Börsencrash bei ASML: 60 Milliarden Euro futsch – Was bedeutet das für den Chipmarkt?
München. Die Anleger haben das Vertrauen in ASML verloren: Am Mittwochvormittag verloren die Aktien des niederländischen Chip-Ausrüsters rund fünf Prozent. Damit hat ASML innerhalb von 24 Stunden 60 Milliarden Euro Börsenwert verloren.
Bloomberg zufolge ist damit der deutsche Softwarekonzern SAP am Mittwoch zwischenzeitlich nach Börsenwert vorbeigezogen. Der Dax-Konzern war demnach erstmals seit 2020 wieder wertvollster Tech-Konzern Europas.
Schon am späten Dienstagnachmittag war der Aktienkurs von ASML eingebrochen, zunächst um rund 16 Prozent. Der Konzern hatten eine enttäuschende Prognose für das kommende Jahr veröffentlicht. Der überraschend schwache Ausblick des Anlagenbauers sorgte weltweit für einen Ausverkauf von Chipwerten.
So gab der Aktienkurs des weltgrößten Chipherstellers Nvidia um knapp fünf Prozent nach. Auch andere führende Halbleiterproduzenten wie AMD, Intel und Qualcomm verloren an der Börse deutlich. Dem Finanzinformationsdienst Bloomberg zufolge betrugen die Verluste über Nacht insgesamt 420 Milliarden Dollar.
Ein Blick in den Quartalsbericht von ASML zeigt: Die Krise des weltweit führenden Ausrüsters der Halbleiterindustrie lässt sich vor allem an der Auftragslage festmachen. So haben den Analysten von Jefferies zufolge zwei Großkunden weniger bestellt als vom Konzern erwartet: Samsung und Intel.
Das wichtige Chinageschäft von ASML bricht ein
Darüber hinaus rechnet ASML-Finanzchef Roger Dassen mit einem stark schrumpfenden Chinageschäft. Das ist die Folge der von der Politik verhängten Exportbeschränkungen, denen nur wenige Konzerne so sehr unterliegen wie ASML. Der Konzern erwarte weitere Einschränkungen, „die kommen könnten oder auch nicht“, urteilen die Jefferies-Experten. In dieser Hinsicht sei die Prognose von ASML „konservativ“.
Wegen einer Datenpanne hatte ASML seine Quartalszahlen unerwartet bereits am Dienstagnachmittag veröffentlicht, einen Tag früher als geplant. Konzernchef Christophe Fouquet verkündete dabei aus Sicht der Anleger schlechte Nachrichten: „Wir erwarten, dass unser Gesamtumsatz im Jahr 2025 auf eine Spanne zwischen 30 und 35 Milliarden Euro anwachsen wird.“
Das liegt demnach in der unteren Hälfte der Spanne, die der Chipausrüster vor zwei Jahren beim Investorentag in Aussicht gestellt hat. Für den besten Fall hatte ASML Erlöse von 40 Milliarden versprochen. Im Fokus steht die Auftragslage des Großausrüsters: Aus den Quartalszahlen geht hervor, dass die Niederländer Aufträge im Umfang von 2,6 Milliarden Euro verbuchen konnten. Analysten hatten aber mit einem Volumen von bis zu sechs Milliarden gerechnet. Das führt zu Rückschlüssen auf die gesamte Branche.
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Und beunruhigt die Märkte, weil Anlagen von ASML zwingend nötig sind, um modernste Chips für Künstliche Intelligenz (KI) zu produzieren. Da ASML weniger verkauft als erwartet, werten viele Investoren das offenbar als Zeichen, dass sich der KI-Hype abschwächt.
„Alles, was mit KI zu tun hat, läuft stark“
ASML-Finanzvorstand Dassen widerspricht dieser Annahme: „Alles, was mit KI zu tun hat, hat läuft stark.“ Das wiederum sind gute Nachrichten für Anleger, die auf die Aktien von Nvidia und AMD setzen, den weltweit führenden Anbietern von KI-Chips.
