Tesla-Herausforderer: Elektroauto-Hersteller Fisker plant Großes für Europa – Analysten skeptisch
Gründer Henrik Fisker erwägt den Bau eines Autowerkes in Europa und kritisiert die Premiumstrategie der deutschen Hersteller. Die Börse ist noch nicht von seinen Plänen überzeugt.
New York. Elektroautohersteller Fisker erwägt den Aufbau eines europäischen Autowerks. „Wir prüfen gerade, den Pear auch in Europa zu bauen“, sagte Gründer Henrik Fisker im Gespräch mit dem Handelsblatt. Das könne mit einem Partner geschehen oder auch allein. Die Entscheidung solle Mitte nächsten Jahres fallen.
Das neue, günstige Elektroauto Pear soll eine Lücke im Angebot schließen: Das geplante Mittelklassemodell wird nach Fiskers Worten für unter 30.000 Euro erhältlich sein - ein Preis, den bislang weder Tesla noch die deutschen Hersteller erreichen.
„Die deutschen Premiumhersteller und sogar die normalen Hersteller ziehen sich aus dem Markt für günstigere Fahrzeuge zurück“, sagte Fisker. Mit dieser Premiumstrategie machten Mercedes-Benz, BMW und VW zwar „sehr kurzfristig Gewinne. Letzten Endes wird das aber nicht von Dauer sein.“
Schließlich gebe es nur eine begrenzte Anzahl an Menschen, die sich ein Auto für etwa 80.000 Euro leisten könnten. „Es gibt gute Chancen für Elektroautos für unter 30.000 Dollar.“ In Indien spreche Fisker mit einem großen Partner aus der Industrie sogar über den Bau eines Autos für unter 20.000 Dollar. „So tief werden wir in den USA oder Europa aber nicht gehen.“
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Zunächst soll der Pear ab 2024 vom taiwanesischen Auftragshersteller Foxconn in der ehemaligen Lordstown-Fabrik in Ohio gebaut werden. Parallel wird die Produktion in Europa geprüft. Die Überlegungen seien zwar noch nicht abgeschlossen, sagte Fisker. Deutschland gehöre aber zu den möglichen Standorten.
Sinnvoll sei auf jeden Fall ein Standort auf dem europäischen Festland. „Es könnte sein, dass wir eine bestehende Anlage kaufen.“ Auch ein Joint Venture mit einem anderen Autohersteller sei denkbar.
In Deutschland gebe es qualifiziertes Personal und eine gewachsene Infrastruktur für die Autoproduktion. „Wenn wir irgendwo in Osteuropa bei null anfangen, müssen wir die Leute ausbilden. Und es dauert länger, die Produktion hochzufahren.“ Ein Problem seien allerdings die hohen Energiepreise in Deutschland, sagt Henrik Fisker. „Wir schauen uns alles an.“
Auslieferungszentrum bei München
Mit Fisker versucht der 58-jährige Däne erneut, den Durchbruch zu schaffen. Nach seiner Zeit als Designer für BMW und Aston Martin hatte Fisker 2011 einen ersten Konkurrenten für Tesla gebaut. Doch die Produktion des halbelektrischen Sportwagens Fisker Karma wurde mangels Erfolg eingestellt. 2014 ging das Unternehmen pleite. „Jetzt nutze ich meine zweite Chance. Wir haben viele Lektionen gelernt“, sagt der Gründer.
Das erste Auto für den Neustart läuft bereits vom Band: der Ocean. Seit zwei Wochen wird das Modell vom österreichischen Auftragsfertiger Magna in Graz gebaut. Das sei für ihn ein „unglaubliches Gefühl der Erfüllung“ gewesen, sagt Fisker.
Im Unterschied zu Wettbewerbern wie Tesla, Rivian oder Lucid setzt Fisker bisher nicht auf die Eigenproduktion, sondern lässt seine Autos im Auftrag bauen. Dadurch kann das Unternehmen direkt auf eingespielte Produktionsstandorte zurückgreifen, statt die komplexe Massenfertigung selbst zu meistern. Im Gegenzug fließt ein signifikanter Teil der Verkaufseinnahmen an den Partner Magna.
Preislich startet der Ocean bei umgerechnet 42.000 Euro, in der höchsten Ausstattungsvariante soll er 69.000 Euro kosten und mit einer Akkuladung 560 Kilometer zurücklegen – inklusive Allradantrieb mit zwei Motoren, einem drehbaren 17,1-Zoll-Bildschirm und weiteren Extras.
