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Die angeschlagene Dialysetochter FMC sorgt für große Probleme. - (Foto: Fresenius)
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Raus aus den Schulden: Wie Fresenius wieder zukunftsfähig werden kann

Nach Jahren des Gewinnrückgangs braucht der Konzern profitables Wachstum und mehr Finanzkraft. Ein tief greifender Umbau soll dies leisten – doch darin stecken Risiken.

Frankfurt. Wie groß die Erwartungen an den neuen Fresenius-Chef Michael Sen sind, das zeigte sich diese Woche an der Börse: Um zehn Prozent hat die Aktie des Gesundheitskonzerns seit Montag zugelegt. Dass die Quartalsergebnisse weniger schlecht ausgefallen waren, war ein Grund. Getrieben wird dies aber mehr davon, dass der CEO tief in die Strukturen des Dax-Konzerns eingreifen will.

Der Umbau wird Thema Nummer eins auf der Hauptversammlung von Fresenius kommende Woche Mittwoch sein. Sen will das Unternehmen mit einer neuen Aufstellung effizienter und profitabler machen: im Kern mit der Arzneitochter Kabi und dem Krankenhausbetreiber Helios. Die Dialysetochter Fresenius Medical Care (FMC) soll dekonsolidiert werden und in der Bilanz nicht mehr auftauchen.

Wie akut der Handlungsbedarf ist, zeigt der Handelsblatt-Bilanzcheck: Der Dax-Konzern hat im abgelaufenen Geschäftsjahr erneut weniger Gewinn erzielt, die ohnehin hohe Verschuldung ist weiter gestiegen. Ändert sich dies nicht, wird es für Fresenius zunehmend schwieriger, Investitionen, Dividenden und die steigenden Finanzierungskosten aus dem operativen Cashflow zu stemmen.

Fresenius ist in der komplexen Struktur gefangen

Zum Problemfall ist für Fresenius die durch die Auswirkungen der Coronapandemie angeschlagene Dialysetochter FMC geworden, die zwei Jahre hintereinander massiv an Gewinn verloren hat.

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Eine genaue Analyse der Entwicklung zeigt aber: Die Ertragskraft von Fresenius hat nicht erst seit der Coronapandemie gelitten. Gefangen ist der Konzern in der Komplexität einer doppelten KGaA-Struktur – Fresenius hält die Kontrolle über FMC und wird selbst von einer Stiftung kontrolliert. Gelähmt ist er von der steigenden Verschuldung, die den Handlungsspielraum für neue Wachstumsinitiativen einschränkt.

Der Fresenius-Chef will das Unternehmen mit einer neuen Aufstellung effizienter und profitabler machen. - (Foto: dpa)
Der Fresenius-Chef will das Unternehmen mit einer neuen Aufstellung effizienter und profitabler machen. - (Foto: dpa)

Mit dem Herauslösen von FMC, einer strukturellen Verbesserung der Profitabilität und der Weiterentwicklung von Kabi und Helios soll der Konzern zukunftsfähig werden. Wie solche Wachstumsinitiativen ausgestaltet werden können, hat Sen seit April 2021 als Chef der Medikamentensparte Kabi gezeigt, die künftig stärker auf Biotechprodukte und innovative Medizintechnik setzen soll.

Doch lauern auch in den beiden künftigen Kerngeschäftsfeldern von Fresenius nicht unerhebliche Risiken.

1. Börsenwert vernichtet, Dividende stagniert

Lange Jahre war Fresenius Garant für eine stabile Wertentwicklung. Seit 2017 allerdings hat der Konzern seinen Aktionären wenig Freude gemacht: Der Börsenwert ist in diesen fünf Jahren um rund 60 Prozent gesunken. Allein im vergangenen Jahr hat die Fresenius-Aktie 26 Prozent an Wert verloren. Nach einem Auf und Ab im laufenden Jahr legte die Aktie zuletzt wieder zu.

Fresenius galt zudem als Dividendenaristokrat – fast drei Jahrzehnte lang wurde den Aktionären eine steigende Dividende beschert. Nach 29 Jahren ist damit Schluss, für 2022 soll mit 92 Cent je Aktie eine lediglich stabile Dividende gezahlt werden. Immerhin: Trotz Gewinnrückgang schrumpft die Dividende nicht.

2. Operatives Ergebnis: Fast alle Sparten verdienen weniger

Der vor 110 Jahren als Pharmazieunternehmen gegründete Fresenius-Konzern ist breit im Gesundheitsmarkt aufgestellt. Nach der Dialysetochter FMC ist der Klinikbetreiber Helios vom Umsatz her zweitgrößtes Standbein des Konzerns. Etwas kleiner, aber margenstärker ist der Bereich Kabi, der auf Injektions-Medikamente und klinische Ernährung spezialisiert ist.

