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Unter den 100 wertvollsten börsennotierten Unternehmen befindet sich nur ein einziger deutscher Konzern. - All Mauritius, dpa, imago, IMAGO/photothek
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Top 100 Aktien: Das sind die wertvollsten Unternehmen der Welt nach Börsenwert

US-Konzerne dominieren die Börse immer stärker. Doch in der Techbranche sind die Aktienbewertungen kräftig heruntergekommen. Ergibt sich daraus Potenzial?

Düsseldorf. Der weltweite Absturz der Börsenkurse um 30 Prozent bis zum Frühherbst und die anschließende Erholung um zehn Prozent haben die Dominanz der USA noch einmal gesteigert: Unter den 100 weltweit nach Börsenwert größten Konzernen sind nach Handelsblatt-Berechnungen zum Jahresende 62 US-amerikanische. Das ist ein Konzern mehr als im Vorjahr und so viele wie seit gut fünf Jahrzehnten nicht mehr.

Elf der zwölf weltweit wertvollsten Unternehmen stammen aus der weltgrößten Volkswirtschaft – das ist ein Novum. Apple bleibt mit einem Wert von umgerechnet zwei Billionen Euro der wertvollste Konzern. Dahinter folgen Microsoft und der staatliche Ölkonzern Saudi Aramco aus Saudi Arabien.

Deutschland stellt mit SAP auf Rang 91 erstmals nur noch ein Unternehmen unter den Top 100. Siemens schaffte es nicht mehr in das Ranking. Der Dax-Titel Linde verbesserte sich zwar um 18 Plätze auf Rang 59. Doch seit der Fusion mit Praxair hat Linde seinen Firmensitz in Irland.

Nach Einschätzung von Henrik Ahlers, Deutschlandchef der Unternehmensberatung EY, sind eine höhere Risikobereitschaft amerikanischer Firmengründer, die hohe gesellschaftliche Akzeptanz des Unternehmertums und bessere Finanzierungsbedingungen hauptverantwortlich für die US-Dominanz: „Europa hat in all diesen Bereichen Nachholbedarf.“

Ein weiteres Novum: Angesichts der großen Kursverluste 2022, vor allem in der IT-Branche, sind die amerikanischen Aktien unter den Top 100 nicht mehr überbewertet, sondern gemessen am Verhältnis von Aktienkurs zu Gewinn inzwischen sogar günstiger als die europäischen Titel. Das gab es seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr.

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Börsenwert der Top 100: Starke Kursverluste von US-Aktien

Seit der großen Finanzkrisen von 2008 galt eine Börsenregel: US-Aktien sind hoch bewertet, vor allem aber höher als europäische Titel. Grund dafür war, dass amerikanische Unternehmen sich von Krisen schneller erholten. Sie wachsen zudem auch schneller und steigern ihre Gewinne rasanter. Beides honorieren die Börsen üblicherweise mit höheren Bewertungen.

Bezogen auf die Top 100, die weltweit größten Unternehmen nach Börsenwert, gilt diese Regel nicht mehr. Denn die US-Aktien sind mittlerweile niedriger bewertet. Wie kann das sein, ausgerechnet bei den großen und weltweit bekannten Namen wie Microsoft, Tesla, Pfizer, Johnson & Johnson, Visa, Coca-Cola & Co.? Eine Auflösung geben die turbulenten Kursereignisse in diesem Jahr, kombiniert mit den harten Bilanzkennziffern.

Technologiebranche bricht doppelt so stark ein wie der Gesamtmarkt

13 Prozent haben die 100 nach Börsenwert größten Unternehmen demnach im abgelaufenen Jahr verloren. Alle Konzerne zusammen sind zum Jahreswechsel damit gut 27 Billionen Euro wert. Die mit Abstand größte Branche, Technologie, brach sogar um gut ein Viertel ein, also doppelt so stark wie der Gesamtmarkt.

