bitten.
Boreout kann zu Quiet Quitting führen
Auch Veränderungen im Verhalten oder der Leistung bei den Mitarbeitenden sollten möglichst früh angesprochen werden. «Andauernde Unterforderung kann unseren sozialen Status infrage stellen, Selbstzweifel fördern oder Angst um den Arbeitsplatz auslösen», erklärt Corinne Baumgartner. Es sei darum wichtig, dass ein offenes und angstfreies Klima am Arbeitsplatz gefördert wird – das trage indirekt zur Boreout-Prävention bei.
Denn nicht nur kann das Boreout krank machen, es senkt auch die Loyalität der Betroffenen gegenüber dem Unternehmen. Eine mögliche Folge davon ist «Quiet Quitting», die sogenannte innere Kündigung.
Dabei wird der Vertrag mit dem Unternehmen geistig und psychologisch langsam aufgelöst. Es wird nur noch die Anzahl Arbeitsstunden geleistet, die im Vertrag steht. Zwar kann Quiet Quitting unterschiedliche Ursachen haben – eine anhaltende Unterforderung und Langeweile im Job können aber zur inneren Kündigung führen, bestätigt Baumgartner.
Arbeitgebende, die sich aktiv für ihre Mitarbeitenden interessieren und diese unterstützen sowie Mitgestaltungsmöglichkeiten anbieten, vermindern damit also nicht nur das Risiko für Boreouts, sondern auch für Quiet Quitting.
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