Perfektionistinnen und Perfektionisten können sich in ihren Ansprüchen verheddern. - Illustration: Golden Cosmos für Psychologie Heute

Das Ausblenden von Überforderung ist der Normalfall

Warum Perfektionismus so verlockend ist, erläutert die Sozialpsychologin Vera King.

„Ich gebe alles“ – diese Maxime haben perfektionistische Menschen oft im Berufsleben. Sie sind äußerst leistungsbereit, wollen Fehler vermeiden, keine Schwäche zeigen. Das hat eine problematische Seite, sagt die Frankfurter Sozialpsychologin Vera King im Interview mit der Zeitschrift Psychologie Heute: Denn hinter dem starken Wunsch, perfekt zu sein, stecke mehr: Perfektionistinnen und Perfektionisten wollen im Job alles geben, weil sie hoffen, dann auch alles zu bekommen: viel Anerkennung, das Gefühl, unersetzlich zu sein, ein Familiengefühl.

So werde der Beruf zu einem Feld, „auf das sich alle Anerkennungs- und Bindungswünsche konzentrieren“, sagt King. Der Grund: Perfektionismus wirke wie ein Angebot, auf diese Art die schmerzhafte Erfahrung von Begrenztheit und Vergänglichkeit bewältigen zu können. Perfektionismus habe etwas Tröstliches, so die Sozialpsychologin. „Ich kann mir sagen, wenn ich ordentlich an mir arbeite, gelingt es mir, etwas Besseres, Schöneres und Bedeutsameres aus meinem Leben zu machen.“ Doch diese unrealistische Erwartung könne dazu führen, dass die eigenen Grenzen auf „zerstörerische und illusionäre Weise“ geleugnet würden - in Form von selbstschädigendem Verhalten.

Es kann sehr attraktiv sein, sich ins Zeug zu legen

Im Job gebe es realen Druck und objektive Zwänge, sagt King. Diese vermischten sich mit den verlockenden Angeboten, durch Anerkennung und durch die beruflichen Bindungen belohnt zu werden. Das mache es attraktiv, sich ins Zeug zu legen. Gerade bei zeitintensiven Berufen komme es sehr leicht dazu, dass allzu perfektionistische Menschen ihre privaten Beziehungen vernachlässigten. So gerieten sie in einen Zirkel, der die Arbeit und ihre Anforderungen immer mehr ins Zentrum rücke.

Forschungen zeigten auch, so King, dass das Ausblenden von Überforderung eher den Normalfall darstelle als die Ausnahme. Manche verspürten trotzdem keinen Leidensdruck oder ignorierten Signale des Körpers. Und besonders gut ausgebildete Menschen stellten Optimierungsanforderungen gerne als etwas dar, das sie selbst wollten und freiwillig gewählt hätten.

Quelle: Psychologie Heute 11/2022

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