Fünf Strategien, die Sie vor einem egomanischen Chef schützen
Aus dem Handelsblatt-Archiv: Manche erfolgreiche Führungskräfte tragen Züge eines Narzissten. Es gibt Strategien, mit ihnen auszukommen – doch diese wollen gekonnt sein.
Düsseldorf. Sollten Sie das Gefühl haben, Ihre Chefin oder Ihr Chef hat narzisstische Züge, sind Sie nicht allein. Mehrere Studien zeigen, dass Narzissmus in Führungsetagen weiter verbreitet ist als in der übrigen Bevölkerung. Und das ist kein Zufall: Denn narzisstische Verhaltensmuster begünstigen den Aufstieg in Machtpositionen.
Menschen mit narzisstischen Zügen sind selbstbewusst bis zur Selbstüberhöhung, sie drängen nach vorn und streben nach Macht. Sie beeindrucken Vorgesetzte mit inspirierenden Ideen und genialen Momenten. Sie können sich charmant geben, visionär und überzeugend.
Wer unter einem solchen Chef arbeiten muss, hat es weniger leicht. Statt ihre Angestellten zu motivieren, führen narzisstische Vorgesetzte mit Druck. Sie sind häufig kontrollsüchtig und kritikunfähig, agieren egoistisch, manipulativ und intrigant. Das trifft auf Ihren Chef zu? Das Handelsblatt hat bei zwei Expertinnen nachgefragt, wie Sie am besten mit einem solchen Vorgesetzten umgehen.
1. Erkennen Sie den Narzissmus und Egoismus beim Chef
Menschen mit narzisstischen Wesenszügen können sich in der Regel gut verstellen und verschiedenen Situationen anpassen. So wirken sie gegenüber ihren eigenen Vorgesetzten charismatisch, einnehmend, interessant und können überzeugen. Doch an bestimmten Merkmalen kann man den Narzissten enttarnen.
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Astrid Schütz ist Professorin für Persönlichkeitspsychologie an der Universität Bamberg und beschäftigt sich mit narzisstischen Verhaltensmustern. „Menschen mit narzisstischen Zügen sprechen viel über sich selbst und treten häufig arrogant auf“, sagt sie. „Die Bedürfnisse anderer Menschen interessieren sie wenig.“
Im Vorstellungsgespräch lassen sich laut der Psychologin zum Beispiel narzisstische Züge leicht entlarven, indem der Personaler den Kandidaten fragt, wie er seine Mitarbeiter motivieren und fördern möchte. Menschen mit stark ausgeprägten narzisstischen Persönlichkeitszügen hätten darauf in der Regel keine Antwort.
Narzissten neigen zudem zu Übertreibungen. Wenn der eigene Chef von Beginn an übertrieben lobt oder einen mit Aufmerksamkeit und Versprechungen überhäuft, dann ist Vorsicht geboten. „Sogenanntes Love-Bombing ist ein manipulatives Mittel des Narzissten“, sagt Sylvia Pietzko.
Die Coachin und Kommunikationstrainerin hat sich auf narzisstische Menschen spezialisiert. „So füttert der Narzisst seine Opfer an, macht sie gefügig und abhängig.“ Nicht selten lasse er sie dann unsanft fallen. Wer ein seltsames Gefühl bei seinem Chef hat, sollte darauf hören und etwas Abstand einnehmen, sagt die Expertin.
2. Machen Sie sich im Job gegenüber Narzissten unangreifbar
Haben Sie bei Ihrem Chef narzisstische Züge ausgemacht, können Sie der Zusammenarbeit dennoch eine Chance geben, sagt Coachin Sylvia Pietzko. Eine Weile kann man mit ihm womöglich trotzdem gut auskommen, vor allem dann, wenn man positiv und empathisch auf ihn eingeht.
Doch die gute Stimmung kann kippen, denn Loyalität spielt bei narzisstischen Menschen keine Rolle. Fängt er an, Sie auszunutzen und zu instrumentalisieren oder lässt er Sie fallen, sollten Sie ihn nicht provozieren. Denn auf Konfrontation reagiert der Narzisst mit heftigen Gegenangriffen, und es könnte zu einer Eskalation kommen.
„Für eine geräuscharme Zusammenarbeit empfiehlt sich die sogenannte ‚Grey Rock Methode‘“, sagt Pietzko. „Sie bedeutet: Ich mache mich so langweilig wie möglich, biete dem Chef keine Angriffsfläche.“ Narzissten suchen die Reibung, positive wie negative. Wenn der Narzisst keinerlei Feedback mehr bekommt, wird er sich abwenden.
„Seien Sie weder zu klug, empathisch oder hilfsbereit noch aufmüpfig, fordernd oder konfrontativ“, sagt die Coachin. Ihr Tipp: Geben Sie sich in jedem Kontakt sachlich und möglichst emotionslos. Beschränken Sie die Kommunikation nur auf das Wesentliche. „Seien Sie langweilig wie ein grauer Stein“, sagt sie.
Dabei handelt es sich jedoch um eine eher kurzfristige Lösung. Denn: „Nichtauthentisches Verhalten kann auch auf Dauer zur Belastung werden“, sagt Psychologin Astrid Schütz.
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3. Verbünden Sie sich gegen Narzissten
Ist das Unternehmen sehr klein und kann man seinem narzisstischen Chef nur alleine etwas entgegensetzen, hat man einen schweren Stand. Arbeitet man dagegen in einem größeren Team, können und sollten sich die Betroffenen zusammenschließen. „Die Teams von Chefs mit narzisstischen Verhaltensweisen sind oft sehr enge Gemeinschaften“, sagt Persönlichkeitspsychologin Astrid Schütz.
Es sei durchaus sinnvoll, sich untereinander auszutauschen, zu unterstützen und sich gemeinsam klar zu werden: Die schlechte Atmosphäre, der Druck, die Eskalationen – das ist nicht unsere Schuld! Auf diese Weise könne es ein Team schaffen, die Angriffe ins Leere laufen zu lassen und den Chef möglicherweise zu vergraulen. Denn Langeweile mag der Narzisst nicht.
4. Legen Sie Beschwerde ein
Ob alleine oder im Team haben Sie in größeren Betrieben die Möglichkeit, den formalen Weg der Beschwerde einzuschlagen. Sei es der Betriebsrat, die Personalabteilung oder eine Gewerkschaft: Überschreitet ein Vorgesetzter Grenzen, können sich Betroffene Hilfe von außen holen. „Man muss sich allerdings im Klaren darüber sein, dass ein solcher Weg ein Angriff auf den Chef bedeutet“, sagt Coachin Sylvia Pietzko. „Das kann gut laufen und möglicherweise zu einer Entlassung des Chefs führen.“ Es könne aber auch die Situation verschlimmern, denn ein narzisstischer Mensch tendiere dazu, sich zu rächen.
5. Wechseln Sie in Jobs ohne Narzissten im Team
Hilft das alles nicht oder haben Sie nicht die Kraft für eine der oben genannten Strategien: Ziehen Sie lieber die Reißleine. „Kein Job der Welt ist es wert, dass ich mein Leben oder meine Gesundheit ruiniere“, sagt Sylvia Pietzko.
Das Fazit von Astrid Schütz ist: „Mit einem Menschen mit narzisstischen Zügen langfristig zurechtzukommen, ist unheimlich schwierig, sowohl auf privater als auch auf beruflicher Ebene.“ Die positive Situation auf dem Arbeitsmarkt mache es zum Glück möglich, dass jeder, der mit einem narzisstischen Chef konfrontiert wird, auch die Kündigung wählen könne.
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