Gehaltserhöhung: So viel mehr Geld können Fachkräfte 2023 fordern
Gehälter in Deutschland werden in diesem Jahr stärker ansteigen als bislang prognostiziert. Unternehmen reagieren damit auf die Inflation und den Druck der Angestellten.
Düsseldorf. Gehälter in Deutschland werden Umfragen zufolge 2023 voraussichtlich um rund fünf Prozent steigen. Das geht aus Erhebungen mehrerer Beratungsfirmen und eines Forschungsinstituts in der Wirtschaft hervor.
Die Unternehmensberatung Willis Towers Watson (WTW) prognostiziert dabei Gehaltssteigerungen von 4,5 Prozent. Die Berater von Kienbaum gehen von einem Anstieg um 4,9 Prozent aus. Das Ifo-Institut und der Personaldienstleister Randstad erwarten sogar um 5,5 Prozent höhere Löhne im kommenden Jahr.
WTW und Kienbaum haben jeweils rund 800 Unternehmen befragt. An der Ifo-Randstad-Umfrage nahmen knapp 1000 Personalleiter teil. Die Erhebungen geben somit einen Überblick, was Angestellte 2023 erwarten können – und was sie fordern können.
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Die meisten Unternehmen reagieren mit ihren Gehaltserhöhungen auf die gestiegene Inflation, die in Deutschland zuletzt bei zehn Prozent lag. „Da ein wirtschaftlicher Abschwung droht, nutzen Unternehmen neben der Inflationsausgleichsprämie eine Reihe von Maßnahmen, um ihre Mitarbeitenden in dieser Zeit zu unterstützen“, sagt Florian Frank, Leiter „Talent and Rewards“ bei WTW.
Für 2023 erwarten Ökonominnen und Ökonomen zwar eine leicht abgeschwächte Inflation: Die Bundesbank-Prognose liegt bei 7,2 Prozent, die großen Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten eine Inflationsrate zwischen fünfeinhalb und sechseinhalb Prozent.
Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleibt dennoch weniger Geld übrig, denn die Gehälter steigen langsamer als die Teuerungsrate. Für das dritte Quartal meldete das Statistische Bundesamt einen Reallohnverlust von 5,7 Prozent.
Für das Jahr 2022 hatte Kienbaum Gehaltssteigerungen in Höhe von durchschnittlich drei Prozent erwartet. Die Nettolohnveränderung lag laut Statistischem Bundesamt etwas darunter: Im dritten Quartal waren es 2,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Gehaltserhöhung 2023: Unternehmen reagieren auch auf den Arbeitsmarkt
WTW hatte in einer ähnlichen Studie bereits Mitte 2022 bei den Unternehmen nachgefragt. „Im Juli wurde für 2023 eine Erhöhung der Gehälter um 3,8 Prozent prognostiziert. Die nun vorhergesagten 4,5 Prozent sind ein deutlicher Sprung und zeigen, wie sehr sich die Lage verschärft hat“, sagt Frank in Bezug auf die Teuerung.
Neben den gestiegenen Kosten beeinflussen auch andere Entwicklungen die Gehälter. Sebastian Pacher, Managing Director im Bereich Vergütung und Leistungsmanagement bei Kienbaum, sagt: „Der Fachkräftemangel ist der zweite wichtige Faktor. Das gilt nicht nur für die häufig genannten IT-Funktionen. Mittlerweile gibt es eine ganze Bandbreite von Funktionen, die schwer zu besetzen sind.“
Etwa die Hälfte der Unternehmen reagiert mit den Gehaltssteigerungen auf den engen Arbeitsmarkt. „Die Angestellten machen Druck, weil sie gestiegene Lebenshaltungskosten haben. Die Unternehmen haben die Tendenz, auf den Druck zu reagieren, weil es schwierig ist, neue Mitarbeiter zu finden“, erklärt Michael Kind, ebenfalls Vergütungsexperte bei Kienbaum.
Florian Frank warnt: „ Allerdings sollten die Unternehmen darauf achten, die internen Vergütungsstrukturen durch Neueinstellungen nicht nachhaltig zu stören.“ Zumal hohe Personalkosten eine Belastung für Unternehmen darstellen. Nur wenige gaben in der WTW-Umfrage an, Personalkosten durch Abbau oder Restrukturierung einzusparen.
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Am häufigsten (22 Prozent) wollen Unternehmen ihre Gesamtvergütung optimieren. Beispielsweise könnten sie bei Nebenleistungen wie Dienstwagen auf günstigere Anbieter ausweichen.
Jedes fünfte Unternehmen plant, seine Preise anzupassen, um mehr Geld für Personal zu haben. Das funktioniert nicht in jeder Branche, da sonst Kunden verloren zu gehen drohen. Ein Beispiel, wo die Kostenweitergabe gelingen kann, sind laut Vergütungsexperte Sebastian Pacher die Autozulieferer.
„Einige Firmen haben geringe Margen im Kerngeschäft. Wenn sich die Kosten deutlich erhöhen, müssen sie das an die Kunden weitergeben. Wo das nicht geht, leidet die Profitabilität, was wir bei einigen Unternehmen auch beobachten können“, so Pacher.
Inflationsprämie: Etwa Hälfte der Firmen zahlt Mitarbeitern Ausgleich
Um die Mitarbeitenden zu entlasten, planen manche Arbeitgeber nicht nur höhere Gehälter ein. Ein Instrument ist die Inflationsprämie in Höhe von bis zu 3000 Euro, die Betriebe bis Ende 2024 steuer- und abgabenfrei an ihre Angestellten zahlen können. Laut der Ifo-Randstad-Umfrage wollen 42 Prozent der Firmen den Ausgleich zahlen. 44 Prozent sind noch unentschlossen und 14 Prozent schließen den Bonus aus.
Von den 40 Dax-Konzernen zahlt sogar mehr als die Hälfte einen Inflationsausgleich, wie das Handelsblatt im November erhoben hat. Beim Autohersteller Volkswagen zum Beispiel bekommen die 125.000 Beschäftigten einen Bonus in Höhe von 3000 Euro ausgezahlt. Die Deutsche Bank und Airbus unterstützen mit jeweils 1500 Euro. Auch die Biotech-Firma Qiagen zahlt eine Prämie, nannte aber keine Höhe.
Managerinnen und Manager sollten eine niedrigere Gehaltserhöhung erwarten. Kienbaum hat in der Befragung zwischen Hierarchie-Ebenen unterschieden. „Die Ebenen, bei denen die Inflation deutlicher wirkt, werden stärker herausgehoben“, erklärt Sebastian Pacher. Während Spezialisten und Fachkräfte mit 5,6 Prozent mehr Gehalt rechnen können, sind es im Top-Management nur 4,4 Prozent.
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