In Sachen Boni-Zahlungen sind Vorgesetzte und Mitarbeiter häufig unterschiedlicher Meinung.
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Acht Stolperfallen, die Sie dieses Jahr den Bonus kosten können

Coronaprämie, Zielvereinbarungen, variable Vergütung: So vermeiden Sie die acht größten Boni-Fallen. Ein Arbeitsrechtsexperte erklärt, was im Streitfall gilt.

Über den Corona-Bonus von bis zu 1500 Euro, den so mancher Chef spendiert, freuen sich Angestellte. Doch was ist, wenn der Mitarbeiter nach der Zahlung von sich aus kündigt – darf der Arbeitgeber dieses Vergütungsextra dann zurückfordern?

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Der Träger eines Kindergartens in Cloppenburg war dieser Meinung und pochte auf die Klausel im Arbeitsvertrag, nach der jede freiwillige Zulage zurückgezahlt werden müsse, sollte ein Erzieher innerhalb von zwölf Monaten selbst das Unternehmen verlassen.

Das Arbeitsgericht Oldenburg sah darin jedoch eine unangemessene Benachteiligung des Mitarbeiters, da der sogenannte Bindungszeitraum von zwölf Monaten zu lang sei. Außerdem sei der für 2020 gewährte Bonus von 550 Euro für bereits erbrachte Leistungen und die besonderen Belastungen während der Pandemie gezahlt worden. Dieser dürfe also nicht zurückgefordert werden.

In Sachen Boni-Zahlungen sind Vorgesetzte und Mitarbeiter häufig unterschiedlicher Meinung. Unter allen Beschäftigten in Deutschland erhalten rund 16 Prozent einen Gehaltsbonus zusätzlich zu ihrem fix vereinbarten Jahresgehalt.

Oft hängen diese variablen Bestandteile von der erbrachten Leistung ab, etwa davon, wie gut bestimmte Zielvorgaben erreicht wurden. Dabei geht es teilweise um viel Geld. Laut Statista beträgt das durchschnittliche Vergütungsextra 6300 Euro. Marc Repey, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin, erklärt, wo die größten Boni-Fallen lauern und was im Streitfall gilt.

Falle eins: Der Arbeitgeber hat versäumt, eine Zielvereinbarung mit dem Mitarbeiter abzuschließen

Eine Zielvereinbarung dient dazu, die Kriterien festzulegen, anhand derer die Bonushöhe im Folgejahr ermittelt wird. Im Vertrieb zum Beispiel ist das Prinzip sehr verbreitet, Vorgaben zu Umsatzvolumen oder Anzahl neuer Kunden zu machen, die in einem Jahr gewonnen werden müssen.

Grundsätzlich ist der Chef dafür zuständig, Zielvereinbarungen mit seinen Beschäftigten abzuschließen, und zwar am Anfang eines jeden Geschäftsjahres. Repey: „Versäumt der Chef das, obwohl er dazu vertraglich verpflichtet war, hat der Mitarbeitende automatisch einen Anspruch in Höhe des zugesagten, erreichbaren Bonus.“

Arbeitsrechtsexperte Marc Repey
Arbeitsrechtsexperte Marc Repey

Der Experte rät allerdings dazu, den Arbeitsvertrag genau zu lesen. Je nach Vertragsgestaltung kann es sein, dass den Mitarbeitenden eine „Mitwirkungsobliegenheit“ trifft: Er darf den Abschluss einer Zielvereinbarung nicht grundlos verweigern und sollte in jedem Fall den Chef vorsorglich per E-Mail an die Zielvereinbarung erinnern, falls dieser sie am Anfang des Jahres vergisst. Repey rät: „Diese Erinnerungsmail für den Fall der Fälle als Nachweis gut aufheben.“

Falle zwei: Der Chef will Ziele rückwirkend vereinbaren

Zielvereinbarungen sollen motivieren und die Leistung steigern. Anwalt Repey fasst die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dazu so zusammen: „Rückwirkende Zielvereinbarungen können diesen Zweck nicht mehr erfüllen. Sie sind damit wertlos“.

