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Mit Fang- und Freakfragen wollen potenzielle Chefs testen, wie ein Bewerber reagiert, wenn er Stress ausgesetzt ist. - (Foto: DigitalVision/Getty Images)
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Vorstellungsgespräch: Typische Stressfragen und wie Sie am besten reagieren

Vorstellungsgespräche können für Kandidaten zu echten Stresstests werden, wenn Personaler bestimmte Fragetechniken anwenden. Wie Sie ganz sicher bestehen.

Düsseldorf. „Wenn Sie Fahrrad fahren: Was bewegt sich schneller? Die Fahrradkette oder der Boden?“ Tesla-Chef Elon Musk ist bekannt dafür, Bewerbern mit solchen Fragen auf den Zahn zu fühlen. Anspruchsvoll, aber mit Fachbezug.

Jürn-F. Konitzer ist CEO-Trainer und hat schon mehr als 400 Manager auf Vorstellungsgespräche vorbereitet. Seine Klienten wissen: In diesem Fall lautet die Antwort „der Boden“. Konitzer kennt aber auch viele Personalerfragen, auf die es keine richtige Antwort gibt – sogenannte Freak-Fragen. Ein Beispiel: „Wie viele Tennisbälle passen in einen Omnibus?“

Wer so etwas fragt, setzt Bewerber bewusst unter Druck. Und es gibt noch mehr fiese Fragen, derer sich manche Chefs in Vorstellungsgesprächen bedienen. Warum die es in sich haben und wie eine clevere Antwort aussehen könnte, erklären Jürn Konitzer, Nane Nebel, Autorin von „Die CEO-Bewerbung“ und Karriere-Coach Bernd Slaghuis.

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Doch zuvor wollen wir eines direkt noch auflösen. Als Reaktion auf die Freak-Frage mit den Tennisbällen im Bus empfiehlt Konitzer: „Überlegen Sie sich Annahmen und belegen Sie Ihre Aussagen schlüssig. So zeigen Sie, dass Sie trotz Stress zielorientiert vorgehen.“ Das sind weitere Fragen-Typen:

Triadische Frage im Vorstellungsgespräch: „Mit welchen Worten würde Ihr Lebenspartner Ihre größte Schwäche beschreiben?“

Darum geht es: Hier werden nicht anwesende Dritte – Partner, Freunde, Kollegen oder Vorgesetzte – in das Gespräch einbezogen, um Charaktermerkmale wie die Fähigkeit zu Selbstkritik zutage zu fördern und nebenbei noch die Beziehungsfähigkeit von Kandidaten zu ergründen.

Laut Karriere-Expertin Nane Nebel entsteht so die Chance für Bewerber, einen Persönlichkeitsaspekt zu benennen, der für die Stelle relevant ist. „Außerdem können Kandidaten zeigen, dass sie ihr Verhalten reflektieren, Kritik ernst nehmen und sich weiterentwickeln“, sagt die Beraterin. Eine Replik könnte so aussehen: „Mein Partner würde wahrscheinlich sagen, dass ich manchmal sehr direkt sein kann. Das stimmt, ich bringe die Dinge gern auf den Punkt. Ich habe mir aber angewöhnt, mehr zu hinterfragen und anderen mehr Zeit zu geben.“ Nebel: „Idealerweise sollte Ihr Gegenüber nun denken: ,Genau das können wir gut gebrauchen.´“

Provokative Frage an Bewerber: „Man munkelt, dass Ihr derzeitiger Arbeitgeber wirtschaftliche Schwierigkeiten hat. Sie wollen also schnellstens das sinkende Schiff verlassen?“

Darum geht es: Der Personaler möchte den Kandidaten oder die Kandidatin aus der Reserve locken, um Frustrationstoleranz und Loyalität zu prüfen. Wer aus dem Nähkästchen plaudert, hat verloren.

Um gelassen zu bleiben, helfe es, sich klar zu machen, dass Bewerber nicht jede Frage beantworten müssen, sagt Bernd Slaghuis. Der Experte rät: „Setzen Sie ruhig Grenzen.“ Eine gute Reaktion könnte diese Rückfrage sein: „Inwiefern ist die wirtschaftliche Lage meines aktuellen Arbeitgebers für unser heutiges Kennenlernen und unsere vielleicht gemeinsame Zukunft relevant?“ Vielleicht sogar ergänzt um diese selbstbewusste Aussage: „Und falls ich wirklich ein sinkendes Schiff verlassen wollen würde, wäre dies für mich und meine berufliche Zukunft eine kluge Entscheidung.“

Situative Frage im Vorstellungsgespräch: „Beschreiben Sie eine Situation, in der Ihre Arbeit oder eine Ihrer Ideen kritisiert wurde.“

Darum geht es: Die Personalmanagerin will Kritik- und Lernfähigkeit eines Bewerbers ausloten. „Antworten Sie mit einem ganz konkreten Beispiel aus Ihrem Job, das Ihr Gegenüber auch ohne Fachkompetenz verstehen kann“, rät Expertin Nane Nebel. Wichtig sei ein Happy End. Nebel: „Zeigen Sie, dass Sie die Kritik ernst genommen haben, sich mit den Argumenten befasst haben und zu welcher Lösung Sie gekommen sind.“

Eine konkrete Antwort könnte so lauten: „Als ich im Lenkungsausschuss meinen Projektplan präsentiert habe, hat der Controller meinen Zeitplan als zu ehrgeizig kritisiert. Und damit wäre auch die Kosten- und Budgetplanung nicht verlässlich genug. Ich habe mich für seine Rückmeldung bedankt, weil ich natürlich mit dem Projekt erfolgreich sein will. Und ich habe angeboten, innerhalb einer Woche einen überarbeiteten Plan zu präsentieren. Die Kritik war sehr nützlich für das Projekt. Ich habe für mich mitgenommen, dass mehr Abstimmung mit anderen Bereichen zu verlässlicheren Ergebnissen führt, die auch mehr Rückendeckung bringen.“

Spiegelfrage im Bewerbungsgespräch: „Ich habe den Eindruck, dass es neben Ihrem Wunsch nach einem internationalen Umfeld zwischenmenschliche Gründe gibt, die Sie zu einem Jobwechsel veranlassen. Habe ich Recht?“

Darum geht es: Das Gegenüber möchte rausfinden, ob es persönliche Gründe gibt, die den Kandidaten zum Verlassen seines bisherigen Jobs veranlassen. Es ist der Versuch, herauszufinden, ob er vielleicht ein „schwieriger Charakter“ ist und für Unruhe im Team sorgen könnte.

