Daniel Caspary - Bild: imago images
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Daniel Caspary nach der Europawahl 2024: „Verbrenner-Verbot war ein Fehler“

Daniel Caspary, der Vorsitzende der Union im Europaparlament, über die Korrekturen am Green Deal, die Strafzölle auf chinesische Autos und die Forderungen an Ursula von der Leyen. Ein Interview.

**WirtschaftsWoche: Herr Caspary, die EVP hat von Ursula von der Leyen Korrekturen am wirtschaftspolitischen Kurs verlangt. In welche Richtung soll jetzt nach der Wahl der Kurs gehen?**Daniel Caspary: Wir sind uns mit Ursula von der Leyen einig, dass das Thema wirtschaftliche Entwicklung absolute Priorität haben muss. Insbesondere beim Bürokratieabbau brauchen wir ganz konkrete Schritte. Diese Erwartung haben nicht nur wir an die neue Kommission.

**Hat der Green Deal noch die gleiche Bedeutung wie zu Beginn?**Wir wollen Europa zum klimaneutralen Kontinent machen. Der Green Deal ist der gesetzliche Rahmen, der inzwischen weitestgehend steht. Nun muss die Umsetzung der Schwerpunkt sein, hier ist auch die nationale Ebene gefordert. Dort wo der Bogen möglicherweise überspannt wurde, muss es auch Korrekturen geben. Das Verbrenner-Verbot ist dafür ein Beispiel.

**Wird es eine neue Antwort der EU auf den IRA der USA geben?**Ein komplett mit dem IRA vergleichbares Paket kann es mangels steuerrechtlicher Zuständigkeit von der EU so nicht geben. Mit dem Net Zero Industry Act ist ein Anfang gemacht. Wir werden die Auswirkungen des IRA weiter beobachten und versuchen die Standortbedingungen in Europa zu verbessern. Die Steigerung unserer Wettbewerbsfähigkeit ist die bedeutendste Aufgabe der nächsten Jahre.

Warum soll das Verbrenner-Verbot ab 2035 gekippt werden? Hat die deutsche Autoindustrie das gefordert? Aus unserer Sicht war das Verbrenner-Verbot ein Fehler. CDU und CSU haben im Europaparlament dagegen gestimmt. Wir halten es für falsch, technologisch alles auf eine Karte zu setzen. Die für 2026 angesetzte Überprüfung der Gesetzgebung wollen wir für eine Korrektur für mehr Technologieoffenheit nutzen. In der deutschen Autoindustrie gibt es dafür natürlich Fürsprecher, aber ebenso auch Gegenstimmen.

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Was bedeutet konkret Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit? Unternehmen brauchen Rahmenbedingungen, die das Erwirtschaften ermöglichen. Wir brauchen einfach mehr Vertrauen in die Unternehmen. Zuletzt hatten zu viele Unternehmerinnen und Unternehmer den Eindruck, dass beispielsweise zu viele EU-Berichtspflichten sie unangemessen belasten und damit vom Wesentlichen abhalten. Da wollen wir ran.

Wie soll der Binnenmarkt gestärkt werden? Der Binnenmarkt ist unsere Wohlstandsgrundlage, aber es gibt genügend Verbesserungspotential. Entbürokratisierung ist auch hier ein gutes Stichwort. Die Digitalisierung der sogenannten „A1 Bescheinigung“ wäre beispielsweise ein wichtiger Schritt. Gerade die Pandemie hat Schwächen aufgezeigt. Zuletzt hat der Bericht von Enrico Letta zur Zukunft des Binnenmarkts gute Anstöße geliefert. Ich sehe gerade bei Energie, Digitalem, Kapitalmarkt und Rüstung viel Potential.

Im Europäischen Parlament haben EVP, Sozialdemokraten und Liberale eine Mehrheit – brauchen Sie die Grünen noch? Wir setzen auf eine Mehrheit der demokratischen Mitte. Das kann natürlich auch die Grünen miteinschließen. In der Vergangenheit haben die Grünen im Europaparlament leider nicht bewiesen, dass man sich auf sie verlassen kann, trotz aller inhaltlichen Zugeständnisse im Rahmen des Green Deals. Unsere Hand zu den Grünen ist ausgestreckt, aber es ist klar, dass das Wahlergebnis nicht außer Acht gelassen werden darf.

Ist es richtig, dass die EU jetzt Zölle gegen chinesische Autos verhängt? Diese Entscheidung war überfällig und ist völlig angemessen. Die Schwemme an Elektroautos, die unter Produktionskosten nach Europa exportiert werden, ist nicht hinnehmbar. Es ist richtig, dass die EU unsere Automobilhersteller in Deutschland und Europa schützt.

Eifern wir jetzt den USA nach? Die angekündigten Strafzölle unterscheiden sich deutlich von den amerikanischen Sonderzöllen auf Elektroautos. Die von der EU angekündigten Strafzölle dienen dazu, die Preise von chinesischen Elektroautos in Europa auf ein realistisches Maß anzuheben. Sollten sie im Juli zur Anwendung kommen hätten europäische Hersteller wieder die Möglichkeit, im fairen Wettbewerb anzutreten. Dieser Schritt ist maßvoll und verhältnismäßig. Gegenreaktionen von chinesischer Seite wären deshalb unangemessen.

Droht als Konsequenz ein Handelskrieg? Unabhängig von der heutigen Entscheidung muss sich die Volksrepublik China endlich überlegen, ob sie bereit ist, sich dem multilateralen Regelwerk der Welthandelsorganisation unterzuordnen. Will China weiter mit unlauteren Mitteln die globalen Handelsströme und den Wettbewerb verzerren? Will die chinesische Führung Teil einer fairen Handelswelt sein oder will China weiter den Welthandel durcheinanderbringen? Die Europäische Union ist wachsam und handlungsfähig. Wir haben nicht nur das jetzt zur Anwendung gebrachte Anti-Dumping Instrument, sondern einen ganzen Strauß an Maßnahmen, die ergriffen werden können.

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