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Ausblick auf die Festplattenzukunft

Quelle: alexgrec - 123RF
Durch moderne Festplattentechnologien ist das Ende der Speicherkapazität noch nicht erreicht.

Das klassische Perpendicular Magnetic Recording, das seit anderthalb Jahrzehnten bei Festplatten zum Einsatz kommt, ist mehr oder weniger ausgereizt. Doch mit dem Microwave Assisted Magentic Recording steht bereits eine neue Technologie in den Startlöchern, mit der sich die Speicherkapazität von HDDs mittelfristig über 30 TByte hinaus steigern lässt. Um die Laufwerke zukunftsfähig zu machen, arbeiten die Hersteller auch an Dual-Aktuatoren für einen höheren Datendurchsatz.

Mehr als 60 Jahre gibt es Festplatten nun schon. Und auch wenn ihr Ende immer wieder vorausgesagt wurde, so sind sie doch gerade aus dem Enterprise-Bereich nicht wegzudenken. 2020 wurden erstmals HDDs mit einer Gesamtkapazität von mehr als einem Zettabyte ausgeliefert – das sind eine Milliarde TByte. Zum Vergleich: SSDs kamen im gleichen Zeitraum lediglich auf ein Fünftel davon und werden aufgrund höherer Preise und beschränkter Produktionskapazitäten noch lange brauchen, um gleichzuziehen. Festplatten tragen also im Informationszeitalter die Hauptlast der Datenspeicherung und werden das auf absehbare Zeit weiterhin tun.

Das Erfolgsgeheimnis von Festplattenlaufwerken sind ihre hohen Speicherkapazitäten zu niedrigen Preisen. Damit sind sie ideal geeignet, um in den Rechenzentren von Unternehmen, Datacenter-Betreibern und Cloudanbietern die wachsende Datenflut aufzufangen. In den vergangenen Jahren legte die Kapazität von Enterprise-HDDs kontinuierlich um etwa 2 TByte pro Jahr bei gleichbleibenden Kosten zu. Das dabei als Aufzeichnungstechnologie eingesetzte Perpendicular Magnetic Recording (PMR) ist jedoch nahezu ausgereizt und erlaubt keine signifikanten Kapazitätssteigerungen mehr über 16 TByte hinaus.

Überlappende Datenspuren

Mit Shingled Magnetic Recording (SMR) gibt es schon seit einiger Zeit eine Aufzeichnungstechnologie, die Datenspuren überlappend schreibt, was im Vergleich zu PMR eine höhere Speicherdichte ermöglicht. Auf der gleichen Anzahl rotierender Magnetscheiben in einem Gehäuse lassen sich somit deutlich mehr Informationen unterbringen. Das Verfahren eignet sich sehr gut für das sequenzielle Schreiben und kommt deshalb in Festplatten für die Archivierung und Videoüberwachung zum Einsatz, die vor allem sequenzielle Datenströme verarbeiten.

Bei nicht-sequenziellen Schreibvorgängen müssen dagegen regelmäßig kleine Teile in bestehenden Spuren überschrieben werden. Damit sich alle Spuren weiterhin richtig überlappen und lesbar bleiben, ist es notwendig, einen kompletten Bereich zunächst zu lesen, die zu ändernden Daten im Speicher zu modifizieren und den kompletten Bereich überlappend zurück auf die Platte zu schreiben. In der Vergangenheit hat das dazu geführt, dass SMR-HDDs keine gleichbleibende Schreibgeschwindigkeit liefern konnten.

Allerdings fangen die Hersteller diese Schwankungen inzwischen durch größere Caches und bessere Caching-Algorithmen ab. Dadurch lassen sich die Festplatten in nahezu allen Bereichen einsetzen und stecken heute auch in vielen Desktop-Rechnern und externen Laufwerken. Aber gerade im Enterprise-Bereich, wo dauerhaft hohe Schreiblasten auftreten können und zahlreiche Anwendungen auf eine gleichbleibende, planbare Performance angewiesen sind, bedarf es anderer Lösungen.

