Mit diesen Tipps holen Sie eine höhere Abfindung für sich heraus
Große Unternehmen wie VW wollen sich von tausenden Mitarbeitern trennen. Meist bekommen Betroffene eine Abfindung. Mit vier Schritten holen Angestellte bei den Verhandlungen mehr heraus.
Die schwierige wirtschaftliche Lage wird zunehmend spürbar, in vielen Branchen und Unternehmen. Selbst Großunternehmen wie Volkswagen haben zuletzt großen Personalabbau angekündigt. Dort soll es ein großes Abfindungsprogramm geben.
Abfindungen sind ein beliebtes Mittel, um Mitarbeiter zur Aufgabe ihrer Arbeitsstelle zu bewegen. So war es auch bei einem Mittelständler aus Nordrhein-Westfalen. Dort drohte der Arbeitgeber einer Endfünfzigerin mit einer betriebsbedingten Kündigung. Nachdem der erste Schock über die Kündigung überwunden war, hörte sich die Angestellte im Freundeskreis um. Die Rückmeldung war eindeutig: Die Abfindung, die ihr vom Arbeitgeber angeboten wurde, war akzeptabel. Ein Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit sollte sie bekommen, wenn sie der Vertragsauflösung zustimmen würde. Eine fünfstellige Summe käme so zusammen.
Die Chance, sich rechtlich zu wehren, erschien ihr nicht allzu gut: Das Unternehmen wollte die Kosten senken und mit weniger Mitarbeitern auskommen, betriebliche Kündigungen waren damit möglich. In ihrem Team war sie unter sozialen Aspekten am wenigsten vor der Kündigung geschützt – nach Dauer der Betriebszugehörigkeit und Alter etwa, zudem noch ohne Kinder und Schwerbehinderung. Einen anderen freien Arbeitsplatz im Unternehmen, auf dem sie eingesetzt werden könnte, gab es nicht.
Direkt klein beigeben wollte sie aber auch nicht. Etwas mehr Geld zur Überbrückung der Zeit, bis sie einen neuen Job gefunden haben würde, konnte sie gut gebrauchen. Also gab sie sich gegenüber dem Arbeitgeber unnachgiebig: In ihrem Alter sei es schwierig, einen anderen Job zu finden. Sie sei auf ihren Lohn angewiesen, schon für eine laufende Immobilienfinanzierung. Er möge wenigstens über sein Angebot nachdenken. Denn das sei für sie bislang völlig inakzeptabel. Ihr Plan ging auf. Ein zweites, höheres Angebot kam. Etwa 15 Prozent mehr Abfindung sprangen so heraus. Immerhin.
Abfindung ist meist Verhandlungssache
Verhandlungen um Abfindungen sind für Angestellte die vielleicht schwierigsten Gespräche mit dem Arbeitgeber. Selten haben sie schon einen anderen Job in Aussicht, oder sie sind ohnehin auf dem Absprung, weil sich die Entlassung abzeichnete. Viele ereilt das Thema überraschend – und sie müssen dann in einer aufwühlenden Situation kühlen Kopf bewahren. Mitunter sehen Mitarbeiter ihre finanzielle Existenz bedroht, etwa wenn sie fürchten, wegen eines höheren Alters keinen Job mehr zu finden.
Die Abfindung kann die Einbuße dann wenigstens finanziell etwas abfedern. Allerdings ist das Wissen zum Thema begrenzt. So gehen beispielsweise schon viele Angestellte davon aus, dass ihnen eine Abfindung zusteht. Doch dazu kommt es rechtlich nur in wenigen Fällen, eher Ausnahmefällen.
Ein solcher Anspruch kann durch einen Tarifvertrag oder einen Sozialplan entstehen. Manchmal stellt auch der Arbeitgeber selbst bei einer betrieblichen Kündigung eine Abfindung in Aussicht, wenn der Angestellte auf eine Klage gegen die Kündigung – die sogenannte Kündigungsschutzklage – verzichtet. Steht ein solcher Hinweis in der Kündigung, dann ist sogar die Höhe der Abfindung gesetzlich geregelt: Sie beträgt 0,5 Monatsgehälter pro Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses.