Bis zum Jahresende soll der erste Showroom in München eröffnet werden. Außerhalb Münchens wird ein großes Auslieferungszentrum gebaut. Weitere Standorte seien im Frankfurter Raum geplant und im Norden Deutschlands.
Magna erhält einen einstelligen Prozentbetrag
Die enge Kooperation mit Magna nennt Fisker eine „große Wette“: „Es gab viele skeptische Wall-Street-Analysten und Investoren.“ In der Autobranche sei das Modell der Auftragsfertigung schwer zu vermitteln gewesen. Dabei agiere man nicht anders als Apple: Auch der iPhone-Entwickler habe den Bau seiner Handys an den chinesischen Partner Foxconn ausgelagert und habe „trotzdem eine der größten Marktkapitalisierungen und höchsten Gewinnspannen“.
Die Zusammenarbeit mit dem österreichischen Auftragsfertiger beschreibt Fisker als Kombination aus der eigenen Start-up-Denkweise und der „organisierten, prozessorientierten“ Herangehensweise der Österreicher.
Magna werde an jedem verkauften Ocean mit einem einstelligen Prozentbetrag vom Verkaufspreis beteiligt, erklärt Fisker. Viel teurer seien aber die Rohmaterialien und die Roboter, die Fisker auf eigene Rechnung kaufe und bei Magna einsetze. „Wir haben etwa 100 Millionen Dollar in unsere Produktion investiert“, sagt Fisker. Das sei aber immer noch günstiger als der Bau eines eigenen Werks, betont der Gründer. Eine eigene Fertigung hätte nach seiner Einschätzung 1,5 Milliarden Dollar gekostet.
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Mit der Auftragsfertigung wolle man Probleme umgehen, die andere Start-ups zuletzt hatten. Konkurrenten wie Lucid und Rivian mussten zuletzt ihre Produktionsziele senken. Und auch Tesla-Chef Elon Musk hatte zum Start des Model 3 über die „Produktionshölle“ geklagt. Perspektivisch will Fisker aber auch eine eigene Produktion aufbauen. Bis 2025 wolle die Marke vier bis fünf Modelle auf dem Markt haben, dann sei man kein Start-up mehr.
US-Fabrik für den Ocean?
Auch in den USA könnte ein zweites Werk hinzukommen, erklärt der Gründer. Denn um von den Steuervorteilen in den USA zu profitieren, müsste auch Fisker seine Modelle möglichst lokal produzieren.
Die Nachfrage für den Ocean sei bereits heute hoch: „Wir hatten mit 50.000 Reservierungen zum Jahresende gerechnet.“ Aktuell stehe man bei 63.000 Bestellungen, zum Jahresende vielleicht bei 80.000. Das übersteige die Magna-Kapazität. Für 2024 rechne man mit dem Verkauf von 50.000 bis 70.000 Ocean-Modellen in den USA und der gleichen Anzahl in Europa.
Bis zum Jahresende will Fisker lediglich 15 Fahrzeuge ausliefern. Richtig losgehen soll es im ersten Quartal 2023 mit mehr als 300 Autos. Im zweiten Quartal sollen dann bereits über 8.000 Autos hergestellt werden; im Gesamtjahr 2023 plant Fisker mit einer Produktion von 42.400 Autos. Rund 80 Prozent der gesamten Jahresproduktion sind damit erst für die zweite Jahreshälfte vorgesehen.
Die Börse ist noch nicht überzeugt: Erst im Oktober war die Fisker-Aktie auf ein Rekordtief von 6,44 Dollar gefallen und hat sich davon bislang kaum erholt. Auch die Analysten von Goldman Sachs erwarten keinen schnellen Erfolg: Ihr Zwölf-Monats-Kursziel für die Aktie liegt bei acht Dollar – und damit nur knapp über dem aktuellen Kurs.
Sie raten „angesichts des zunehmend wettbewerbsintensiven Marktes für Elektrofahrzeuge und des branchenweiten Inflationsdrucks“ zum Verkauf. Mit einem Barmittelbestand von etwas mehr als 850 Millionen Dollar und einer Cash-Burn-Rate, die laut ihrer Schätzung 2023 bei durchschnittlich 200 Millionen Dollar pro Quartal liegen wird, werde Fisker wahrscheinlich nächstes Jahr frisches Kapital benötigen, und das in einem „harten Kapitalmarktumfeld“.
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