Der Konzern hat vor dem Landgericht Bonn Klage gegen die Meta-Tochter Edge erhoben. - (Foto: dpa)
Premium

Deutsche Telekom streitet mit Facebook-Konzern Meta vor Gericht

Müssen sich Netflix, Youtube und Instagram an den Kosten für neue Glasfaserleitungen in Europa beteiligen? Das fordern die Telekomkonzerne – und haben mächtige Verbündete gefunden.

Hamburg, Berlin. Die Europäische Kommission steht kurz vor dem nächsten Schlag gegen große Tech-Konzerne aus den USA. Unternehmen wie Netflix, Meta oder Youtube, die einen Großteil des Datenverkehrs in Europa verursachen, sollen sich an den Infrastrukturkosten der Telekomindustrie beteiligen. Es geht um Milliardenbeträge, die bis 2030 in den Ausbau von Glasfaserleitungen und modernen 5G-Mobilfunknetzen in Europa fließen könnten.

Nach Informationen des Handelsblatts aus Branchen- und Regierungskreisen will die Kommission im kommenden Jahr ein Modell vorlegen, das solche Zahlungen regeln würde. Der Gesetzgebungsprozess könnte noch vor Weihnachten mit dem Start einer „öffentlichen Konsultation“ beginnen.

Auf Anfrage teilt eine Kommissionssprecherin mit, dass „die konkreten Einzelheiten und der genaue Zeitplan“ noch diskutiert würden. Klar sei, dass die Investitionen für „modernere und widerstandsfähigere Netze“ in der EU erhöht werden müssten. Europas Telekomkonzerne kalkulieren mit Kosten von bis zu 40 Milliarden Euro, die Netflix und Co. jährlich in ihren Netzen verursachen. Nur ein Teil davon dürfte über eine „Datenmaut“ zu kompensieren sein. Ein einstelliger Milliardenbetrag wäre bereits ein Erfolg, heißt es aus der Branche.

Jetzt mit dem heutigen Quiz starten

Im Gegensatz zu früheren Regierungen lässt sich die Kommission von Ursula von der Leyen (CDU) offenbar auf die Klagen der Unternehmen ein. „Wir sind sehr optimistisch“, sagt Alessandro Gropelli, stellvertretender Generaldirektor der Lobbyvereinigung Etno. Schon in den vergangenen Jahren fiel Brüssel mit ambitionierten Regulierungen der Tech-Industrie auf.

„Datenmaut“ ist lang gehegter Wunsch der Telekomkonzerne

Mit der nun geplanten Datenmaut würde die Kommission einen lang gehegten Wunsch der Telekomkonzerne erfüllen, deren Europageschäft trotz fortschreitender Digitalisierung seit Jahren an Wert verliert. Branchengrößen wie die Deutsche Telekom sind hochverschuldet.

Sie klagen über die immensen Kosten, die etwa für den Bau neuer Mobilfunkantennen oder das unterirdische Verlegen von Glasfaserkabeln fällig werden.

Vom wachsenden Datenhunger ihrer Kunden können sie im Zeitalter von Flatrates, also Pauschalpreisen für die Internetznutzung, nur teilweise profitieren. Netflix oder Youtube, so die Sicht der Telekomunternehmen, würden dank ihrer Infrastruktur derweil zweistellige Traumrenditen verdienen.

In Brüssel und anderen Hauptstädten geht das Ringen um eine mögliche Datenmaut nun in die entscheidende Phase. Ein hochrangiger Telekom-Lobbyist spricht vom „größten Lobby-Battle“, den er in seiner Karriere erlebt habe.

Spätestens im Januar will die EU-Kommission Fragebögen zu dem Vorhaben an die betroffenen Interessengruppen verschicken. Schon im Vorfeld brachten sich die großen Interessengruppen in Stellung; Abgeordnete verbündeten sich zu Warnappellen. Die Regierungen von Italien, Spanien und Frankreich forderten die Kommission im August explizit dazu auf, „Big Tech“ endlich zahlen zu lassen.

Digitalminister Wissing gilt als Mautgegner

Im Hintergrund geht es dabei natürlich auch um Geopolitik. Der Argwohn gegenüber dem Gebaren der amerikanischen Tech-Unternehmen ist bei vielen Politikern so groß wie nie. Die Silicon-Valley-Elite würde in Europa mit teils fragwürdigen Methoden Milliarden verdienen, sich aber an den Folgekosten für Infrastruktur nicht beteiligen – geschweige denn ordentlich Steuern zahlen, heißt es.