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Arbeitgeber wollen sich freikaufen
Doch diese Regelung für einen Spezialfall wird von vielen fälschlicherweise auf ganz andere Fälle übertragen. Dabei sei es eben „keineswegs in Stein gemeißelt, dass es eine Abfindung gibt“, sagt Fabian Beulke, Rechtsanwalt und Gründer des Start-ups Cleverklagen, das bei Abfindungsforderungen helfen will. „Abfindungen sind in den allermeisten Fällen ausschließlich Verhandlungssache.“ Gerade deshalb sei es so wichtig, sich einen auf das Thema spezialisierten Anwalt zu nehmen.
Für Arbeitgeber ist die Abfindung ein Instrument, mit dem sie sich Rechtssicherheit erkaufen können und teure Risiken meiden. Sollte eine Kündigung letztlich vor Gericht gekippt werden, drohen dem Arbeitgeber hohe Lohnnachzahlungen.
Damit stehen für Angestellte die Chancen auf eine Abfindung umso besser, je unsicherer die rechtliche Basis ihrer Kündigung erscheint. Je höher das Risiko, dass eine Kündigung sich rechtlich nicht durchsetzen lässt, desto teurer ist eben der Preis, dem Arbeitnehmer sein Recht auf Vertragsfortführung abzukaufen.
Schritt 1: Rechtliche Chancen prüfen
Als Erstes sollten von einer Kündigung bedrohte Angestellte daher herausfinden, wie gut ihre Chancen stehen, gegen eine Kündigung vorzugehen. Stehen die Chancen gut, geht es vielleicht gar nicht um die Abfindung, sondern darum, hart um den eigenen Arbeitsplatz zu kämpfen. Bei betriebsbedingten Kündigungen zum Beispiel muss der Arbeitgeber eine Sozialauswahl sicherstellen. Wie bei der Endfünfzigerin aus Nordrhein-Westfalen kommt es dann auf Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und eine mögliche Schwerbehinderung an. Dabei muss die Auswahl nur vergleichbare Mitarbeiter umfassen. Als vergleichbar gelten meist die Mitarbeiter auf den Stellen, auf die der Arbeitgeber den von der Kündigung bedrohten Angestellten sonst hätte versetzen können.
Eine klare Vorgabe, welches Kriterium wie zu werten ist, etwa ein Punkteschema, gibt es nicht. Teils nutzen Unternehmen ein solches aber intern; manchmal kann es auch mit dem Betriebsrat abgestimmt worden sein. Ohne externe Unterstützung werden die meisten Angestellten trotzdem kaum einschätzen können, wie ihre rechtlichen Chancen stehen.
Unterstützen könnte hier zum Beispiel der Betriebsrat im Unternehmen, eine Gewerkschaft oder ein Fachanwalt für Arbeitsrecht. Aber selbst mit fundierter externer Einschätzung wird Unsicherheit bleiben. Erscheint die Kündigung eher durchsetzbar, ist der Spielraum für eine hohe Abfindung begrenzt. Theoretisch müsste der Arbeitgeber dann auch gar keine Abfindung anbieten.
Fazit: Je besser die rechtlichen Chancen stehen, gegen die Kündigung vorzugehen, desto größer sind die Chancen auf eine hohe Abfindung. Allerdings gibt es keine Sicherheit. Zeichnet sich vor Gericht eine Tendenz ab – egal in welcher Richtung – kann das direkte Auswirkungen auf die Abfindungshöhe haben.
