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Das 215-Milliarden-Projekt: Südkorea will Halbleiterimperium erschaffen

Im globalen Kampf um Chipfabriken sind die USA vorgeprescht, nun kündigt auch Südkorea ein gigantisches Industrieprogramm an. Europa steht im Abseits.

Präsident Yoon Suk Yeol hat einen Plan: Südkorea soll zur Nummer eins der Chipindustrie weltweit werden. Seine Regierung will in der Nähe der Hauptstadt Seoul den größten Halbleiter-Standort der Welt errichten, wie Yoon am Mittwoch bekannt gab. Für 215 Milliarden Euro soll der Konzern Samsung Electronics nach dem Willen des Industrieministeriums fünf neue Fabriken bauen, bis 2042 soll das Halbleiterimperium vollendet sein.

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Der weltgrößte Chipkonzern bestätigte das Vorhaben, schränkte jedoch ein, dass endgültige Entscheidungen noch nicht gefallen seien. Dennoch zweifelt niemand daran, dass Samsung für die Regierung eine zentrale Rolle spielt, nur mit diesem Konzern dürfte es Südkorea gelingen, im globalen Wettkampf um Halbleiterfabriken eine dominierende Rolle zu spielen.

„Spitzenindustrien sind ein zentraler Wachstumsmotor sowie ein strategisches und sicherheitspolitisches Gut“, begründete Yoon den Plan. Zugleich sicherten sie Arbeitsplätze und den Lebensunterhalt der Bevölkerung. Dafür versprach Yoon staatliche Hilfe: „Die Regierung muss Investitionen der Privatwirtschaft für weiteres Wachstum entschlossen unterstützen.“

Ein Wettlauf mit den USA, der EU und Japan

Weltweit überbieten sich die Regierungen mit Subventionen für die Halbleiterindustrie. Aus gutem Grund: „Die Frage ist nicht, ob mehr Chipfabriken gebaut werden, sondern nur, wo sie gebaut werden“, betont Robert Casanova vom Branchenverband Semi.

Die USA sind mit einem umfangreichen Hilfsprogramm für die Industrie vorgeprescht – mit großem Erfolg: In zahlreichen Bundesstaaten laufen die Bauarbeiten für milliardenschwere Fabriken der Branchenschwergewichte Intel, Samsung und TSMC.

Europa droht hingegen zurückzufallen. Die EU-Kommission hat zwar ambitionierte Pläne vorgestellt, um bis Ende des Jahrzehnts den Anteil Europas an der weltweiten Produktion auf 20 Prozent zu verdoppeln. Noch ist das für die Staatshilfe nötige Gesetz aber nicht in Kraft. Beobachter sind alarmiert: „Es braucht schnelle Entscheidungen in Europa. Denn jetzt werden in den Konzernzentralen die Investitionen der kommenden Jahre beschlossen“, sagt Ondrej Burkacky, Halbleiterexperte der Beratungsgesellschaft McKinsey.

Südkorea macht sich derweil ans Werk. Yoon setzt dabei einen bereits von seinem Vorgänger Moon Jae angekündigten Wachstumsplan um. Das Vorhaben umfasst sechs Schlüsselindustrien: Halbleiter, Displays, Autobatterien, Biotechnologie, autonome Autos und Roboter. Moon hatte 2021 angekündigt, den hohen Subventionen der USA, Europas und Japans für die Ansiedlung von Chipfabriken zu begegnen und Südkorea zum „digitalen Powerhouse“ auszubauen.

Dass der neue Präsident Yoon diesen Plan bei seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr nicht verwarf, zeigt, wie sehr das politisch tief in ein linkes und rechtes Lager gespaltene Land in dieser Frage an einem Strang zieht.

Samsung tritt gegen Intel und TSMC an

Bei Speicherchips sind die koreanischen Chipgiganten Samsung und SKHynix bereits Marktführer. Nun will sich Samsung Electronics auch als einer der weltweit führenden Auftragsfertiger von Chips gegen TSMC aus Taiwan und Intel aus den USA etablieren.

Dabei will die Regierung helfen. Zum einen kündigte sie am Mittwoch an, die Entwicklung neuer Technologien für die nächste Halbleitergeneration mit 3,2 Billionen Won (2,8 Milliarden Euro) zu unterstützen. Zum anderen will sie möglichst viele Teile der Chip-Lieferkette in der Provinz Gyeonggi ansiedeln, die Seoul umgibt und direkt an Nordkorea grenzt.

Südkorea steht dabei vor mehreren Herausforderungen: Eine davon ist der Streit zwischen den USA und China. Die USA wollen China vom Zugang zu modernen Halbleitern abschneiden. Präsident Joe Biden hat deshalb die Produktion von Chips mit US-Know-how in der Volksrepublik oder deren Export dorthin eingeschränkt.

Samsung fertigt jedoch einen Teil seiner Chips in China. Im vergangenen Jahr hat die US-Regierung den Koreanern deshalb eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Es ist aber offen, wie oft dem Konzern Aufschub gewährt wird.

Darüber hinaus stellen Washingtons industriepolitische Pläne die US-Verbündeten vor ein Dilemma. Biden will globale Hersteller zwingen, in Schlüsselindustrien Fabriken in Nordamerika, besser noch in den USA, zu bauen. Südkoreanische Auto-, Batterie- und Chiphersteller haben deshalb bereits Investitionen in zweistelliger Milliardenhöhe zugesagt. Gleichzeitig stehen sie zu Hause unter Druck, den Industriestandort Korea gegen die wachsende globale Konkurrenz zu verteidigen.

Inzwischen meldet sich auch der einstige Chip-Weltmarktführer, Südkoreas Nachbar Japan, im Rennen um Hochleistungsprozessoren zurück. Die Regierungen der USA und Japans haben im vergangenen Jahr vereinbart, gemeinsam Chips mit Zwei-Nanometer-Strukturen zu entwickeln, die in direkter Konkurrenz zur Samsung-Technologie stehen.

Inzwischen werden die Beschlüsse von den Unternehmen bereits mit Leben gefüllt. Im Dezember 2022 kündigten IBM und das von mehreren japanischen Konzernen gegründete Chip-Start-up Rapidus an, gemeinsam die notwendige Produktion zu entwickeln. Und die Japaner meinen es ernst: Dies sei „die letzte Chance für ein Comeback“, sagte Rapidus-Chef Atsuyoshi Koike im November bei der Firmengründung.

Europa gerät derweil immer stärker unter Druck. Der EU ist es bislang nicht gelungen, den Weg für die nötigen Subventionen frei zu machen. Wolfgang Weber, Geschäftsführer des Branchenverbands ZVEI, warnt: „Fakt ist, dass sich Europa als Halbleiterregion nicht wird halten können, wenn nicht umgehend die notwendigen Rahmenbedingungen für Investitionen installiert werden.“

So ist inzwischen genau ein Jahr vergangen, seit Intel seine Ansiedlung in Magdeburg verkündete. 17 Milliarden Euro wollten die Amerikaner in Sachsen-Anhalt investieren. Noch immer aber rangelt der Chipkonzern aus dem Silicon Valley mit den Behörden um Zuschüsse. Wann die Bagger anrollen, ist völlig offen.

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