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Foto: Illustration Martin Nicolausson
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So sorgen Sie für Zuversicht im Team

Die schlechten Nachrichten reißen nicht ab. Das drückt in vielen Teams die Laune – und die Leistung. Wie sollten Chefs also mit Pessimisten umgehen?

Manchmal ist auch Uwe Reuter machtlos. Eigentlich läuft es gut in der Universitätsmedizin Greifswald, die er leitet: Im Januar eröffnete die neue Fachabteilung für Herzchirurgie; modernste Roboter gehören zum Inventar; die Anzahl der Mitarbeiter ist deutlich gestiegen. Doch dann kommt für Reuter das große Aber. Seine Branche bleibt unterfinanziert, und die Krankenhausreform bedeutet für ihn und seine Kollegen noch mehr administrativen Aufwand: „Das lenkt von der eigentlichen Arbeit – Patienten behandeln, Wissenschaft vorantreiben – ab“, sagt er. „Und das macht auch Mitarbeiter in der Universitätsmedizin niedergeschlagen.“

Damit beschreibt Reuter etwas, das in diesen Tagen viele Führungskräfte spüren. Die Unsicherheit rund um die Bundestagswahl, die wirtschaftliche Stagnation in Deutschland und die Drohgebärden des US-Präsidenten Donald Trump – es gibt viele Gründe zu verzagen. Und jeder und jede kennt dazu noch einige persönliche: ein verpatztes Geschäft oder die ausbleibende Beförderung. Die Stimmung ist mies – und das verzerrt unseren Blick. Wir erwarten Schlechteres von der Zukunft, als es vernünftig wäre. Das belastet nicht nur Einzelne, sondern kann die Leistung ganzer Teams und Unternehmen schmälern.

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Die gute Nachricht: Führungskräfte können gegensteuern. Zumindest wenn sie die psychologischen Mechanismen kennen, die dafür sorgen, dass sich die schlechte Laune einschleicht. Und erst recht die Mittel, die diese bremsen.

LOBEN STEIGERT DIE LEISTUNG – UND ZWAR DEUTLICH

Im Menschen steckt eine Leidenschaft fürs Negative. Der Messerangriff in Aschaffenburg beschäftigt uns wochenlang, während die Meldung, dass Frauen nun auch bei Fehlgeburten Anspruch auf Mutterschutz haben, an den meisten vorbeigeht. Wenn im Freundeskreis jemand ungewollt schwanger wird, interessiert uns das mehr als die Verlobung des Paares, das seit Jahren ohne Getöse zusammenlebt. Verantwortlich dafür ist die Evolution: Wer sich merkt, welche Pflanzen giftig sind oder welche Eigenschaften der nächste potenzielle Partner nicht haben sollte, hat bessere Chancen, seine Gene weiterzutragen. Deshalb achten wir auf solcherlei Warnsignal.

Hinzu kommt: An schlechte Informationen erinnern wir uns besser. Für diesen sogenannten Negativitätsbias gibt es zwei Gründe. Erstens sind „negative Ereignisse für die meisten Menschen selten“, sagt Christian Unkelbach, Psychologieprofessor an der Universität zu Köln – und erläutert dies am Beispiel einer Fahrradfahrt zur Arbeit: In den meisten Fällen kommt jeder problemlos ins Büro. An einen Sturz erinnern wir uns deshalb besser. Zweitens sind mögliche Probleme sehr unterschiedlich. Ein Unfall mit dem Fahrrad, um im Bild zu bleiben, kann verschiedene, klar zu benennende Ursachen haben – auf glattem Boden ausrutschen, mit einem Auto kollidieren, über einen Nagel fahren. „Daraus ergibt sich ein Gedächtnisvorteil für Negatives“, so Unkelbach, der zur positiven und negativen Verarbeitung von Informationen forscht.

