Ansturm auf Bachelor- und Master-Titel ohne Universitätsabschluss
Ein Berufsverband führte in Eigenregie akademische Titel ein – die Nachfrage ist enorm. Das erhöht den Druck auf Bund und Universitäten.
Einen Bachelor oder Master zu haben, das wünschen sich viele. Der Titel ist heiss begehrt – der Weg dahin jedoch lang: Der Bachelor schlägt im Schnitt mit drei Jahren zu Buche, beim Master kommen weitere zwei obendrauf. Die zusätzliche Krux: Der Titel bedingt einen akademischen Weg, setzt also den Besuch einer Universität oder Fachhochschule voraus.
Gleichzeitig haben sich aber auch die Bezeichnungen «Bachelor» und «Master» europaweit durchgesetzt. Firmen fordern in ihren Stellenbeschreibungen jeweils das eine oder das andere, denn unabhängig von der gesprochenen Sprache oder vom Land ist allen klar, was sich hinter diesen Begriffen versteckt.
Das stösst Höheren Fachschulen, Weiterbildungsangeboten sowie Verbänden, die Ausbildungen anbieten, sauer auf. Denn ihren Leuten ist es bislang nicht erlaubt, diese Titel zu führen – auch wenn sie mitunter das gleiche Ausbildungsprofil aufweisen wie ein studierter Akademiker. Oder gar noch die Praxiserfahrung mitbringen, die Studiumsabgängerinnen zu Beginn der Karriere fehlt.
Vereinheitlichung seit langem gefordert – Bund macht nicht vorwärts
Eine Vereinheitlichung fordern sie seit langem, getan hat sich wenig. Bis letzten Juni: Dann reichte es dem Verband in Rechnungswesen und Controlling, kurz Veb.ch. In Eigenregie kündigte der Verband an, seinen Leuten die Titel «Bachelor und Master Professional Veb.ch» anzubieten. Den Unterschied zum universitären Bereich macht der Zusatz «Professional». Dieser soll den Praxisbezug signalisieren. Nun veröffentlicht der Verband zum ersten Mal Zahlen. Und die sind auffällig hoch: 986 Bachelor-Professional- und 434 Master-Professional-Titel wurden innerhalb von drei Monaten ausgestellt.
«Wir freuen uns, dass die Nachfrage nach Professional-Titeln derart überwältigend ist», jubelt Dieter Pfaff. Er weiss, wovon er spricht: Nicht nur ist er Kopf hinter der Initiative und Präsident des Verbands, sondern auch Professor für Accounting an der Universität Zürich. Entsprechend kennt er auch die Haltung von Swissuniversities – der Dachorganisation der Schweizer Universitäten und Fachhochschulen.
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Diese hatte bereits bei ersten Vorstössen im Jahr 2020 zum Thema gegenüber dem SBFI, Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation, Stellung genommen und diese seither jährlich verteidigt. Auch jetzt verweist Swissuniversities auf diese Stellungnahme, in der sie sich gegenüber einer Einführung der Titel skeptisch zeigt: «Die vorgeschlagenen Titel(-zusätze) sind im Hochschulbereich verankert. Durch deren Nutzung im Rahmen der höheren Berufsbildung besteht das Risiko, dass eine zusätzliche Verwirrung gestiftet wird.»
Branche beobachtet, was die anderen machen
Auf die Frage, ob Pfaff dieses Risiko ebenfalls sieht und im Kreuzfeuer der beiden Seiten steht, verneint er vehement: «Da sehe ich keinen Widerspruch. Beides sind ja völlig andere Abschlüsse.» Sein Beispiel: An der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich erhält ein Student den «Bachelor of Arts UZH», beim Verband hingegen erhält das Mitglied mit der auf gleicher Stufe angesiedelten Ausbildung den Titel «Bachelor Professional Veb.ch». «Als Professor für Accounting liegt mir das Fach sowohl in der akademischen Welt als auch in der Berufswelt am Herzen», so Pfaff.
Auf einen Dialog freue er sich jedoch. Bisher seien aber weder das SBFI noch Swissuniversities auf ihn zugekommen. Swissuniversities verweist nebst ihrer Stellungnahme auch auf den Bund. Das SBFI schreibt, dass sie das Vorgehen des Verbandes zur Kenntnis genommen hätten. Sie seien am Thema dran und würden im November über die Ausarbeitung und Unterbreitung einer Gesetzesvorlage zur Einführung der Titelzusätze «Höhere Fachschule» informieren. «Die Eröffnung der Vernehmlassung ist bis spätestens im dritten Quartal 2024 vorgesehen», so die Mediensprecherin.
Für die Branche klar zu langsam. Entsprechend interessiert beobachten auch andere Verbände wie der HR-Verband oder Swiss Marketing die Entwicklungen des Veb.ch. Auch sie zeigen ein Interesse daran, dass sich der HR-Fachmann oder die Marketingmanagerin mit eidgenössischem Diplom Bachelor oder Master Professional nennen kann. Ob und wann sie nachziehen, das verrät jedoch niemand. Dafür dürften bald weitere diplomierte Experten in Rechnungslegung und Controlling ihre Bachelor- und Master-Professional-Titel abholen. Und so ihre internationale Chance auf eine Stelle stärken, da jede HR-Abteilung weiss, welche Ausbildung der Kandidat oder die Kandidatin mitbringt.
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