Kleinere Schreibköpfe dank Mikrowellentechnik

Die nächste Generation von Enterprise-Festplatten setzt auf Microwave Assisted Magnetic Recording (MAMR) – ein erstes Modell mit der neuen Technologie kam im vergangenen Jahr mit der Toshiba MG09 auf den Markt. Ein Mikrowellengenerator am Schreibkopf bündelt hier den magnetischen Fluss, sodass weniger Energie benötigt wird, um das Material in der Platte zu magnetisieren. Dadurch kann der Schreibkopf kleiner ausfallen und Datenspuren dichter schreiben. 3,5-Zoll-Festplattendesigns mit neun Magnetscheiben fassen daher 18 statt 16 TByte, in Kürze verfügbare Modelle mit zehn Scheiben sogar 20 TByte.

Dabei handelt es sich aber nur um die erste Version von MAMR, Flux Controlled MAMR (FC-MAMR) genannt. In kommenden Versionen sollen die Mikrowellen zudem das Material der Magnetscheiben beim Schreibvorgang gezielt aktivieren, wodurch ein geringerer magnetischer Fluss für die Magnetisierung der Bits benötigt wird. Das ermöglicht noch kleinere Schreibköpfe und noch dichter geschriebene Datenspuren. Die ersten Festplatten, die dieses Microwave Assisted Switching MAMR (MAS-MAMR) nutzen, werden voraussichtlich eine Kapazität von 22 TByte bieten.

Während FC-MAMR mit den bestehenden Magnetscheiben arbeitet, erfordert MAS-MAMR Magnetscheiben aus einem neuen Material, das sich durch Mikrowellen aktivieren lässt. Im Labor funktionieren die neuen Medien bereits sehr gut, sie dürften also bald den Weg in die Serienfertigung finden. Mit ihnen dürfte sich die Speicherkapazität von HDDs nach Einschätzung von Experten in den nächsten Jahren auf bis zu 50 TByte steigern lassen. Andere Assisted-Recording-Verfahren bieten Potenzial für größere Kapazitäten, sind aber in der Entwicklung noch nicht so weit fortgeschritten.

Firmware-Optimierungen für mehr Geschwindigkeit

Mit den wachsenden Festplattenkapazitäten steigt indes der Aufwand, Daten auf den Magnetscheiben zu suchen und die Schreib-Lese-Köpfe zu positionieren. Lange Zeit war das kein Problem, da es in den großen Online-Storages, in denen Festplatten vornehmlich eingesetzt werden, vor allem auf Speicherkapazität und weniger auf Performance ankam, während man für schnelle Speicher SSD-basierte Lösungen einsetzte.

Das hat sich allerdings geändert, weil die großen Onlinespeicher in Rechenzentren und Clouds nicht mehr als reine Datenlager dienen, auf die nur gelegentlich zugegriffen wird, sondern Unternehmen zunehmend in Echtzeit mit ihren riesigen Datenbeständen arbeiten wollen. SSD-basierte Systeme für diese Storage-Kapazitäten wären zu teuer, daher kommt als neue Anforderung für die Festplatten neben hoher Kapazität nun auch höhere Geschwindigkeit dazu.

Durch Firmware-Optimierungen konnten die Festplattenhersteller die IOPS-Leistung ihrer Laufwerke bereits deutlich erhöhen. Unter anderen verlagerten sie Prüfroutinen, Logging-Funktionen und Aufräumarbeiten, die früher mit höchster Priorität liefen, in Phasen, in denen die Festplatte nicht unter Volllast steht. Dadurch wurden Ressourcen für zusätzliche Schreib- und Lesezugriffe frei.