Sollte es keinerlei zwischenmenschliche Gründe für Ihren Wechsel geben, dann sagen Sie das, rät Nane Nebel. Etwa so: „Nein. Ich habe mich sehr wohlgefühlt und mit allen gut zusammengearbeitet. Sollte ich einen anderen Eindruck erweckt haben, bin ich froh, dass Sie nachgefragt haben.“ Die Expertin erklärt, warum das wichtig ist: „Diese Antwort stellt nicht nur richtig, sondern zeigt auch, wie Sie spontan zwischenmenschlich agieren: Sie bedanken sich für die Chance, die Ihnen Ihr Gegenüber gegeben hat. Sprich, Sie würdigen seine – provokative – Frage als guten Beitrag.“

Sollte tatsächlich ein cholerischer Chef oder ein Zwist unter Kollegen den Jobwechsel auslösen, gilt es, vorsichtig zu sein. „Auf keinen Fall schmutzige Wäsche waschen oder Schuld zuweisen“, rät Nebel. Wer zwischenmenschliche Gründe nennen wolle, solle diese in eine positive Richtung wenden. Etwa so: „Ihr Eindruck stimmt zum Teil. Es gibt eine Kollegin, mit der ich nicht gut klargekommen bin. Wir haben unterschiedliche Arbeitsstile: Sie eher kreativ, ich eher strukturiert. Wir bekommen es hin, miteinander zu arbeiten, weil wir uns aufs Ziel ausrichten. Diese Zusammenarbeit ist aber für meinen Wechselwunsch nicht entscheidend.“

Hypothetische Frage im Vorstellungsgespräch: „Welchen alternativen Lebensplan können Sie sich vorstellen?“

Darum geht es: Der Personaler checkt, ob der Job für den potenziellen neuen Mitarbeiter nur eine Übergangslösung ist. „Hypothesen haben im Bewerbungsgespräch nichts zu suchen“, sagt Experte Bernd Slaghuis. Er rät dazu, diese Chance zu nutzen, um Klarheit zu schaffen. Etwa mit dieser Replik: „Sie haben Recht, fachliche und persönliche Entwicklung motivieren mich sehr. Ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht, was mir in den nächsten Jahren im Beruf wichtig ist und der Wechsel zu Ihnen passt hierzu.“

Slaghuis rät, dann den Ball an Ihr Gegenüber zurück zu spielen. Etwa so: „Was werden Sie als Arbeitgeber dazu beitragen, dass ich in fünf Jahren keinen alternativen Lebensplan benötige?“

Selbsteinschätzungsfrage an Bewerber: „Bewerten Sie sich selbst auf einer Skala von eins bis zehn.“

Darum geht es: Der Personaler will, dass der Bewerber sein Selbstbewusstsein und seine Selbstachtung unter Beweis stellt. Der Grat zwischen Überheblichkeit und Tiefstapelei ist hier schmal. Karrierecoach Bernd Slaghuis rät, sich vorsichtig voranzutasten: „Bevor Sie pflichtbewusst einen Wert angeben und in Erklärungsnot geraten, sollten Sie gemeinsam erst mal über die Beschriftung dieser Skala sprechen.“ So erfahren Sie, an welchen Eigenschaften oder Kompetenzen Sie später in diesem Unternehmen konkret gemessen werden.

Möglich wäre auch diese Antwort: „Ich denke, diese Bewertung ist Ihr Job, wenn ich diesen Raum verlassen habe. Denn es ist mir wichtig, dass Sie den für Sie am besten passenden Kandidaten auswählen. Wenn ich für Sie eine 10 bin, freue ich mich über den Arbeitsvertrag – bei einer 1 freue ich mich über Ihre Absage, denn dann passt es sicher nicht.“

Fall-Frage im Vorstellungsgespräch: „Sie bekommen den Auftrag, eine Brauerei zu bauen. Sie sind der CEO. Wen würden Sie als Leiter für das operative Geschäft und wen als Finanzchef einstellen und warum?“

Darum geht es: Das Gegenüber will die strategischen Fähigkeiten des Kandidaten prüfen und ihn bei der Entwicklung einer spontanen Lösung beobachten.

CEO-Coach Jürn-F. Konitzer rät zu folgender Vorgehensweise: „Analysieren Sie zunächst kurz und prägnant die Situation. Denken Sie laut und lassen Ihr Gegenüber an Ihren Überlegungen teilhaben.“ Legen Sie also zunächst fest, welche Kundschaft beliefert werden soll – national oder international. Daraus lassen sich dann der optimale Standort, Produktionsmengen, Vertriebsstruktur, Personalbedarf und nötige Investments ableiten.

Konitzer: „Je nachdem, wo Sie die größten Herausforderungen sehen, können Sie dazu passend Namen Ihrer Wunsch-Verstärkung nennen und Ihre Wahl begründen. Lassen Sie bekannte Namen fallen und achten Sie dabei auf Vielfalt.“

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