Arbeiten im Ausland: So lebt es sich als Auswanderer in Schweden
Rund 30.000 Deutsche leben in Schweden. Kosten und Steuern sind hoch, die Lebensqualität ist es auch. Finanziell ist jedoch einiges zu beachten. Ein Expat erzählt, was anders läuft.
Stockholm. Eines macht Jasper Kurth gleich zu Beginn des Gesprächs klar: „Ich kann mir momentan kein besseres Land vorstellen“, sagt der 38 Jahre alte Nordeuropachef von Bayer Pharmaceuticals Radiology. Vor drei Jahren ist er zusammen mit seiner Frau und den beiden Kindern von Berlin nach Stockholm gezogen und fühlt sich hier wohl. „Schweden ist ein ganz tolles Land, vor allem, wenn man wie wir zwei Kinder hat.“
Besonders gefällt der Familie die Natur. Die Ostsee liegt „vor der Nase“, wie er sagt, und auch der Wald ist nicht weit weg. „Die Lebensqualität ist hier sehr hoch, das schätzen wir sehr“, sagt der Wirtschaftsinformatiker.
Andere bestätigen das: In einer Umfrage des Expat-Netzwerks Internations belegt Schweden den vierten Platz, wenn es um Lebensqualität und Umwelt geht. Ein kleiner Wermutstropfen ist das Wetter, das mehr als ein Drittel der Befragten negativ bewertete. Finanziell gibt es zudem einiges in Schweden zu beachten.
Kurth ist einer von rund 30.000 Deutschen, die in Schweden leben. Die meisten von ihnen sind für eine begrenzte Zeit im hohen Norden, doch es gibt auch einige Tausend deutsche Einwanderer. Derzeit sieht der Arbeitsmarkt für sie gut aus. IT-Spezialisten, Handwerker und vor allem Pflegekräfte werden überall im Land gesucht.
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Auswandern nach Schweden: Ausländer brauchen Geduld
Doch wer nach Schweden zieht, braucht nach Meinung von Kurth vor allem eines: Geduld. „Die Digitalisierung in Nordeuropa, um die wir als Deutsche das Land immer beneiden, kommt mit dem Preis, dass man ohne Personennummer erst einmal kein Bürger in diesem Land ist“, weiß er aus eigener Erfahrung.
Die Personennummer ist eine individuelle Identifikationsnummer, bestehend aus dem Geburtsdatum und einer vierstelligen Zahl. Im täglichen Leben ist sie unentbehrlich. Ohne sie lässt sich keine Wohnung mieten, kein Handyvertrag abschließen und kein Konto eröffnen. „Man ist schlicht und einfach nicht geschäftstauglich“, beschreibt es der Bayer-Manager. „Wir mussten rund ein halbes Jahr auf die Personennummer warten.“ Das sei unangenehm gewesen, er habe sich sehr eingeschränkt gefühlt.
Tatsächlich sorgt die umfassende Digitalisierung neben vielen Vorteilen für ein Problem. „Es gibt hier in Schweden nur den einen Prozess, und was nicht in diesen Prozess passt, gibt es einfach nicht“, konstatiert Kurth. „In Deutschland ist das anders, dort kann man jemanden anrufen, das Problem beschreiben und nach einer Lösung suchen.“
Mittlerweile haben alle Kurths eine Personennummer, die anfänglichen Probleme sind bewältigt. Als Chef der nordeuropäischen Radiologie-Sparte von Bayer kann er auch von Erfahrungen seiner Mitarbeiter profitieren. Mit ein wenig Geduld verlaufe die Einwanderung problemfrei.
Arbeiten im Ausland: In Schweden zahlt man hohe Mieten
Kurth fremdelt allerdings weiterhin mit dem Gesundheitssystem, das er auch aus beruflichen Gründen kennt. Das positive Bild, das die Deutschen vom schwedischen Gesundheitssystem haben, könne er so nicht bestätigen. „Ich habe den Eindruck, dass die Bürokratie im Gesundheitssystem sehr, sehr groß ist“, sagt er. „Man hat für zehn Millionen Einwohner 21 Krankenhaus-Regionen, die alle ihre eigenen Entscheidungen treffen.“ Die Folge sind lange Wartezeiten auf Operationen, hohe Kosten und eine allgemeine Unzufriedenheit mit dem System.