Schritt 2: Auf die Klagefrist achten
Angestellte können den Arbeitgeber in den meisten Fällen nicht zwingen, eine Abfindung zu zahlen – selbst wenn die Kündigung ersichtlich unzulässig ist. Sie können nur gegen die Kündigung rechtlich vorgehen. Nach Zugang der Kündigung haben sie drei Wochen Zeit, Kündigungsschutzklage einzureichen. „Besonders wichtig ist es daher nach einer Kündigung, schnell zu sein“, sagt Anwalt Beulke. „Ist die Frist abgelaufen, sinken die Chancen auf eine Abfindung drastisch.“
Doch auch mit mit der Kündigungsschutzklage klagen Angestellte nicht auf Zahlung einer Abfindung, sondern auf den Fortbestand ihres Arbeitsvertrags. Im aus ihrer Sicht schlimmsten Fall scheitert ihre Kündigungsschutzklage. Dann würden sie leer ausgehen, stünden am Ende ohne Job und ohne Abfindung da. Selbst wenn sie vor Gericht gewinnen, wollen viele Angestellte nicht ernsthaft zurück an ihren Arbeitsplatz. Ein Fakt, den sie keinesfalls aussprechen sollten, wenn sie ihre Chancen auf eine hohe Abfindung nicht mindern wollen.
Im Gegenteil: Arbeitnehmer sollten ihrem Arbeitgeber kundtun, dass sie unbedingt weiterarbeiten möchten, sagt Anwalt Beulke, und ihre Mitarbeit ganz konkret anbieten. „Das macht dem Arbeitgeber deutlich, dass man um seinen Arbeitsplatz kämpfen will. Und genau davon wollen sich Arbeitgeber durch das Zahlen einer Abfindung oft freikaufen.“
In der Psychofalle stecken viele Arbeitnehmer trotzdem. Sobald eine Abfindung im Raum steht, sind Angestellte unter Umständen gedanklich schon dabei, diese zu verplanen. Sich dann wieder auf eine Weiterarbeit im Unternehmen einzulassen, ist nur noch schwer vorstellbar.
Dennoch ist die Kündigungsschutzklage strategisch ein wichtiges Instrument. Kann eine solche nicht mehr eingereicht werden, muss der Arbeitgeber nicht mehr fürchten, dass die Kündigung noch gekippt wird. Er könnte sich jetzt sogar stur stellen und die Zahlung einer Abfindung verweigern.
Um ihre Verhandlungsposition zu stärken, sollten sich Angestellte daher entweder nicht zu viel Zeit lassen oder eine Kündigungsschutzklage einreichen. Für die Klage ist nicht zwingend ein Anwalt nötig. Meist ist kompetente Unterstützung aber sinnvoll – insbesondere, wenn ohnehin eine Berufs-Rechtsschutzpolice die Kosten übernimmt. Teils bieten Anwälte oder spezielle Dienstleister auch Prozessfinanzierungen an, um Angestellten das Kostenrisiko abzunehmen.
Die Kündigungsschutzklage kann auch wichtig sein, um mögliche Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld zu vermeiden. Haben Angestellte eine Kündigungsschutzklage eingereicht, schließen dann aber einen gerichtlichen Vergleich mit dem Arbeitgeber, führt selbst die Zahlung einer Abfindung in aller Regel nicht mehr zu Ärger mit der Agentur für Arbeit. Bei einem freiwillig geschlossenen Aufhebungsvertrag, ohne vorherige Kündigungsschutzklage, kann eine Abfindung hingegen kritische Nachfragen der Arbeitsagentur und womöglich eine Sperrzeit – also eine Zeitspanne ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld – hervorrufen, vor allem, wenn die gesetzliche Kündigungsfrist nicht eingehalten wurde.
Fazit: Nach Zugang der Kündigung bleiben drei Wochen Zeit für eine Kündigungsschutzklage. Erzielen Angestellte nicht schnell eine Einigung mit dem Arbeitgeber, werden sie meist gezwungen sein, Klage einzureichen, um ihre Chancen auf eine hohe Abfindung zu wahren. Unabhängig davon kann die Klage sinnvoll sein, um das Risiko einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld zu minimieren. Manchmal wird sie deshalb auch pro forma eingereicht, obwohl schon eine Einigung mit dem Arbeitgeber erzielt wurde. Dann kann nach Klageeinreichung postwendend ein Vergleich geschlossen werden.
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