Internes Dokument: Commerzbank-Mitarbeiter stellen Vorstand desaströses Zeugnis aus
In einer Umfrage äußern die Beschäftigten Zweifel an der Strategie und der Bankspitze. Immer weniger Mitarbeiter würden das Institut Kunden weiterempfehlen.
Frankfurt. Von außen betrachtet ist der Umbau der Commerzbank eine Erfolgsgeschichte. Nach einem hohen Verlust 2020 steuert das Institut in diesem Jahr auf einen Gewinn von rund zwei Milliarden Euro zu. Der Aktienkurs hat sich seit der Amtsübernahme von Vorstandschef Manfred Knof Anfang 2021 fast verdoppelt.
Die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schätzen die Lage von Deutschlands zweitgrößter Privatbank allerdings deutlich kritischer ein. Die Mehrheit glaubt nicht an den Erfolg der aktuellen Strategie und hat kein Vertrauen in das Topmanagement. Zudem würden immer weniger Beschäftigte ihren Freunden und Bekannten empfehlen, Kunde der Commerzbank zu werden.
Das ist das Ergebnis einer umfangreichen Mitarbeiterbefragung, die den Namen „Pulse Check“ trägt. Eine 27-seitige Präsentation der Ergebnisse liegt dem Handelsblatt vor – und sie fällt für Knof und seine Vorstandskollegen desaströs aus.
„Trotz signifikanter Verbesserungen ist weiterhin nur eine Minderheit von der Strategie überzeugt“, heißt es in der Präsentation. Das Fazit nach knapp drei Jahren Transformation laute: „Mitarbeitende sind nicht an Bord.“
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Knof hatte kurz nach seinem Amtsantritt angekündigt, 10.000 Vollzeitstellen zu streichen und etwa die Hälfte der Filialen in Deutschland zu schließen. Zudem dampfte er das Auslands- und Kapitalmarktgeschäft ein. In der Privat- und Firmenkundensparte gab der Vorstandschef die Devise aus, dass Profitabilität nun wichtiger sei als Wachstum.
Commerzbank: „Nicht als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen“
Für die Kunden der Bank hatte der Umbau aus Sicht der Mitarbeiter negative Auswirkungen. Nur noch 51 Prozent würden die Commerzbank Freunden und Bekannten als Finanzdienstleister weiterempfehlen. Bei einer Umfrage im Dezember 2020 waren es noch 63 Prozent gewesen.
Innerhalb des Instituts führen dies manche auf den Personalabbau, die Filialschließungen und Probleme bei der Digitalisierung zurück. Dadurch sei der Service für viele Kunden schlechter geworden, finden einige.
„Die Transformation zu einer digitalen Bank ist – was die Prozesse betrifft – leider zu langsam“, schreibt ein Teilnehmer der Umfrage. Andere verweisen darauf, dass sich vor den verbliebenen Commerzbank-Filialen zuletzt immer wieder Schlangen gebildet haben. Zudem hätten 2022 viele Kunden sehr lange auf ihre Steuerbescheinigungen warten müssen.
Die Commerzbank-Spitze sei mit dem Mitarbeiterabbau „teilweise über das Ziel hinausgeschossen“, moniert ein Beschäftigter. „Die verbliebenen Mitarbeiter sind teilweise am Anschlag, das will aber niemand sehen.“
In der Umfrage gaben 44 Prozent der Beschäftigten an, dass sie wechselbereit sind, wenn sie von einem anderen Institut ein vergleichbares Angebot erhalten. Unter den Führungskräften waren es 37 Prozent. Die Commerzbank werde „nicht als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen“, konstatiert das Institut in seiner Präsentation.
Eine Sprecherin erklärte, das Geldhaus nehme die Rückmeldung der Beschäftigten ernst. „Die Transformation hat unseren Mitarbeitenden einiges abverlangt.“ Die Bank wolle ihre Prozesse weiter vereinfachen, Mitarbeitende und Führungskräfte entwickeln und neues Personal rekrutieren, um Vakanzen schnell zu schließen. „Durch diese und weitere Maßnahmen werden wir für spürbare Entlastungen sorgen.“
Darüber hinaus betonte die Sprecherin, dass es bei einigen Fragen erfreuliche Entwicklungen gegeben habe. Mittlerweile sind beispielsweise 51 Prozent der Mitarbeiter optimistisch, was die Zukunft der Commerzbank betrifft. Das sind 23 Prozentpunkte mehr als vor drei Jahren.
Viele Mitarbeiter misstrauen dem eigenen Vorstand
Umso überraschender ist es vor diesem Hintergrund, dass lediglich 36 Prozent der Teilnehmer überzeugt sind, dass die aktuelle Strategie den zukünftigen Unternehmenserfolg sichert. Unter den Führungskräften liegt die Quote bei 54 Prozent.
Es gelingt uns nach wie vor nicht, die Mehrheit der Führungskräfte von der Strategie zu überzeugen“, räumt die Bank in ihrer Präsentation ein. Grundsätzlich zeigten die Ergebnisse, „dass der aktuelle wirtschaftliche Erfolg der Bank nicht oder nur bedingt mit der Strategie in Verbindung gebracht wird“.
