Sport gegen Burnout-Fälle und falsche Entscheidungen
Viele Topmanager betreiben exzessiven Sport. Warum das für sie einen Ausgleich darstellt und die Resilienz stärkt. Und warum weniger auch reicht.
Es ist ein Marathon der Extraklasse: der Jungfrau-Marathon. 42,195 Kilometer und 1953 Höhenmeter vor traumhafter Kulisse. Eine, die diesen Lauf bestens kennt, ist Franziska Tschudi Sauber, CEO des Rapperswiler Unternehmens Weidmann. Bereits sechsmal hat sie die Distanz absolviert und verbindet so lange Sporteinheiten mit Topmanagement.
Nicht den Jungfrau-Marathon, aber 32 andere Langstrecken bewältigte Jörg Beer, CEO des Blumenhändlers Fleurop. Auch dieser Topmanager betreibt Sport exakt so akribisch, wie er seinen Job ausführt.
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Exzessives Sporttreiben und Topmanagement – viele Chefinnen und Chefs auf der obersten Führungsetage bringen beides unter einen Hut. Etwas haben sie gemeinsam: Sie suchen nach einer Abwechslung zum stressigen Alltag. Sie loten ihre Grenzen aus und überschreiten sie, wenn nötig. Doch dabei schwingt immer eine Frage mit: Wie gesund ist das?
Die studierte Medizinerin, Resilienz-Expertin und Dozentin Cornelia Birta kennt die Antwort: «Diese Menschen sind extrem leistungsfähig und streben auch in der Freizeit danach.» Für sie stellt der Sport einen Ausgleich zum Alltag dar – während sie Sport ausführen, entspannen und erholen sich diese Leute.
Sportliche Erholung klingt widersprüchlich
Erholung während des Schwitzens? Was auf den ersten Blick widersprüchlich klingt, macht Sinn, denn Bewegung fördert die Resilienz: Sie unterstützt die Regeneration und die Regulierung der Stresshormone. Das führt zum einen dazu, dass die Menschen überlegter auf Situationen reagieren, zum anderen fördert es das Gedächtnis, das Lernen, die Kreativität und die Innovation. «Sport ist auf jeden Fall empfehlenswert wegen all der vielseitigen positiven Auswirkungen, die er auf den Körper und auf die emotionale Ebene der Menschen hat», sagt Expertin Birta.
Die Wirkung hat aber auch ihre Grenzen: Zumeist lauern diese beim Absolvieren von zwanzig Stunden langen Ultramarathons, mehrtägigen Skitourenrennen oder endlosen Rennvelofahrten. «Wenn es ins Extreme rutscht, ist das nicht ein Ausgleich, sondern konsumiert noch mehr der Ressourcen», so Birta. In diesem Fall kann es wegen der fehlenden Ressourcen ins Gefährliche kippen.
Das wiederum führt nicht zur gewünschten Balance und Resilienz, sondern bedingt noch mehr Stress und eine Überstrapazierung des Körpers. Wird zwischen ressourcenzehrender Arbeit und intensivem Sport keine Pause gemacht, sind Menschen gereizter. Sie werden anfälliger für Stress und beginnen im Extremfall gar, Angststörungen zu entwickeln.
Wenn Stress in Dysbalance kippt
«Von der Natur aus ist es eigentlich gedacht, dass Stress vorübergehend ist», erzählt Birta. Der Körper stellt nur bis zu einem gewissen Punkt Ressourcen frei. Von diesen zehren die Menschen dann in Situationen mit kurzfristigem Stress – etwa wenn sie für ein Projekt die ganze Nacht durcharbeiten oder einen Sprint hinlegen müssen um den Zug oder einen Flug zu erreichen.
Dauert Stress jedoch über eine längere Zeit an, dann werden zu viele Reserven aufgebraucht. «Dann beginnt die Erschöpfung und die Überforderung», so Birta. Die hormonelle Lage verändert sich, die Folge ist eine Dysbalance des Nervensystems. Der Körper reagiert mit Erschöpfungszuständen und Burnout-Fällen.
Dysbalance versus innere Balance
«Die Aufgabe jeder Person ist es, die innere Balance immer wieder herzustellen», sagt Birta. Das Schaffen eines Bewusstseins ist der erste Schritt – zu merken, dass etwas nicht stimmt. Dann gilt es, aktiv etwas dagegen unternehmen. Denn die Dysbalance bleibt, wenn nicht die entsprechenden Veränderungen erbracht und in das Leben integriert werden. «Nachhaltig wirkt nur, was nachhaltig getan wird.»
Und dazu gehört eben auch, regelmässig Sport zu treiben. Bewegung setzt die Glückshormone Dopamin und Serotonin frei. Diese beiden fördern die Wiederherstellung der Balance sowie die Regeneration und haben eine motivierende und antidepressive Wirkung.
Doch so individuell die Menschen, so individuell auch ihre sportlichen Möglichkeiten. Im Falle einer Topmanagerin kann das ein Marathon oder ein Skitourenrennen sein. Grundsätzlich reicht aber auch eine Joggingrunde oder ein Spaziergang in der Nachbarschaft, um den Kopf zu lüften und neue Inputs zu erhalten.
Adrenalinsport kann einzelnen Personen entsprechen, um aber nachhaltig dem Stress entgegenzuwirken und die Resilienz zu fördern, muss die Wiederherstellung des Gleichgewichts im Körper beachtet werden.
Den eigenen sportlichen Weg finden
Denn: «Wer unter Stress steht, ist gefährdet, falsche Entscheidungen zu treffen», so Cornelia Birta. Ausserdem verschlechtert sich dadurch die Regeneration der Nervenzellen. Es entstehen Konzentrationsstörungen, und Leute sind schneller überfordert – keine guten Voraussetzungen, weder für Topmanagerinnen noch für Arbeitnehmende.
Entsprechend gilt es, den eigenen Weg zu finden: ein Spaziergang, eine Runde Laufen, der Grand Prix in Bern oder der Jungfrau-Marathon? So individuell die Möglichkeiten, so individuell auch die Leute. Eine Faustregel gibt es aber: Kein Sport ist keine Möglichkeit – die Anzahl Trainingsstunden ist ausschlaggebend.
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