Die Lebenshaltungskosten sind in Schweden höher als in Deutschland. „Lebensmittel sind erheblich teurer“, sagt Kurth. Das gelte auch für Restaurantbesuche. „Eine Pizza kostet rund 15 Euro.“ Für viele schwedische Familien gehört ein Restaurantbesuch deshalb zu den eher seltenen Höhepunkten.
Die Familie Kurth lebt in einem Haus in Stockholm. Die Mieten sind teuer. „Schweden ist ein Kauf-Markt, kein Miet-Markt“, beschreibt Kurth die Situation auf dem schwedischen Immobilienmarkt. Da man in Schweden die Hypothekenzinsen von der Steuer absetzen kann, lohnt sich der Kauf einer Wohnung oder eines Haus mehr als das Mieten.
Das Angebot an Mietimmobilien ist beschränkt. Die wenigen Objekte, die es gibt, sind teuer. Für ein etwa 160 Quadratmeter großes Haus zahlt man etwa 3.500 Euro Miete pro Monat. In besonders guten Lagen rund um die drei Großstädte Stockholm, Göteborg und Malmö kann es auch das Doppelte sein.
Auswandern nach Schweden: Steuern für Gutverdiener liegen bei rund 50 Prozent
Das Durchschnittseinkommen in Schweden betrug 2021 laut Statistischem Zentralamt 37.100 Kronen brutto. Das sind etwa 3.331 Euro. Allerdings gibt es sehr große Unterschiede: So werden im Bank- und Versicherungssektor bis zu 15.000 Euro im Monat gezahlt, eine Pflegekraft erhält dagegen nur etwa 2.200 Euro. Insgesamt liegt das Lohnniveau etwas niedriger als in Deutschland.
Die Steuern fallen dagegen etwas höher aus. Es gibt in Schweden ein duales Steuersystem mit staatlichen und kommunalen Steuern. Wer mehr als 598.500 Kronen (53.885 Euro) im Jahr verdient, muss neben den kommunalen Steuern, die je nach Gemeinde bei etwa 30 Prozent liegen, auch eine staatliche Steuer von 20 Prozent für den Teil zahlen, der die Grenze übersteigt. Der Steuersatz für Gutverdiener beträgt also etwa 50 Prozent.
„Ich zahle mehr Steuern als in Deutschland“, sagt Jasper Kurth. Allerdings muss beachtet werden, dass viele Sozialabgaben in den Steuern bereits enthalten sind. In Schweden gibt es beispielsweise keine Krankenversicherungsbeiträge. Das staatliche System erhält die Mittel über die Steuern, wobei für den Arbeitnehmer nicht direkt ersichtlich ist, wie viel seiner Steuern in das Gesundheitswesen fließen.
Eine Ausnahme bilden die Rentenbeiträge, die gesondert aufgeschlüsselt werden. Im Unterschied zu Deutschland müssen 2,5 Prozent der Rentenbeiträge vom Arbeitnehmer in Fonds angelegt werden. Die Auswahl ist riesig, mehrere Hundert Fonds stehen zur Wahl. Wer keine aktive Entscheidung trifft, dessen Beiträge landen in einem staatlichen Fonds.
In Schweden macht man die Steuererklärung per SMS
Die Steuererklärung ist leicht, da Arbeitgeber, Banken und alle anderen betroffenen Stellen etwaige Einkünfte automatisch dem Finanzamt melden. Hat man keine komplizierten Aktien- oder Immobiliengeschäfte im abgelaufenen Jahr getätigt, bekommt man vom Finanzamt ein bereits komplett ausgefülltes Formular. Ist man einverstanden, schickt man eine SMS mit ‚Ja‘. Das war es. Der gläserne Mensch habe manchmal auch Vorteile.
Kurth schätzt in Schweden die Rücksichtnahme der meisten Schweden. Man werde akzeptiert, wie man ist. Manchmal führe die Rücksichtnahme allerdings zu einer Verschlossenheit, die eine Kontaktaufnahme erschwere. „Ich komme am besten mit extrovertierten Schweden aus. Mit den introvertierten habe ich so meine Probleme.“
Sprachliche Probleme gibt es nicht, obwohl – wie Kurth betont – sein Schwedisch nicht das beste sei. „Die Schweden sind so verdammt gut im Englischen, sodass ich häufig Englisch mit ihnen spreche.“ Noch kann er sich nur schwer vorstellen, dass sein Auslandsvertrag in zwei Jahren schon wieder endet. Er werde Schweden vermissen, ist er sich sicher. „Ich glaube, es ist eines der besten Länder, in denen man leben kann.“
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