Manche Mitarbeiter weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die steigenden Gewinne der Commerzbank zu einem großen Teil auf die Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB) zurückzuführen sind. Sie führt dazu, dass das Institut mit den Einlagen seiner Kunden mehr verdient.
Andere Beschäftigte führen den mangelnden Glauben an die Strategie auf das Misstrauen gegenüber dem Vorstand zurück. Dort gab es in den vergangenen Jahren zahlreiche Wechsel. Ende 2023 wird sich auch noch Risikochef Marcus Chromik verabschieden.
Das einzig verbliebene Commerzbank-Urgestein im Vorstand ist damit Firmenkundenchef Michael Kotzbauer. Viele Mitarbeiter monieren in vertraulichen Gesprächen, es gebe kaum noch „gelbe Leute“ im Vorstand.
Sie haben Zweifel, dass die neu formierte Bankspitze wie kommuniziert für eine eigenständige Zukunft des Instituts kämpfen würde. Vielmehr fürchten sie, dass der Vorstand bei einem halbwegs akzeptablen Angebot für die Commerzbank einem Verkauf nicht abgeneigt wäre.
Nur die Hälfte traut sich, ihre Meinung zu sagen
In der Umfrage gaben lediglich 43 Prozent der Mitarbeiter an, dass das Topmanagement die Commerzbank in die richtige Richtung führt. Nur 25 Prozent können die Entscheidungen des Vorstands nachvollziehen. Auch unter den Führungskräften waren es nur 38 Prozent. Über einige der Ergebnisse hatte am Donnerstag bereits das Portal „Finanz Business“ berichtet.
Mit ihren direkten Führungskräften arbeiten die allermeisten Commerzbanker gut zusammen, heißt es in der Präsentation der Umfrageergebnisse. Im Kontrast dazu erlebe aber nur rund ein Drittel „eine hierarchieübergreifende vertrauensvolle Zusammenarbeit, die von Teamgeist geprägt ist. Führungskräfte scheinen entkoppelt von der restlichen Kaskade zu agieren.“
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Ein Mitarbeiter gab zu Protokoll, die Kommunikation des Managements habe sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. „Trotzdem bleiben einige Entscheidungen unter der Abwägung aller Faktoren schwierig nachvollziehbar, gerade was den Abbau der Produktspezialisten betrifft und die teilweise zu komplizierten Prozesse, die eine Personalstärke erfordern, die wir nicht darstellen können.“
Bemerkenswert ist zudem, dass sich lediglich die Hälfe der Mitarbeiter sicher fühlt, die eigene Meinung zu sagen. Es gebe eine „unverändert kritische Bewertung von Vertrauenskultur und Nachvollziehbarkeit von Vorstandsentscheidungen“, heißt es in der Präsentation. Die psychologische Sicherheit „stagniert auf steigerungsfähigem Niveau“.
Mitarbeiter sehen hohe Ausschüttungen kritisch
Die Commerzbank-Sprecherin erklärte, das Vertrauen in den Vorstand habe sich in den vergangenen Jahren erhöht. „Das zeigt, dass die Kommunikationsmaßnahmen, beispielsweise der persönliche Dialog des Vorstands mit den Mitarbeitenden, Früchte tragen.“
Nichtsdestotrotz sei klar: „Bei einer Transformation in der Größenordnung und Schnelligkeit, wie die Commerzbank sie in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren vollzogen hat, war zu erwarten, dass eine Mitarbeitenden-Befragung ein differenziertes Bild ergibt.“
Auch der Zeitpunkt der Befragung im Juni und Juli 2023 habe eine Rolle gespielt, sagte die Sprecherin. Positive Effekte durch Umstellungen in den Filialen und Beratungscentern seien erst seit dem Frühsommer stärker spürbar.
Einige Mitarbeiter finden diese Argumentation wenig überzeugend – und weisen in vertraulichen Gesprächen darauf hin, dass ihnen auch die Weiterentwicklung der Strategie Sorgen bereitet. Deren Eckpunkte hat die Bank Ende September kommuniziert.
Die Pläne sehen vor, dass die Commerzbank künftig mehr als die Hälfte ihres Gewinns an die Aktionäre ausschüttet – über Dividenden und Aktienrückkäufe. Für das Geschäftsjahr 2024 peilt das Geldhaus sogar eine Auszahlung von mindestens 70 Prozent an. Davon wird auch die Bundesregierung profitieren. Sie ist seit der staatlichen Rettung in der Finanzkrise 2008 größer Aktionär und hält gut 15 Prozent.
Die Commerzbank-Aktie hat auf die Pläne mit einem kräftigen Kurssprung reagiert. Viele Mitarbeiter fänden es dagegen besser, wenn das Institut weniger ausschüttet und stattdessen mehr Geld für Zukunftsinvestitionen und neues Personal in die Hand nimmt.
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