Die kleinste Sparte Vamed, die restrukturiert und perspektivisch wohl auch verkauft werden soll, ist auf Krankenhaus-Facility-Management spezialisiert und bündelt die Reha-Kliniken des Konzerns.

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Das heutige Konglomerat Fresenius wurde in den vergangenen drei Jahrzehnten durch diverse Milliardenübernahmen geformt. Lange Jahre ging die Akquisitionsstrategie der expansionsfreudigen CEOs Mark Schneider und Stephan Sturm auf. Fresenius verdiente genug, um die Verschuldung immer wieder zurückzuführen.

Doch spätestens ab 2018 zeigten sich operative Schwächen, ab 2020 belastete die Coronapandemie die Entwicklung. Der vergleichsweise große Wachstumssprung um neun Prozent auf 40,8 Milliarden Euro Umsatz im vergangenen Jahr ist zum größeren Teil auf Währungseffekte zurückzuführen. Aus eigener Kraft legte der Fresenius-Konzern lediglich um drei Prozent zu.

Die negativen Effekte der Pandemie wie gesunkene Patientenzahlen und verschobene Behandlungen, aber auch höhere Kosten für Personal, Material, Logistik und Energie drücken das operative Ergebnis deutlich. Hinzu kamen negative Einmaleffekte etwa bei Kabi im Zusammenhang mit Produktentwicklungen und bei Vamed durch Neubewertungen von Nachforderungen.

Bis auf Helios büßten alle Geschäftsbereiche beim operativen Gewinn ein. Im Gesamtkonzern sank das Ebit vor Sondereinflüssen um sechs Prozent. Das in der Gewinn-und-Verlustrechnung ausgewiesene operative Ergebnis ging um 20 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro zurück.

Beim Konzernergebnis wirkten sich zudem höhere Zinsaufwendungen und eine gestiegene Steuerquote negativ aus. Vor Sondereinflüssen gerechnet, fiel es um sieben Prozent. Laut Gewinn-und-Verlustrechnung sank der Nettogewinn um fast 25 Prozent auf 1,37 Milliarden Euro und liegt damit in etwa auf dem Niveau von 2015.

3. Problemfall Dialysetochter FMC

Fresenius wurde 2022 stark von FMC gebremst: Die Dialysetochter wird über die Struktur einer Kommanditgesellschaft auf Aktien kontrolliert. Der Mutterkonzern hält aber nur 32 Prozent der Anteile. Das operative Ergebnis (Ebit) von FMC fließt voll in die Fresenius-Bilanz ein, das Nettoergebnis dagegen nur anteilig.

Die Coronapandemie hat dem Dialyseanbieter stark zugesetzt, seit Beginn der Pandemie sind 25.000 Patienten mehr gestorben, als normalerweise in dieser geschwächten Patientengruppe ableben. Neben der Übersterblichkeit und gestiegenen Kosten durch Schutzmaßnahmen setzten FMC im vergangenen Jahr vor allem höhere Personalkosten und steigende Ausgaben in der Lieferkette zu.

Es fehlt auch weiterhin Personal. Mehr als 40 Prozent seines Gewinns hat FMC in den vergangenen beiden Jahren verloren. Im abgelaufenen Geschäftsjahr sank der Wert um 31 Prozent auf 673 Millionen Euro.

4. Wenig Spielraum: Cashflow sinkt, Verschuldung steigt

Im ersten Jahr der Coronapandemie hat Fresenius Hilfsgelder aus dem Unterstützungsfonds der USA bekommen – entsprechend verbesserte sich 2020 der Cashflow des Konzerns. Seitdem sinkt diese Kennzahl zur Wettbewerbsfähigkeit und Innenfinanzierungskraft aber beständig.

Im abgelaufenen Geschäftsjahr verringerte sich der Cashflow aus dem operativen Geschäft um rund 17 Prozent auf 4,2 Milliarden Euro. Abzüglich der saldierten Investitionen in Sachanlagen verbleibt dem Fresenius-Konzern ein Free Cashflow von 2,4 Milliarden Euro.

Diese Wert zeigt die frei verfügbaren Mittel eines Unternehmens an, mit denen es beispielsweise Schulden abbauen oder mehr an die Aktionäre ausschütten kann. Zwar verfügt Fresenius über ausreichend freie Mittel, um sowohl die Dividende als auch Akquisitionen des Unternehmensbereichs Kabi zu bezahlen.

Doch zieht man vom Free Cashflow dann auch noch die gezahlten Zinsen (saldiert um erhaltene Zinsen) in Höhe von 473 Millionen Euro ab, verbleiben nur noch 228 Millionen Euro. Da ist kein großer Spielraum, um zusätzliche Zinsaufwendungen stemmen zu können.

Und die wird es geben: Bei Fresenius und FMC werden 2024 Anleihen von zusammen mehr drei Milliarden Euro fällig. Die müssen refinanziert werden. Finanzchefin Sara Hennicken rechnet allein in diesem Jahr mit Zinskosten zwischen 700 und 750 Millionen Euro.

