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Man kann Dax-Kurse nicht vorhersagen, aber ein Blick auf die Historie gibt aufschlussreiche Anhaltspunkte. - Foto: picture alliance/dpa
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DAX - Erholung oder kompletter Absturz? Das sagt die Historie

Zinssorgen und der Krieg in Nahost haben den Aktienmarkt in eine Korrektur geschickt. Eine Handelsblatt-Analyse aller Dax-Jahre zeigt, wie es weitergehen könnte.

Düsseldorf. Am deutschen Aktienmarkt hat sich binnen drei Monaten der Trend gedreht: Nachdem der Dax Ende Juli auf eines der besten Jahre seiner Geschichte zugesteuert war, hat er seitdem drei Verlustmonate aneinandergereiht und gegenüber seinem Rekordhoch mehr als zehn Prozent an Wert verloren. Damit befindet sich das Frankfurter Börsenbarometer in einer Korrektur.

Das liegt daran, dass sich Anleger auf eine längere Phase mit hohen Zinsen einstellen. Diese verteuern Investitionen und senken den Konsum. Das stellt eine Gefahr für die Unternehmensgewinne dar, die maßgeblich für die Kursentwicklung sind. Zum anderen zeigt der Krieg im Nahen Osten Wirkung auf das Verhalten der Börsianer.

Das Handelsblatt-Börsenumfeld analysiert, wie sich der Dax in der Vergangenheit in vergleichbaren Situationen entwickelt hat. Dabei geben drei Punkte Anlass zur Sorge – zwei machen aber auch Hoffnung.

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1. Sorge: Dax in deutlichem Abwärtstrend

Ein schlechtes Zeichen für den Dax ist, dass das laufende Börsenjahr immer schwächer wird: Auf seinem Rekordhoch bei 16.529 Punkten lag der deutsche Leitindex Ende Juli fast 19 Prozent im Plus. Mittlerweile ist der Gewinn auf nur noch sechs Prozent zusammengeschrumpft.

Damit verliert das zunächst überdurchschnittlich gute Börsenjahr immer mehr an Stärke. Ende Juli war das Jahr 2023 noch das viertstärkste in der Geschichte des Dax, mittlerweile ist es im Ranking bis auf Platz 20 abgerutscht.

Das bedeutet, dass sich der Dax seit nunmehr drei Monaten schwächer entwickelt als in seiner Historie. Aus dieser Sicht befindet sich der Leitindex in einem klaren Abwärtstrend. Um diesen Trend zu brechen, müsste der Dax bis auf rund 15.500 Punkte steigen.

2. Sorge: Dax mit dreimonatiger Verlustserie

Grund zur Sorge bieten auch die Monate August, September und Oktober. Diese Monate hat der Dax jeweils mit einem Minus abgeschlossen. Eine derartige Durststrecke kam bislang nur selten vor, sagt Analyst Jörg Scherer von HSBC Deutschland: „Auf Basis der Daten seit 1988 lediglich 26 Mal, was lediglich gut sechs Prozent der Zeit entspricht.“

Rechnet man längere Verlustserien heraus, die in dieses Ranking zwei- oder dreimal einfließen – beispielsweise von Mai bis September 2001 oder von August bis September 2018 –, gab es drei Verlustmonate in Serie sogar nur 17 Mal in der Dax-Historie. Dabei standen die Kurse drei Monate später immerhin siebenmal noch niedriger.

Seit der Jahrtausendwende gib es zudem die Tendenz, dass sich die Kurse langsamer erholen: In den vergangenen zehn Fällen, in denen der Dax drei Monate in Folge nachgab, stand er fünfmal auch drei Monate später tiefer.

Das bislang letzte Beispiel ist das Jahr 2022: Auch damals ließ eine Mischung aus Zinssorgen und einem Krieg, in diesem Fall der russische Überfall auf die Ukraine, die Kurse von Januar bis März fallen. Der Krieg sorgte für steigende Energiepreise und eine hohe Inflation, die den Dax bis Ende Juni noch einmal elf Prozent tiefer drückte.

3. Sorge: Korrektur dauert lange

Durch seine Verlustserie ist der Dax auch in eine Korrektur gerutscht. An sich sind solche Korrekturen nicht ungewöhnlich. Seit Auflage des deutschen Leitindex im Jahr 1988 gab es auf Schlusskursbasis mehr als 40 davon. Häufig sind diese schnell vorüber. Was allerdings im aktuellen Fall Grund zur Sorge bereitet, ist die Länge der Korrektur.

Wenn die Kurse zwischen zehn und maximal 15 Prozent fielen, war das Korrekturtief im Schnitt nach bereits 29 Handelstagen erreicht – also nach rund eineinhalb Monaten. Aktuell liegen auf Schlusskursbasis zwischen Hoch und Tief aber bereits mehr als 60 Handelstage.

