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Öffentlich wirbt die Deutsche Bank für Nachhaltigkeit. - Foto: Unsplash/Miguel Parera
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Deutsche Bank, Citi, JP Morgan: Die Geldbeschaffer der Öl- und Gasindustrie

Die Deutsche Bank und andere Finanzinstitute wollen weg vom Image der Klimaverschmutzer. Doch eine Recherche zeigt: Die Geldhäuser sind weiter die Finanziers fossiler Energieträger.

Berlin. Die Deutsche Bank gehört zusammen mit den US-Finanzhäusern JP Morgan, Citigroup sowie Bank of America zu den wichtigsten Partnern der Öl-, Gas- und Kohleunternehmen. Seit dem Inkrafttreten des Pariser Klimaabkommens im Jahr 2016 haben internationale Großbanken Konzernen wie Shell dabei geholfen, Anleihen über mehr als eine Billion Euro zur Finanzierung unter anderem von fossilen Förderprojekten auszugeben.

Das steht im Widerspruch zu den offiziellen Klimaschutzzielen der Politik, zu denen sich auch die Finanzbranche bekannt hat. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung internationaler Medien, an der das Handelsblatt beteiligt war.

In den vergangenen Monaten haben die niederländischen Rechercheplattformen Investico und Follow the Money zusammen mit zwölf Medien aus zehn Ländern die Finanzierung der internationalen Öl- und Gasindustrie analysiert. Außer dem Handelsblatt haben sich unter anderem „Le Monde“ aus Frankreich, die spanische Zeitung „El Pais“ und der „Guardian“ an dem Projekt mit dem Namen „Great Green Investment Investigation“ beteiligt.

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Eine Billion für die Öl- und Gaskonzerne

Ein zentrales Mittel, mit dem Öl-, Gas- und Kohlekonzerne an Geld für Investitionen etwa in neue Fördervorkommen gelangen, sind Anleihen. Diese platzieren sie mithilfe der Banken an den internationalen Kapitalmärkten. Der Recherche zufolge haben Shell, BP und andere Öl- und Kohlekonzerne seit dem Pariser Klimaabkommen im Jahr 2016 bis zum Juni 2023 weltweit 1666 Anleihen mit einem Gesamtvolumen von 1,01 Billionen Euro auf den Markt gebracht.

Die Tendenz ist steigend: Im Jahr 2016 wurden Anleihen im Wert von 96 Milliarden Euro platziert, im Jahr 2020 waren es bereits 248 Milliarden Euro, wie die Untersuchung ergab. Nach einem leichten Rückgang im Jahr 2022 zieht das Geschäft wieder an. Das heißt: Die Banken helfen den Energiekonzernen dabei, zunehmend mehr Geld für die Förderung fossiler Energieträger einzusammeln – das Gegenteil der politischen Klimaschutzbemühungen.

Nicht mit eingerechnet wurden bei der Analyse sogenannte grüne Anleihen. Mit diesen finanzieren Unternehmen Investitionen, mit denen das Klima geschont wird.

Quelle: Follow the money/Investico
Quelle: Follow the money/Investico

Im Geschäft mit den Anleihen führt an den Banken kein Weg vorbei. Wie bei einem Börsengang suchen sie für die zum Teil milliardenschweren Finanzinstrumente weltweit Investoren, an die sie die festverzinslichen Wertpapiere verkaufen. Die meisten Anleihen werden ähnlich wie Aktien an einer Börse notiert. Anders als bei Aktien läuft der Handel aber zum größten Teil nicht über die Börse, sondern über Broker, Plattformen und die Banken selbst.

Für ihre Dienste erhalten die Banker nach Angaben aus Finanzkreisen in der Regel 0,2 bis 0,3 Prozent des Emissionsvolumens. Angesichts eines Gesamtvolumens von mehr als einer Billion Euro seit 2016 bedeutet das für die Finanzbranche ein einträgliches Geschäft.

In den offiziellen Verlautbarungen der Banken erfährt man dazu wenig. In seinen Werbebotschaften spricht Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing etwa gerne über das grüne Gewissen von Deutschlands größtem Finanzhaus: „Aus tiefster Überzeugung wollen wir den globalen Wandel zu einer nachhaltigen, klimaneutralen und sozialen Wirtschaft mitgestalten“, versichert er auf den Internetseiten des Instituts.

Die Rolle der Deutschen Bank

Dabei waren die Frankfurter in der untersuchten Zeitspanne an insgesamt 358 Anleihedeals für Firmen aus der Ölbranche beteiligt. In Summe stehen diese für ein Volumen von 432 Milliarden Euro. Der wichtigste Kunde war für die Frankfurter der Recherche zufolge der mexikanische Ölkonzern Petroleos Mexicanos (Pemex).

Bei der Ausgabe einer Anleihe arbeiten in der Regel mehrere Banken zusammen, um Käufer zu finden und die Abwicklung der Zahlungen zu gewährleisten. Die Deutsche Bank war vor allem beim Geldtransfer involviert und in zweiter Linie bei der Akquise von Investoren.

Das Frankfurter Geldhaus gilt traditionell als eine der weltweit stärksten Banken im Anleihegeschäft. Der Handel mit festverzinslichen Wertpapieren und Devisen sorgte im ersten Halbjahr für Einnahmen von 4,5 Milliarden Euro, fast ein Drittel der gesamten Erträge der Bank. Der Bereich Debt Origination, unter den die Platzierung von Anleihen fällt, erreichte in den ersten sechs Monaten 2023 Einnahmen von 425 Millionen Euro, 30 Prozent mehr als im Vorjahr.

Ein Sprecher der Deutschen Bank betonte, dass das Institut sein Engagement im Öl- und Gassektor seit 2016 und insbesondere im vergangenen Jahr nachweislich stark reduziert habe. Im vergangenen Herbst hatte die Bank ihre Pläne vorgestellt, mit denen bis zum Jahr 2050 die Kreditvergabe auf klimaneutrale Investitionen Schritt für Schritt umgestellt werden soll. Dies gelte insbesondere für emissionsintensive Sektoren, darunter Öl und Gas, sagte der Sprecher.

Bisher sind Anleihen von der geplanten Umstellung ausgenommen. Zusammen mit anderen Akteuren aus der Finanzwirtschaft stellt die Deutsche Bank Überlegungen an, ob dies geändert werden könnte. Der Sprecher betonte, dass Anleihen schon heute dem üblichen Prüfungsprozess für Umwelt unterlägen. Es gebe daher keinerlei Intention, „den Geschäftsfokus von Kunden im Bereich fossiler Energien von Krediten hin zu Anleihen zu verschieben“.

Wie die Frankfurter Bank mit Vorstandschef Sewing an der Spitze haben sich auch andere Finanzhäuser selbst dazu verpflichtet, den Klimawandel aktiv zu bekämpfen. Die französische Crédit Agricole – Rang elf auf der Liste – will bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein, wie ein Sprecher auf Anfrage des Rechercheverbunds erklärte. Ihre Arbeit heute wird indes über dieses Jahr hinaus Wirkung zeigen: Die Franzosen halfen Saudi Arabia Oil bei der Platzierung einer Anleihe. Und die läuft bis zum Jahr 2070.

Dem Klimaexperten Pieter Pauw von der Universität Eindhoven gehen die Pläne der Finanzindustrie nicht weit genug: „Es ist eigentlich inakzeptabel, dass die Banken dies weiterhin tun“, sagte er auf Anfrage. Auch die Finanzströme – und damit das Anleihegeschäft – müssten mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens in Einklang gebracht werden.

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