Apple-Aktien büßten binnen eines Jahres 21 Prozent an Wert ein. Andere Technologiegrößen wie Alphabet (Google), Amazon und der einstige Shootingstar unter den weltweiten Halbleiteraktien, Nvidia, verloren jeweils 35 und mehr Prozent, Tesla sogar 56 und Meta (Facebook) gar 64 Prozent.

Solch starken Kurseinbrüchen, wie es sie seit der Finanzkrise vor über einem Jahrzehnt nicht mehr gegeben hat, standen jedoch weitaus bessere Firmengeschäfte gegenüber: Trotz sinkender Aktienkurse verdienen viele Unternehmen 2022 mehr als im Jahr davor, darunter Apple, Microsoft und Tesla.

US-Börse. Unternehmen aus den USA dominieren die Liste der wertvollsten Unternehmen der Welt. - AP
US-Börse. Unternehmen aus den USA dominieren die Liste der wertvollsten Unternehmen der Welt. - AP

Die Top Drei der amerikanischen IT-Werte, Apple, Microsoft und Alphabet, werden in diesem Jahr netto 220 Milliarden Euro verdienen – nach 208 Milliarden Euro im Vorjahr.

Hohe Gewinne lassen US-Aktien günstig erscheinen

Hohe Konzerngewinne auf der einen, aber stark eingebrochene Kurse auf der anderen Seite haben die Bewertungen der Aktien 2022 kräftig sinken lassen. Und weil in der größten Volkswirtschaft fast alle IT-Aktien beheimatet sind, deren Kurse besonders stark gefallen sind, haben sich die Bewertungen der US-Aktien unter den Top 100 deutlich reduziert.

Wer aktuell die amerikanischen Unternehmen aus den Top 100 erwirbt, bezahlt Aktien durchschnittlich mit dem 18-fachen Jahresnettogewinn. Das auf diese Weise errechnete Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) entspricht dem langjährigen Durchschnittswert.

In den vergangenen Jahren waren US-Titel stets deutlich höher mit einem KGV zwischen 20 und 30 bewertet. Vor einem Jahr betrug die Kennziffer hohe 24.

Die 17 europäischen Aktien unter den Top 100 sind mit einem KGV von durchschnittlich 22 deutlich teurer. Grund dafür sind die oftmals stabil hohen Marktbewertungen vieler europäischer Aktien.

Europas wertvollster Konzern, der Luxusgüterriese LVMH mit seinen gut 75 Edelmarken, hat binnen eines Jahres nur fünf Prozent an Wert verloren. Der dänische Pharmaspezialist Novo Nordisk legte sogar um 24 Prozent zu. Die Aktie notiert mit einem hohen KGV von 30. Dadurch sind die Bewertungen in Europa gegenüber dem Vorjahr bei vielen Aktien kaum gesunken.

Ist der IT-Absturz nun vorbei?

Die starken Kursrückgänge in der Technologiebranche wecken Erinnerungen an das Platzen der Branchenblase im Jahr 2000. Damals endete der Absturz erst nach drei verlustreichen Jahren 2003.

Droht Ähnliches wieder, und ist 2022 womöglich nur der Auftakt einer längeren und nachhaltigen Konsolidierung und Neusortierung an der Börse? „Geschichte wiederholt sich zwar nicht, aber sie reimt sich“, sagt Chefanlagestratege Gérard Piasko von der Schweizer Privatbank Maerki Baumann: Damals wie heute konnten sich Technologieaktien nicht „ewig den Gesetzen der Gravitation entziehen“.

Damit ist gemeint, dass langfristig nicht Hoffnungen, Erwartungen und Spekulationen, sondern nur reale Gewinne die Kurse treiben. Die starken Kursrückgänge haben wieder zu einer Annäherung zwischen Kursen und Gewinnen geführt.

Die Korrektur – oder der Absturz – war wohl unausweichlich. Bei vielen IT-Werten waren die Bewertungen drei-, vier- oder fünfmal so hoch wie in den übrigen Branchen. Das heißt nichts anderes, als dass solch hoch bewertete Unternehmen drei-, vier- oder fünfmal so starke Gewinnsteigerungen auf Dauer präsentieren müssen, um ihre Bewertungen zu rechtfertigen und in sie hineinzuwachsen.

