Wer in Mexiko arbeiten will, braucht eine temporäre oder dauerhafte Aufenthaltserlaubnis. - (Foto: dpa)
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Was Mexiko für deutsche Auswanderer so attraktiv macht

Trotz hoher Kriminalität, vergleichsweise niedrigen Löhnen und steigenden Mieten leben und arbeiten Tausende Deutsche in Mexiko. Zwei Expats berichten.

Mexiko-Stadt. Gerd Weißbach hat das Fernweh nach Mexiko geführt. Der Ostfriese lebt seit 2005 im Land und macht im Gespräch schnell klar, dass es ihm hier immer noch gut gefällt. „Wir fühlen uns schon etwas heimisch. In 17 Jahren lernt man Land und Leute gut kennen.“ Deutsche und Ausländer allgemein würden in Mexiko zudem sehr freundlich und neugierig aufgenommen.

Die offene Art der Mexikaner, die lebhafte Kultur und das gute Wetter machten das Ankommen und Leben einfach, sagt der 49-Jährige. Insgesamt leben nach Angaben der deutschen Botschaft rund 20.000 Deutsche in dem Land. Mittlerweile stehen Mexiko und seine Hauptstadt Mexiko-Stadt in vielen internationalen Rankings ganz oben bei der Beliebtheit der Auswanderer.

Zuletzt hat sich das Expat-Netzwerk Internations Mexiko-Stadt auf der Liste der „lebenswertesten Städte für Expats weltweit“ auf Platz drei eingeordnet. Nur das spanische Valencia und Dubai schneiden noch besser ab. Dabei hat sich die Lebensqualität in Stadt und Land in den vergangenen Jahren nicht gerade verbessert.

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Arbeiten im Ausland: Mexiko-Stadt gilt als sehr lebenswert

Die allgemeine Kriminalität und besonders die Gewalt der Organisierten Kriminalität nehmen permanent zu. Daneben haben Menschen, die in Euro oder Dollar bezahlt werden, immer weniger Pesos in der Tasche. Die Kaufkraft ist stark gesunken. Das liegt an dem starken mexikanischen Peso. Seit Sommer 2020 hat die Landeswährung um 25 Prozent aufgewertet. Die Inflation ist hingegen im lateinamerikanischen Vergleich moderat und lag zuletzt bei knapp unter acht Prozent.

Darüber hinaus sei Mexiko kein Steuerparadies, sagt Thomas Wagner, der mit seinem Unternehmen „WMP Mexico Advisors“ Mittelständler berät. Der Höchststeuersatz bei Einzelpersonen liegt bei 35 Prozent, greift allerdings deutlich früher als in Deutschland. Bei den Unternehmen liegt der Steuersatz bei 30 Prozent. Dafür seien Alters- und Krankenversorgung merklich günstiger als in Deutschland. Insgesamt aber gilt das Doppelbesteuerungsabkommen, wonach deutsche Arbeitnehmer dann in Mexiko ihre Steuern zahlen müssen, wenn sie mehr als 183 Tage im Jahr in dem lateinamerikanischen Land leben.

Arbeiten in Mexiko: Auswanderer sollten Aufenthaltserlaubnis früh beantragen

Das zweitgrößte Land Lateinamerikas und die Hauptstadt Mexiko-Stadt haben sich während der Coronapandemie und vor allem anschließend zum neuen Hotspot der Auswanderer entwickelt. Die Regierung hatte selbst zur Hochphase der globalen Covidinfektionen keine Einreisebeschränkungen verhängt.

Nach Angaben der deutschen Botschaft leben rund 20.000 Deutsche in Mexiko. - (Foto: Privat)
Nach Angaben der deutschen Botschaft leben rund 20.000 Deutsche in Mexiko. - (Foto: Privat)

Wer in Mexiko arbeiten will, braucht eine temporäre oder dauerhafte Aufenthaltserlaubnis. Die Bearbeitungsdauer könne bei der Einwanderungsbehörde durchaus ein Vierteljahr in Anspruch nehmen, sagt Wagner. Er empfiehlt daher, die Anträge schon in Deutschland und nicht erst in Mexiko zu stellen.

In den vergangenen Jahren hat sich die Migration nach Mexiko verändert. Waren es früher vor allem Mitarbeiter von internationalen Unternehmen, sind die Zuwanderer nun deutlich vielseitiger. Manche wollen eine Eisdiele eröffnen, andere wollen Brot verkaufen, wieder andere arbeiten remote aus dem Land für die alte Heimat. In Mexiko lebten schon vor der Pandemie rund anderthalb Millionen US-Bürger, Zehntausende sind seither hinzugekommen.

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Die neuen Zuwanderer und besonders die digitalen Nomaden führen zum Beispiel in Mexiko-Stadt zu massiver Gentrifizierung. In hippen Stadtteilen wie Condesa oder Roma sind in den Cafés oft die Bedienungen die einzigen Einheimischen. Englisch ist dort zur Verkehrssprache geworden.

Auswandern nach Mexiko: Gehälter im Schnitt niedriger als in Deutschland

Mittlerweile liegen die Mieten mitunter höher als in vergleichbaren Städten weltweit. Vermieter fordern für 100-Quadratmeter-Apartments bis zu 4000 Dollar Miete, der Wohnungsmarkt ist im Land kaum staatlich reglementiert. Zudem verknappt das Buchungsportal Airbnb vor allem in Mexiko-Stadt den Wohnraum.