Daran ändert sich auch nichts, wenn der Mitarbeitende sich von seinem Chef unter Druck gesetzt fühlt und deshalb eine rückwirkende Zielvereinbarung unterzeichnet hat. Diese ist ungültig. Das Ergebnis: Auch hier steht dem Mitarbeitenden der in Aussicht gestellte Bonus zu 100 Prozent als Schadensersatz zu.

Falle drei: Der Chef ändert die Ziele einseitig unterjährig

„Einmal getroffene Zielvereinbarungen sind für beide Seiten bindend und dürfen nicht einseitig durch den Arbeitgeber geändert werden.“ So lautet das höchstrichterliche Urteil schon 2013. Jurist Repey: „Falls der Chef die Ziele einseitig ändert, muss der Mitarbeitende keinen offiziellen Einspruch dagegen einlegen. Die Änderung ist schlicht unwirksam.“

Falle vier: Der Vorgesetzte bewertet die Leistung des vergangenen Jahres sehr schlecht

„Hier ist größte Vorsicht geboten“, warnt Arbeitsrechtsexperte Repey. Eine plötzlich stark verschlechterte Leistungsbewertung sei oft der Anfang vom Ende eines Arbeitsverhältnisses. Gerade wenn ein neuer Vorgesetzter antrete, erhielten bisherige Fach- und Führungskräfte im Team grottige Leistungsbewertungen. „Es geht darum, sie loszuwerden, um dann die eigenen Gefolgsleute auf den frei gewordenen Positionen unterzubringen.“

Der Anwalt rät, auf keinen Fall eine ungerechtfertigt schlechte Bewertung zu akzeptieren. Denn dies hätte schlimme Folgen: „Nicht nur der Bonus für das vergangene Jahr fällt geringer aus als erhofft, sondern es führt auch zu einer geringeren Bonusperspektive für das laufende Jahr. Von einer Gehaltserhöhung ganz zu schweigen.“

Gehe es dann später tatsächlich darum, das Arbeitsverhältnis zu beenden, werde das aktuelle Jahresgehalt als Grundlage für die Berechnung der Abfindung herangezogen. Auch hierbei stelle sich der betroffene Mitarbeitende dann wegen der geringeren Bonuszahlung automatisch schlechter.

Als Reaktion auf eine plötzlich abgesackte Leistungsbeurteilung empfiehlt Repey dem Mitarbeitenden, eine konkrete schriftliche Begründung einzufordern und dazu dann eine wohlüberlegte Stellungnahme abzugeben. „Beides unbedingt dokumentieren, um es im Falle eines Rechtsstreits nutzen zu können.“

Die Chancen, Recht zu bekommen, stehen für Angestellte nicht schlecht. Der Arbeitgeber muss vor Gericht konkret nachweisen, warum er seinen Mitarbeitenden so schlecht beurteilt hat. „Gesprächsprotokolle und der ausgefüllte Leistungsbewertungsbogen allein sind dafür aber keine Beweismittel“, sagt der Berliner Fachanwalt.

Sie gelten lediglich als die zu Papier gebrachte Meinung des Arbeitgebers. „Die meisten Arbeitgeber scheitern bereits daran, die angebliche Schlechtleistung zu begründen“, macht er Betroffenen Mut.

Falle fünf: Der Arbeitgeber „kalibriert“ den Bonus nach unten

Die Fach- oder Führungskraft hat im abgelaufenen Geschäftsjahr ausgezeichnete Arbeit geleistet und wird dafür vom Vorgesetzten mit überdurchschnittlich hohen Zielerreichungswerten belohnt, zum Beispiel wird „165 Prozent Performance“ im Gesprächsbogen vermerkt.

Der Haken: Leisten viele Mitarbeitende Überdurchschnittliches, etwa in Krisensituationen oder bei Restrukturierungen, werden dem Arbeitgeber die entsprechend fälligen Bonuszahlungen insgesamt zu teuer.