GELD HAT DEN GRÖSSTEN EFFEKT

Als Führungskraft kann es da helfen, bewusst positive Aspekte zu betonen. Ein klug gesetztes Lob mildert nicht nur schlechte Laune, sondern steigert die Leistung der Belegschaft deutlich. Bei einem Experiment der Universität Nebraska schulten Forscher die Vorgesetzten dreier Gruppen darin, ihre Mitarbeiter systematisch zu belohnen. Jeder Gruppe gaben die Wissenschaftler einen anderen Anreiz an die Hand: Geld, wertschätzende Rückmeldungen und sachliche Informationen wie etwa die Anzahl der abgeschlossenen Aufgaben. Zwar war bei den Führungskräften, die Geld verteilten, der Effekt am größten. Doch auch wer seine Mitarbeiter systematisch lobte, konnte mit bis zu 24 Prozent mehr Leistung rechnen.

Der Wirtschaftspsychologe Florian Becker rät zudem, negative Informationen vom eigenen Team möglichst fernzuhalten: „Es ist wichtig, den Fokus auf Chancen zu legen und Erfolge zu benennen.“

In 28 Jahren bei BMW hat Nicole Haft-Zboril, schon so manche Krise gemeistert. - Foto: PR
In 28 Jahren bei BMW hat Nicole Haft-Zboril, schon so manche Krise gemeistert. - Foto: PR

Auch das Team der BMW-Managerin Nicole Haft-Zboril könnte sich von den negativen Schlagzeilen aus der Autoindustrie leicht herunterziehen lassen, so sehr, wie sie die Nachrichten derzeit bestimmen. Doch die Chefin versucht, den Blick nach vorne zu richten – und sich auf die Dinge zu konzentrieren, die sie in der Hand hat. „Auch wenn wir den Weg zum Ziel dann nicht immer so gut kennen, haben wir einen klaren Kompass“, sagt Haft-Zboril, die bei dem Konzern das Immobilienmanagement verantwortet. Wenn ihr Team bestimmte Meilensteine erreicht hat, feiert die Managerin sie auch im Kleinen: Für ein neues Werk mussten die Bauarbeiter über 1000 Stützen aufstellen. Nachdem der erste 14 Meter hohe Pfahl gesetzt war, gab die Chefin allen eine Brotzeit aus.

SCHLECHTE LAUNE IST ANSTECKEND. ALSO: SCHNELL REAGIEREN

Wer ständig mit genervtem Blick durchs Büro stampft und alle Ideen der Kollegen abschmettert, gefährdet nicht nur die eigene Leistung. Gefühle – vor allem negative – sind übertragbar. Die sogenannte primitive emotionale Ansteckung führt dazu, dass wir die Stimmung unserer Mitmenschen kopieren. In Interaktionen versuchen wir unterbewusst, die Mimik und Gestik unseres Gegenübers, aber auch seine Art, zu sprechen, nachzuahmen. Wenn wir dann wie unser Gesprächspartner die Stirn kraus ziehen, reagiert unser Gehirn mit den dazu passenden Gefühlen.

Damit schlechte Laune nicht erst durch eine ganze Gruppe sickert, sollte der Chef sie möglichst früh erkennen. Robert Seibert, leitender Berater bei Zeb Consulting, empfiehlt seinen Kunden dafür Retrospektiven – ein- bis zweistündige Sitzungen, in denen das Team nicht über Ergebnisse oder Erfolg und Misserfolg bei Kunden spricht. Sondern reflektiert, ob jeder genug Unterstützung bekommen hat, Aufgaben fair verteilt waren und Absprachen besser laufen könnten. „Da erkennt jeder schnell, wer pessimistisch oder optimistisch ist und wo das herkommt“, sagt Seibert und rät zu mindestens drei bis vier solcher Runden im Jahr.

DIE MACHT DER LEITWÖLFE NICHT UNTERSCHÄTZEN

Eine wichtige Rolle spielt das Auftreten des Chefs. Ein Experiment der Universität von Iowa konnte zeigen, dass Menschen mit höherem Ansehen größeren Einfluss auf ihnen Untergeordnete haben. Im Zusammenspiel mit der emotionalen Ansteckung wird klar: Je höher der Status von jemandem, desto entscheidender ist sein Verhalten für die Stimmung der Gruppe. Der Managementberater Becker rät Führungskräften deshalb, an den eigenen Gefühlen zu arbeiten und sie nicht eins zu eins an die Mitarbeiter weiterzugeben.