Die hohen Mieten werden auch für viele Auswanderer angesichts der großen Gehaltsschere zwischen einfachen Angestellten und Managern auf mittlerem bis hohem Niveau zum Problem. Das Gehaltsniveau in Mexiko sei im Allgemeinen nicht so hoch wie in Deutschland, speziell für Berufseinsteiger, sagt Gerd Weißbach, der als Referatsleiter Lateinamerika und Karibik für die Deutsche Sparkassenstiftung für internationale Kooperation arbeitet. Aber selbst gut ausgebildete Fachkräfte verdienen oftmals nur prekäre Gehälter.

Nach Angaben des Arbeitsministeriums und des „Mexikanischen Instituts für Wettbewerbsfähigkeit“ erhält ein ausgebildeter Pädagoge ein Durchschnittsgehalt von 8873 Pesos pro Monat (480 Dollar), während er in den Vereinigten Staaten für die gleiche Tätigkeit rund 45.000 Pesos (2470 Dollar) verdienen könnte. Ingenieure erhalten oft nicht mehr als 800 US-Dollar monatlich. Ein Werkleiter erzielt bei internationalen Unternehmen hingegen durchaus 120.000 bis 150.000 US-Dollar pro Jahr.

Auswanderer Weißbach merkt die höheren Lebenshaltungskosten weniger stark als die Menschen in der Hauptstadt. Mit seiner Familie lebt er in Querétaro, einer Stadt im Zentrum des Landes, gut 200 Kilometer nordwestlich der mexikanischen Hauptstadt. Querétaro ist ein wichtiger Industriestandort vor allem für den Fahrzeugbau, aber auch für die Luft- und Raumfahrt.

Dass der Lebensunterhalt außerhalb von Mexiko-Stadt noch erschwinglich ist, erlebt auch Auswanderer Bastian Berck, der in Puebla wohnt, 130 Kilometer östlich der Hauptstadt. Puebla ist vor allem durch das dort ansässige Volkswagen-Werk bekannt.

Auswanderer als Gründer: Einstieg in Selbstständigkeit ist in Mexiko einfacher

Berck kam 2017 wegen der Liebe und eines Masterstudiums nach Mexiko. Damals hätte er sich nicht träumen lassen, dass er sechs Jahre später ein aufstrebender Wurstfabrikant sein würde. Berck hatte an der EBS Business School in Oestrich-Winkel General Management studiert, und bei einem Auslandssemester seine jetzige mexikanische Frau kennengelernt.

Mit seinem Start-up „Wurstfabrik“ will der 31-jährige Berliner bald in größerem Stil deutsche Bratwürstchen und ähnliche Produkte herstellen. Vom kleinen lokalen Anbieter, der seine Würste auf Märkten und Firmenfesten feilbietet, plant er, nun Supermärkte zu beliefern. Die Idee zu dem neuen Beruf kam ihm beim Besuch eines Fußballspiels in Mexiko. Da gab es keine richtige „Stadionwurst“, sondern nur Hotdogs.

Was als Hobby angefangen habe, sei jetzt ein ernsthafter Businessplan, sagt Berck. Mexiko sei ein gutes Land, um eine Geschäftsidee umzusetzen. „Der Einstieg in die Selbstständigkeit ist hier einfacher.“ Es gebe weniger Voraussetzungen und bürokratischen Aufwand als zum Beispiel in Deutschland. „Wenn man risikobereit und offen ist für Unkonventionelles, ist man in Mexiko gut aufgehoben“, meint er.

Das Leben und vor allem das Arbeiten in Mexiko seien sehr anders, betont Berck. Als Deutscher erlebe man bisweilen einen Kulturschock bei den Arbeitsbeziehungen. Mexikanische Mitarbeiter brauchten zum Beispiel Komplimente, damit sie motiviert bleiben. Gute Netzwerke seien wichtiger als in Deutschland.

Gerd Weißbach warnt vor klassischen Fettnäpfchen für Deutsche. „Die direkte deutsche Art kommt hier eher nicht so gut an.“ Kritik sollte man durch die Blume äußern. Wichtig sei auch, nicht direkt mit dem Geschäftlichen zu starten. „Das persönliche Gespräch über die Familie oder den Sport ist ein wichtiger Teil der beruflichen Kommunikation.“

Deutliche Umstellungen gibt es für Deutsche auch im alltäglichen Leben. Problematisch sei, dass Rechtssicherheit und Klarheit über stets geltende Normen nicht gegeben seien, sagt Berck. „Ich habe zum Beispiel mal 48 Stunden in der Arrestzelle verbringen müssen, weil ich einen leichten Auffahrunfall verursacht habe“, erinnert er sich. Insgesamt sei die Sicherheitslage instabil, beobachtet auch Auswanderer Weißbach.

Wer in Mexiko leben wolle, müsse sich an diverse Regeln halten und damit rechnen, Zeuge oder Opfer etwa eines Überfalls zu werden, sagt er. Längst ist die Macht der Organisierten Kriminalität nicht mehr auf die Zone an der Grenze zu den USA beschränkt. Es gibt im Land nur noch wenige Gegenden, die man wirklich als sicher bezeichnen kann. Und die Lage ändert sich dauernd. „Mit Celaya haben wir eine der gefährlichsten Städte der Welt direkt vor der Haustür. Mit über 100 Toten im Jahr pro 100.000 Einwohner macht man sich da doch viele Gedanken“, sagt Weißbach.

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