Die Tech-Konzerne hoffen indes, das Vorhaben mit einer Kampagne zum Schutz der Netzneutralität abzuwenden. Sie sehen die Offenheit und Gleichbehandlung aller Angebote in Gefahr, die das Internet bislang auszeichnete. Solche „Grundsätze“ würden durch die Pläne infrage gestellt, klagt etwa Sabine Frank, Europa-Cheflobbyistin bei Youtube.

Die Maut wäre nur von einer Handvoll großer Unternehmen zu zahlen. Alle anderen könnten ohne Zusatzkosten weitersenden und auf einen Transport ihrer Daten wie bisher vertrauen.

Frank und ihre Kollegen geben sich dennoch demonstrativ gelassen – und drehen das Trittbrettfahrer-Argument der Telekomfirmen um: Diese würden erheblich vom milliardenschweren Programmbudget von Netflix profitieren, schrieb etwa Netflix-COO Greg Peters kürzlich in einem Gastbeitrag für die „Financial Times“. Die Serien und Filme schafften überhaupt erst das Bedürfnis nach teuren Breitbandanschlüssen.

Der Argwohn gegenüber dem Gebaren der amerikanischen Tech-Unternehmen ist bei vielen Politikern so groß wie nie. - (Foto: Reuters)
Der Argwohn gegenüber dem Gebaren der amerikanischen Tech-Unternehmen ist bei vielen Politikern so groß wie nie. - (Foto: Reuters)

Gerade in Deutschland scheint diese Argumentation zu verfangen. Digitalminister Volker Wissing (FDP) gilt als Mautgegner. Die Bundesregierung und Kanzler Olaf Scholz (SPD) haben sich indes noch nicht festgelegt. Bisher gab man sich eher zurückhaltend.

Jetzt mit dem heutigen Quiz starten

SPD-nahe Gewerkschafter können sich eine Kostenbeteiligung indes gut vorstellen. Schließlich erhöhen die Netzinvestitionen auch den Druck auf die Telekommunikationsunternehmen, Stellen abzubauen. Die Telekom taufte ein Sparprogramm jüngst gar „Save for Fiber“ (Sparen für Glasfaser).

Bei den maßgeblichen EU-Kommissaren Thierry Breton (Industrie) und Margrethe Vestager (Wettbewerb) dringen Meta und Co. jedoch kaum durch. So trafen die Vorstandsvorsitzenden von Europas wichtigsten Telekomkonzernen weitestgehend auf Verbündete, als sie Mitte Oktober nach Brüssel reisten.

Zur Delegation gehörten etwa Deutsche-Telekom-Chef Timotheus Höttges und die CEOs von Vodafone und Telefónica, Nick Read und José María Álvarez-Pallete. Die Gruppe traf auf Breton und den EU-Ratspräsidenten Charles Michel.

Mit ihren Ideen sollen sie auf das „Wohlwollen“ des Industriekommissars gestoßen sein, sagt ein Mitreisender. Breton, einst selbst CEO von France Télécom, twitterte im Nachgang gar ein Foto der Runde mit dem Hashtag #FairShare und der Forderung nach „nachhaltigen Geschäftsmodellen“ für die klagende Branche.

Die Lobbyisten waren verzückt. Die Rahmung der Datenmaut als Einforderung eines „fairen Anteils“ entstammt ihrer Feder. Breton war es auch, der während der ersten Corona-Lockdowns Netflix-Boss Reed Hastings anrief, um ihn um eine Reduzierung der Videoqualität zu bitten.

Die Netze in Europa, so die Befürchtung, hätten damals angesichts des Streamingbooms unter der erhöhten Datenlast zusammenbrechen können. Hastings kooperierte.

Gigabit für alle?

Wenig später kam es in Deutschland zu einem Bruch zwischen zwei der größten Spieler aus beiden Lagern, wie das Handelsblatt erfuhr. Meta, das damals noch Facebook hieß, soll demnach im März 2021 Zahlungen an die Deutsche Telekom für den sogenannten IP-Transit eingestellt haben, den Internet-Datentransport in und über das Telekom-Netz.

Es ging um zweistellige Millionenbeträge. Nicht viel, aber anders als in anderen Ländern hatte sich Meta zumindest an den Kosten beteiligt, die für die Durchleitung der jährlich wachsenden Datenmengen von populären Diensten wie Facebook, Instagram oder WhatsApp anfallen.