Weltweit ist einzig ASML in der Lage, sogenannte EUV-Systeme herzustellen, die Halbleiter mit extrem ultraviolettem Licht belichten. Diese Maschinen sind unerlässlich für die stetig wachsende Produktion von Chips mit kleinsten Strukturgrößen von weniger als sieben Nanometern, die für KI-Spitzentechnologie entscheidend sind.
Allerdings existieren nur sehr wenige Abnehmer für die mehrere Hundert Millionen Euro teuren Anlagen. Schlüsselkunde ist der Auftragsfertiger TSMC. Die Taiwaner wachsen kräftig, der Umsatz im dritten Quartal ist um knapp 40 Prozent in die Höhe geschossen. Daher laufe das Geschäft mit TSMC wie geplant, so die Jefferies-Analysten.
Ganz anders sieht es bei Intel aus. Der einst größte Chipkonzern der Welt muss angesichts hoher Verluste sparen. Konzernchef Pat Gelsinger hat die Investitionen deshalb massiv gekürzt. Den geplanten 30 Milliarden Euro schweren Werksneubau in Magdeburg hat Intel um mindestens zwei Jahre verschoben.
Auch Samsung habe weniger bei ASML geordert als erhofft, so die Analysten von Jefferies. Die Koreaner würden mit ihren Speicherchips gerne Nvidia beliefern. Doch sie tun sich schwer, die hohen Anforderungen des US-Konzerns zu erfüllen. Auch kommt Samsung als Auftragsfertiger nicht richtig in Fahrt. Im Frühjahr hat der Elektronikkonzern daher seinen Chip-Chef ausgetauscht.H+
Der politische Druck auf ASML steigt
Mit seinen EUV-Maschinen hat ASML eine einzigartige Technologie im Angebot. Der Nachteil: Die politische Einflussnahme nimmt zu. So hat auf Druck der USA die niederländische Regierung schrittweise den Export von ASML-Anlagen nach China eingeschränkt, wo der Markt sehr stark wächst.
EUV-Maschinen durfte ASML noch nie nach China exportieren. Zuletzt zogen die Behörden aber auch Ausfuhrgenehmigung für Maschinen zurück, die nicht zu den fortschrittlichsten Modellen gehören. Zu Jahresbeginn sind noch einmal deutlich weitreichendere Restriktionen in Kraft getreten. Mit den Beschränkungen wollen die USA verhindern, dass China die modernsten Chips herstellt und diese fürs Militär verwendet. Weitere Einschränkungen könnten jederzeit folgen.
Für ASML ist das eine bedrohliche Entwicklung. Finanzvorstand Dassen rechnet damit, dass der Anteil Chinas am gesamten Umsatz nächstes Jahr nur noch 20 Prozent beträgt. Dieses Jahr dürfte es noch doppelt so viel sein.
Analyst Didier Scemama von der Bank of America zeigte sich überrascht darüber: „Dies ist gravierender als der von uns erwartete Rückgang der Einnahmen um drei Prozent.“ Es steht also viel auf dem Spiel in der Volksrepublik.
Wie es bei ASML über das kommende Jahr hinaus weitergeht, will Konzernchef Fouquet am 14. November auf einem Kapitalmarkttag erläutern. Dann will der Manager die Pläne bis 2030 vorstellen. Analysten warten gespannt auf die Details: Das Datum werde entscheidend sein, um die Aussichten für eine „große Erholung im Jahr 2026“ einschätzen zu können, heißt es bei der Bank of America.
Finanzvorstand Dassen ließ am Mittwoch keinen Zweifel aufkommen, dass der Anlagenbauer seine besten Zeiten noch vor sich hat: „Die langfristigen Wachstumstreiber sind intakt.“ So habe ASML Bestellungen über 36 Milliarden Euro in den Büchern.
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