Sind sie aber „nur doppelt so gut – was immer noch sehr gut wäre –, müssten sie fallen“, sagt Markus Weyerer, Investmentstratege der Fondsgesellschaft Templeton. Genau das ist 2022 passiert: Die Kurse sind gefallen.

„Value“ hinkt immer noch hinterher

Seitdem gibt es ein Comeback der „Old Economy“, also der werthaltigen Aktien aus den Bereichen Konsum, Industrie und Energie. Rund 15 Prozent haben sich „Value“-Aktien in diesem Jahr besser entwickelt als „Growth“-Titel.

Dass damit die schlechte Phase der Tech-Aktien und die Aufholjagd der „Old Economy“ bereits beendet sind, bezweifelt Templeton-Stratege Weyerer. Er verweist darauf, dass „Value“ im historischen Vergleich immer noch günstig ist und weit hinter der Entwicklung von „Growth“ hinterherhinkt.

Seine Rechnung geht so: Value-Aktien seien im langfristigen Durchschnitt etwa 30 Prozent günstiger bewertet als Wachstumsaktien. Grund dafür ist das raschere Gewinnwachstum in diesem Sektor. Bis Ende letzten Jahres war aber der Abschlag auf fast das Doppelte des Durchschnittswertes hochgeschnellt und lag nach Berechnungen Weyerers bei knapp 60 Prozent. Inzwischen sind es etwas weniger als 50 Prozent.

Demnach hätte „Value“ auch 2023 immer noch viel Aufholpotenzial – also Branchen wie Konsum, Pharma, Handel und Industrie gegenüber der risikoreicheren IT-Branche.

Gewinnschätzungen der Analysten für 2023 gehen weit auseinander

Die meisten Analysten setzen auf dieses Szenario. Der Chefanlagestratege der Deutschen Bank, Ulrich Stephan erwartet: Investoren würden zunehmend daran zweifeln, dass die Unternehmen ihre Gewinne künftig genauso stark steigern können wie bisher. Die Verunsicherung sei verständlich. Schließlich gingen selbst die Gewinnschätzungen der Profis, der Unternehmensanalysten, für 2023 weit auseinander.

„Bei den sieben größten Tech-Werten liegt die jeweils höchste Gewinnprognose im Schnitt 150 Prozent über der niedrigsten Schätzung“, so Stephan. Bei den sieben größten Nicht-Tech-Unternehmen betrage die Spanne hingegen nur knapp 20 Prozent. Entsprechend sei das Überraschungspotenzial – positiv wie negativ – bei Technologieaktien deutlich größer, schlussfolgert Stephan.

Aktionäre verlangten für dieses höhere Maß an Unsicherheit verständlicherweise einen Risikoaufschlag. Vor diesem Hintergrund hält der Stratege eine Rückkehr auf historische Bewertungsniveaus in der IT-Branche mittelfristig für unwahrscheinlich.

Das Comeback der Technologiebranche könnte ausbleiben

Das Szenario eines ausbleibenden Comebacks der Technologiebranche deckt sich mit dem früheren Einbruch des Sektors vor gut 20 Jahren. Nachdem damals Kurse und Bewertungen stark heruntergekommen waren, blieben sie lange Zeit am Boden.

Aktien der „Old Economy“ waren anschließend sogar begehrter, stiegen im Kurs stärker und waren deshalb höher bewertet als die IT-Branche. Kommt es wieder so, würde sich 2023 der bessere Lauf von „Value“ gegenüber „Growth“ fortsetzen.

Templeton-Experte Weyerer setzt genau darauf. Mit Blick auf weiter herausfordernde Zeiten mit steigenden Zinsen und einem bevorstehenden Konjunkturabschwung „bevorzugen wir bei Aktien vernünftig bewertete Qualitätsaktien und Dividendenzahler“.

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