Aktuelle Nearline-Festplatten mit 7200 Umdrehungen pro Minute erreichen so 400 bis 500 IOPS, was früher nur Laufwerke mit 10.000 und 15.000 Umdrehungen pro Minute schafften. Das reicht zwar nicht an die IOPS-Leistung von SSDs heran – in einem Storage-System, in dem mehrere Dutzend HDDs im Verbund arbeiten, können Festplatten aber durchaus einige tausend IOPS liefern und die meisten Anwendungen zuverlässig mit Daten versorgen.

Zwei Aktuatoren statt einem

Höhere Geschwindigkeiten lassen sich durch zusätzliche Aktuatoren erreichen, auf denen weitere Schreib-Lese-Köpfe sitzen. Weil sich aus Platzgründen im Gehäuse aber kein zweiter Aktuator mit eigenem Gelenk unterbringen lässt, konzentrieren sich die Hersteller in der Entwicklung auf mehrere Aktuatoren an einem Gelenk. Im Prinzip werden aus dem Aktuator mit 20 Köpfen, der in einer Festplatte mit zehn Magnetscheiben steckt, zwei Aktuatoren mit jeweils zehn Köpfen. Beide können unabhängig voneinander bewegt werden, wodurch sich die Geschwindigkeit des Laufwerks verdoppelt.

Abzuwarten bleibt noch, über welches Interface und Konfiguration diese zwei Arme konkret angesteuert werden. Sobald sie verfügbar sind, wird sich der Markt jedenfalls stärker in Kapazitäts- und Performance-HDDs aufteilen: Dort, wo rein die Speicherkapazität im Vordergrund steht, dürften Laufwerke mit SMR dominieren, weil sie den niedrigsten Preis pro TByte bieten. Wo es auf hohe und deterministische Geschwindigkeiten ankommt, setzen sich dagegen voraussichtlich Laufwerke mit MAMR (nicht-überlappend) und Dual-Aktuator durch. Deren Preis pro Kapazität wird teurer sein als bei Single-Actuator-SMR-HDDs, weil die Datendichte geringer ist und zwischen den beiden Aktuatoren eine Lücke notwendig ist und deshalb eine Magnetscheibe weniger ins Gehäuse passt.

Fazit

Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung der Festplattentechnik bleiben die Speicherklassiker langfristig zukunftsfähig und können auch steigende Kapazitäts- und Performance-Anforderungen erfüllen. Wichtig bei allen Weiterentwicklungen ist allerdings, dass die Platten weder mechanisch größer noch langsamer, empfindlicher oder teurer werden, damit sie sich weiter in bestehenden Systemen nutzen lassen und keine höheren Kosten verursachen. Technisch wäre es durchaus möglich, Speicherkapazitäten und Leistung deutlich schneller als bisher zu steigern – aber würde eine neue 20-TByte-HDD das Fünffache einer 10-TByte-HDD älterer Generation kosten, würden die meisten Unternehmen einfach zu zwei alten Platten greifen.

Aus ähnlichen Gründen wird sich auf absehbare Zeit auch nichts am 3,5-Zoll-Formfaktor ändern, selbst wenn in größeren Gehäusen mehr Magnetscheiben und Aktuatoren Platz finden würden. Der Markt wäre schlicht zu klein, weil die Laufwerke nicht in aktuelle Server und Storage-Arrays passen und Unternehmen teure Spezialsysteme bräuchten. Jedoch denken die Festplattenhersteller über PCIe-Schnittstellen und NVMe-Support für Festplatten nach – nicht wegen der höheren Geschwindigkeiten, die diese unterstützen, sondern damit sich HDDs an denselben Schnittstellen wie SSDs betreiben lassen. Unternehmen hätten dann mehr Möglichkeiten bei der Bestückung von reinen PCIe-Systemen beziehungsweise könnten ihre Infrastrukturen durch einheitliche Schnittstellen vereinfachen.

Autor: Rainer W. Kaese, Senior Manager, HDD Business Development bei Toshiba Electronics Europe

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