Fresenius muss den Cashflow deutlich verbessern, damit die Verschuldung sinkt.

Denn die wächst seit 2018 durchgehend. Mit einem Verschuldungsgrad vom 3,65-Fachen des Ebitda Ende 2022 hat der Dax-Konzern mittlerweile seinen selbst gesteckten Korridor vom 3 bis 3,5-Fachen verlassen. Bei der Ratingagentur Moody‘s fällt Fresenius auf die letzte Stufe, bei der noch von durchschnittlicher Qualität des Schuldners gesprochen werden kann.

Mehr finanzielle Freiheit sollen Kostensenkungen in Höhe von einer Milliarde Euro bringen, die bis 2025 erreicht werden sollen. Zusätzliches Kapital wiederum könnte der Verkauf von Teilgeschäften bringen, den CEO Sen in Aussicht gestellt hat. Am Aktienpaket von FMC will er zwar vorerst festhalten. Es bleibt aber die Option, durch einen Verkauf die Schuldenlast gleich um mehrere Milliarden zu senken.

Pikant ist: Fresenius ist ohne FMC gerechnet sogar noch höher verschuldet als in der aktuellen Rechnung. Der Verschuldungsgrad läge beim 3,8-Fachen des Ebitda.

5. Die künftigen Säulen des Geschäfts: Chancen und Risiken

Als Stütze von Fresenius hat sich im vergangenen Jahr der Krankenhausbereich Helios erwiesen – mit einem starken organischen Umsatzwachstum von fünf Prozent und einem guten Anstieg des operativen Ergebnisses um vier Prozent. Vor allem Helios Spanien entwickelt sich sehr dynamisch. Mit einer Ebit-Marge von 10,1 Prozent liegt die Kliniktochter bereits in der Bandbreite für die Marge, die CEO Sen als Ziel ausgegeben hat.

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Perspektivisch ist Gewinnwachstum für Helios im regulierten Krankenhausmarkt allerdings überwiegend nur durch Zukäufe möglich. Das ist ein Risiko in der Strategie, denn aktuell fehlt Fresenius dafür schlicht das Kapital.

Die Medikamentensparte Kabi legte 2022 organisch um drei Prozent zu, der operative Gewinn wurde allerdings durch steigende Kosten, Personalengpässe, aber auch die Covid-Lockdowns in China belastet. Über Jahre war Kabi ein zuverlässiger Gewinnlieferant von Fresenius und erbringt nach FMC den zweitgrößten Beitrag zum Ergebnis des Unternehmens.

Allerdings wird bei Kabi ein Großteil des Geschäfts mit intravenös zu verabreichenden Generikaprodukten gemacht. Bei denen sind die Preise stark unter Druck. Das ist ein weiteres Risiko in den Expansionsplänen. Als Wachstumsfelder sollen Biopharmazeutika und innovative Medizintechnik vorangetrieben werden. Hierzu hatte Kabi sich im vergangenen Jahr am Pharmahersteller Mabxience beteiligt und das innovative Medizintechnikunternehmen Ivenix gekauft.

Aber zum Ausbau des Geschäfts muss auch hier weiter investiert werden. Das neue Management muss also den Fokus auf mehr Profitabilität und liquide Mittel legen. Erste Anzeichen, dass die Strategie des neuen CEOs aufgehen könnte, lieferten die Zahlen zum ersten Quartal in dieser Woche. Insbesondere Kabi legte mit acht Prozent Umsatzwachstum überdurchschnittlich zu, Helios konnte seine hohe Wachstumsrate von fünf Prozent halten.

6. Konkurrenzvergleich: FMC flop, Klinikbetreiber Helios top

Im Dialysegeschäft ist der Vergleich mit einem direkten Wettbewerber möglich: Obwohl US-Konkurrent DaVita das gleiche harte Umfeld hatte, fuhren die Amerikaner in den vergangenen beiden Jahren jeweils eine bessere operative Marge ein. Im deutschen Krankenhausmarkt wiederum erreicht Marktführer Helios operativ deutlich bessere Werte als etwa der nächstgrößere private Wettbewerber Asklepios.

Rechnet man das dynamisch wachsende und profitablere spanische Geschäft bei Helios hinzu, dürfte das Krankenhausgeschäft von Fresenius in näherer Zukunft die stabilisierende Stütze für Fresenius bleiben – spätestens in ein paar Jahren braucht aber auch dieser Bereich neue Wachstumsimpulse etwa durch Zukäufe.

In den anderen Segmenten ist der Vergleich schwierig: Die Konkurrenz reicht von familiengeführten Unternehmen wie dem Medizinproduktehersteller B. Braun bis hin zu finanzkräftigen Arzneimittelherstellern wie der Novartis-Tochter Sandoz.

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Raus aus den Schulden: Wie Fresenius wieder zukunftsfähig werden kann

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