In der Vergangenheit galt bisher: Je länger die Korrekturen andauerten, umso tiefer ging es abwärts. 13 Mal dauerte eine Korrektur bislang mehr als 50 Handelstage. Den geringsten Verlust gab es 1994 mit einem Minus von 11,4 Prozent nach 57 Tagen. In allen anderen Fällen waren die Verluste deutlich stärker mit Einbrüchen von bis zu 53 Prozent.

Das bedeutet für den aktuellen Fall: Es ist wichtig, dass der Dax kein neues Tief ausbildet, also nicht unter die Marke von 14.630 Punkten fällt. Je mehr Zeit zwischen Hoch und Tief verstreicht, desto größer ist die Gefahr, dass der Dax sich nicht mehr erholt und in einen Bärenmarkt abrutscht. Davon ist an der Börse bei Verlusten ab 20 Prozent die Rede. Das würde Kurse von 13.223 Punkte oder tiefer bedeuten.

Doch es gibt zwei Faktoren, die Hoffnung machen:

1. Hoffnung: Keine weitere Eskalation im Krieg in Nahost

Allerdings ist das laufende Jahr ein Sonderfall. Denn der Dax zeigte Anfang Oktober bereits Anzeichen einer Stabilisierung. Das hätte ins typische saisonale Muster gepasst, wonach der Leitindex häufig zu dieser Zeit ein Tief erreicht, um dann eine Jahresendrally zu starten. Erst der Überfall der radikalislamischen Hamas ließ die Kurse weiter fallen.

Neben dem humanitären Leid bewegt die Märkte vor allem die Sorge, dass die Lage komplett eskaliert und sich weitere arabische Staaten wie der Iran mit der Hamas solidarisieren und ebenfalls in den Krieg eintreten. Da auf die Region laut dem Finanzdienst Bloomberg rund ein Drittel zur weltweiten Rohölversorgung beiträgt, könnte das für einen Ölpreisschock sorgen.

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Bleibt es jedoch bei einem regionalen Konflikt zwischen Israel und der Hamas, wären die wirtschaftlichen Auswirkungen gering. Und das ist für die Börse relevant, erklärt Robert Rethfeld, der den Börsenbrief Wellenreiter herausgibt, denn: „Der Aktienmarkt registriert solche Ereignisse und hat einen kurzen Schock. Er schaut dann aber schnell voraus, wie sehr die Unternehmen tatsächlich betroffen sind.“

Sind die Unternehmen kaum oder gar nicht betroffen, können die Kurse schnell wieder steigen, sagt Rethfeld. „Denn entscheidend für die Kurse sind die Unternehmensgewinne und die Multiples.“ Letztere stehen für die Unternehmensbewertung.

Typische Beispiele sind drei der vier Kriege, die seit der Dax-Auflage im Jahr 1988 den deutschen Markt bewegt haben: die beiden Kriege im Irak und der Afghanistan-Krieg.

Hier fällt auf, dass die Kurse jeweils vor dem Kriegsbeginn aufgrund der Unsicherheit um 13 bis 20 Prozent fielen, aber bereits mit dem Ausbruch oder sogar kurz davor ihre Tiefs erreichten. Wobei im ersten Irakkrieg der Ausbruch erst mit dem Eintritt der USA in die Kämpfe definiert ist, nicht die vorherige Annexion Kuwaits durch den Irak.

Für die aktuelle Situation bedeutet das: Je unwahrscheinlicher die Gefahr einer weiteren Eskalation des Kriegs in Nahost wird, desto größer ist die Chance auf eine schnelle Erholung. Momentan scheinen die Märkte eine weitere Eskalation für unwahrscheinlich zu halten, was sich am Ölpreis zeigt. Dieser hat sich von seinen Zwischenhochs nach dem Anschlag der Hamas wieder entfernt.

Dass sich die Börsen aber auch irren können, zeigt der vierte kursbewegende Krieg seit 1988: der russische Überfall auf die Ukraine. Auch damals galt ein tatsächlicher Angriff Russlands als eher unwahrscheinlich. Deswegen fielen die Kurse erst nach der Invasion.

2. Hoffnung: Starke Börsenmonate für Dax voraus

Sollte aber eine komplette Eskalation im Nahen Osten ausbleiben, hätte der Dax aus historischer Sicht gute Chancen auf eine dynamische Kurserholung. Denn mit November und Dezember stehen zwei gute Börsenmonate an. Im Schnitt steigen die Kurse hier um 2,5 und 2,3 Prozent. Nur der April hat eine noch bessere Bilanz.

Sollte sich der Dax also genau wie in seinem historischen Durchschnitt bewegen, würde er bis zum Jahresende um mehr als vier Prozent steigen. Das würde einen Jahresschlusskurs von 15.450 Punkten bedeuten und wäre zwar immer noch ein Abschlag von sechs Prozent zum Rekordhoch im Juli, aber auf Jahressicht immerhin ein Plus von fast elf Prozent.

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