Die Telekom hat daraufhin im Juli 2021 Klage gegen die Meta-Tochter Edge vor dem Landgericht Bonn erhoben (Aktenzeichen: 30 O 83/21). Am 25. Januar soll die mündliche Verhandlung beginnen; die Klage konnte am Europasitz von Meta in Irland zunächst offenbar nicht zugestellt werden. Laut einer Gerichtssprecherin liegt der Streitwert derzeit bei zwölf Millionen Euro.

Meta teilt auf Anfrage mit, dass „kein Vertrag und deshalb auch keine Grundlage für die Forderung der Deutschen Telekom“ bestehe. „Wir verteidigen daher unsere Position.“ Die Telekom betont, dass Meta in der Vergangenheit Zahlungen geleistet habe, die Leistungen aber nunmehr „unentgeltlich erhalten“ wolle. Dagegen wehre man sich.

Ohne eine faire Beteiligung der Tech-Konzerne sind die EU-Ziele für 2030 für uns nicht zu erreichen.
Juan Montero Rodil, Cheflobbyist der spanischen Telefónica

Offen bleibt derweil, wie eine Kostenbeteiligung der Tech-Industrie konkret aussehen könnte. Die Umsetzung ist nicht trivial. In Südkorea, wo es eine Art Datenmaut bereits seit 2016 gibt, musste das Gesetz mehrmals überarbeitet werden. Netflix und der koreanische Telekomkonzern SK stritten sich im Nachgang vor Gericht.

Europas Telekombranche wünscht sich ein möglichst liberales Modell. Unternehmen, die in Spitzenlastzeiten für mehr als fünf Prozent des Datenverkehrs in einem EU-Land verantwortlich sind, müssten mit ihnen dann über „angemessene“ Zugangspreise verhandeln. Einigt man sich nicht, würde ein Schiedsrichter der EU eingreifen.

Einstweilen feilt man weiter an der Drohkulisse. „Ohne eine faire Beteiligung der Tech-Konzerne“, sagt Juan Montero Rodil, Cheflobbyist der spanischen Telefónica, „sind die EU-Ziele für 2030 für uns nicht zu erreichen.“ Bis dahin hatte die Kommission ihren Bürgern 5G und Gigabitanschlüsse „für alle“ versprochen.

Jetzt mit dem heutigen Quiz starten

Jetzt mit dem heutigen Quiz starten

Energiekrise, Ukraine-Krieg, Aufstand im Iran – Deutschland und die Welt sind im Aufruhr. Wie gut haben Sie noch die wichtigsten Ereignisse aus 2022 in Erinnerung? Testen Sie jetzt Ihr Wissen.

Bis Heiligabend präsentiert das Handelsblatt im großen Jahresquiz jeden Tag drei Fragen aus Politik, Unternehmen, Finanzen und Gesellschaft.

Damit stellen Sie aber nicht nur ihr Wissen auf die Probe, sondern können auch gewinnen: Nutzen Sie die Chance auf einen der attraktiven Tagespreise im Gesamtwert von 20.000 Euro. Viel Spaß beim Quizzen!

Bleiben Sie auch für künftige Quiz-Herausforderungen informiert und testen das Handelsblatt in der Standard- oder Premiumversion für 3 oder 6 Monate zum Premium-Preis – nur via XING:

https://vorteil.handelsblatt.com/xing-nl-premium/

Deutsche Telekom streitet mit Facebook-Konzern Meta vor Gericht

Premium

Diese Inhalte sind für Premium-Mitglieder inklusive

Der Zugang zu diesem Artikel und zu vielen weiteren exklusiven Reportagen, ausführlichen Hintergrundberichten und E-Learning-Angeboten von ausgewählten Herausgebern ist Teil der Premium-Mitgliedschaft.

Premium freischalten

Handelsblatt schreibt über Substanz entscheidet

Das Handelsblatt ist das führende Wirtschaftsmedium in Deutschland. Rund 200 Redakteure und Korrespondenten sorgen rund um den Globus für eine aktuelle, umfassende und fundierte Berichterstattung. Über Print, Online und Digital kommunizieren wir täglich mit rund einer Million Leserinnen und Lesern. NEU: Diese Seite bietet Premium-Mitgliedern eine Auswahl der besten Artikel vom Handelsblatt direkt hier.

Artikelsammlung ansehen