Unternehmen aus dem Banken- und Versicherungsbereich, aber inzwischen auch in der Automobilbranche, greifen deshalb zu einem Trick. Jurist Repey schildert das Prozedere so: „Ein offiziell anmutendes Bonus-Komitee stellt fest, dass zu viele Mitarbeitende „zu gut“ bewertet worden sind, und senkt die vom Vorgesetzten festgelegte Zielerreichung für die Mitarbeiter eigenmächtig ab. Und zwar so weit, bis in der betroffenen Abteilung oder dem Geschäftsbereich leistungstechnisch „Normalverteilung“ herrscht. Die Mitarbeiter sollen insgesamt mit ihrer Performance unter die berühmte Glockenkurve des Mathematikers Carl Friedrich Gauß passen, die besagt, dass nur ein geringer Teil vom Durchschnitt abweicht.“

Damit diese Manipulation nicht zu sehr nach willkürlicher Bonuskürzung aussieht, nenne der Arbeitgeber die nachträgliche Vergütungskürzung euphemistisch „Bonuskalibrierung“. Das erwecke den Anschein von Seriosität und zwingender Logik.

Repey: „Es gibt jedoch keine juristische Rechtfertigung für eine solche Bonuskürzung.“ Wer sehr gute Arbeit geleistet habe, dem stehe auch der vertraglich geschuldete Bonus zu. „Eine Bonuskalibrierung sollte keinesfalls akzeptiert werden.“

Falle sechs: Fristen übersehen

Arbeitsrechtler Repey beobachtet, dass Angestellte oft zu lange damit warten, ihre Ansprüche auf höhere Boni durchzusetzen. Die meisten Arbeitsverträge enthalten eine Verfallsklausel: Wer seinen Anspruch nicht innerhalb einer bestimmten Frist geltend macht, verliert ihn. Derzeit erachten Richter drei Monate dafür als angemessen.

Der Experte sagt: „Wurde eine kürzere Frist vereinbart, ist die Verfallsklausel unwirksam.“ Gleiches gelte, falls sie ausschließlich die Schriftform vorschreibt, um finanzielle Ansprüche geltend zu machen. Auch E-Mails seien dazu zulässig.

Falle sieben: Ungültige Stichtagsregelungen

Nicht von Stichtagsregeln verunsichern lassen. Sie finden sich noch in alten Arbeitsverträgen: Wer bis zu einem bestimmten Tag im Jahr ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis vorweisen kann, erhält den Bonus für das vergangene Jahr. Wer jedoch vor dem Stichtag kündigt, erhält nichts.

Dieser Praxis hat das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2012 einen Riegel vorgeschoben. Alle Bonuszahlungen, die zumindest auch die Arbeitsleistung der Vergangenheit belohnen sollen, dürfen nicht davon abhängig gemacht werden, dass das Arbeitsverhältnis noch an einem bestimmten Tag im Jahr ungekündigt besteht.

Falle acht: Kein Bonus wegen Konzernrichtlinie

Ein in Frankfurt tätiger Bereichsleiter einer internationalen Großbank mit Zentrale in London kündigte, um den Job zu wechseln. Daraufhin weigerte sich das Finanzinstitut, ihm den vereinbarten Bonus für das vergangene Jahr und auch anteilig für die Monate bis zur Beendigung seines Vertrages zu bezahlen. Es sei konzernweit Usus, selbst kündigenden Managern keine Boni mehr zu geben, hieß es.

Repey: „Die Bank setzt hier schlicht auf die Unwissenheit und Loyalität ihrer Mitarbeiter.“ Der Arbeitgeber appelliere an das Gewissen der Mitarbeitenden: Die Kollegen in London bekämen ja auch keine Boni, wenn sie selbst kündigen. Das sei im englischsprachigen Raum so üblich. Und an diesen Richtlinien der Konzernmutter müsse man sich orientieren.

Jurist Repey rät, sich nicht verunsichern zu lassen: „Ob einer in Deutschland tätigen Führungskraft ein Bonus zusteht, richtet sich allein nach deutschem Recht. Und dieses ist eindeutig: Die Führungskraft hat Anspruch auf ihren Bonus, auch wenn sie selbst kündigt.“

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