Nicht nur der Chef setzt den Ton. Auch Kollegen, die stets ein offenes Ohr für alle haben, Experte auf ihrem Gebiet oder schon lange dabei sind, genießen einen hohen Status. Verfällt ein solcher Mitarbeiter in Pessimismus, rät Becker zu einem klärenden persönlichen Gespräch. Der Miesepeter müsse erkennen, welche Folgen sein Verhalten für die zu ihm aufsehenden Kollegen hat. „In der Regel verstehen Menschen dann, dass sie ihre Gedanken nicht die ganze Zeit offensiv kundtun müssen“, weiß der Wirtschaftspsychologe.

Außerdem eignet sich eine Aussprache, um tieferliegende Probleme zu erkennen. Seibert von Zeb Consulting ist überzeugt, dass eine Führungskraft dadurch nah an ihrem Team bleibt. Bei seinen Kunden beobachtet er dabei oft, dass anhaltend schlechte Laune mit Überlastung zusammenhängt. „Dann muss man schauen, ob Aufgaben sinnvoll zugeschnitten sind und ob die Zusammenarbeit mit anderen Bereichen funktioniert.“

DEN REFLEX ZUR VERTEIDIGUNG ERKENNEN

Menschen, die ständig nur das Schlechte sehen, sind selten. Ist ein Kollege jedoch nicht nur mal mies gelaunt, sondern rechnet jeden Moment mit dem Schlimmsten, sollte die Führungskraft auch darauf reagieren. Pessimismus kann die Folge einer Depression oder eines schweren Schicksalsschlags sein. Dann sollte der Chef dringend das Gespräch mit dem Mitarbeiter suchen und Hilfe anbieten. Sei es der psychologische Dienst des Unternehmens oder die Nummer einer Hilfehotline.

Manche Menschen aber setzen Pessimismus als Schutzmechanismus ein: Wer nicht damit rechnet, erfolgreich zu verhandeln, ist vom ausbleibenden Deal nicht enttäuscht.

Reuter von der Uniklinik Greifswald schätzt, dass unter seinen Kollegen nur etwa jeder zehnte auch mal mit einer pessimistischen Haltung in die Defensive geht. Kommt das aber doch vor, spricht er das ganz direkt an. „Ich versuche die Mitarbeiter so lange von der Sinnhaftigkeit eines Projekts zu überzeugen, wie es geht.“ Dazu erläutert er nicht nur die Argumente dafür, sondern spricht auch offen über die Risiken. So war die kaufmännische Abteilung zunächst kritisch, als der Vorstand einen neuen Roboter kaufen wollte. Anstatt jedoch nur davon zu schwärmen, dass die Technik das Klinikum Greifswald vor die Konkurrenz bringen würde, sprach Reuter mit den Controllern über deren Bedenken und konnte das Projekt so überhaupt nur umsetzen.

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PESSIMISMUS IST NICHT IMMER SCHLECHT. DESHALB: NUTZEN!

Gerade in Bereichen, in denen es dazugehört, Risiken zu vermeiden, wie etwa in der Finanzabteilung, entscheidet eine kritische Haltung oft auch über den Erfolg des Unternehmens. Manager sollten deshalb auch das schlimmste Szenario immer im Blick behalten und sich darauf vorbereiten.

Das bedeutet keinesfalls, dass Führungskräfte und das ganze Team ständig in einer solchen Habachtstellung verharren sollten. Vielmehr sollte man, betont der Wirtschaftspsychologe Becker, gemeinsam in zeitlich klar abgesteckten Runden sowohl über Negativ- als auch über Positivsituationen nachdenken. Was könnte unser Projekt aus der Bahn werfen? Wie reagieren wir, wenn unser Produkt besser ankommt, als wir glauben? Für Becker steht fest: „Die stärksten Führungskräfte sind die, die sich und ihr Team im Spektrum von Optimismus und Pessimismus bewegen können.“

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