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„Der nächste Dominostein“: Nach der SVB-Pleite droht US-Banken eine Krise bei Gewerbeimmobilien

Besonders Kredite für Bürogebäude stehen im Fokus. Das könnte gerade die ohnehin angeschlagenen Regionalbanken zusätzlich belasten.

Egal ob in Manhattans Büroviertel Midtown, im Zentrum von San Francisco oder in kleineren Metropolen wie Dallas, Chicago und Denver – die Schilder hängen überall. „Büroräume zu vermieten“ prangt auf ihnen in großen Lettern. Die Leerstände sind landesweit so hoch wie seit den 80er-Jahren nicht mehr, zeigen Daten der Ratingagentur Moody’s. Nach der Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) steigt in den USA nun die Sorge, dass Kredite für Büro- und Gewerbeimmobilien insgesamt zum neuen großen Problem für die Banken werden könnten.

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Dabei kommt eine Reihe von Faktoren zusammen: Regionalbanken sind die wichtigsten Kreditgeber für Gewerbeimmobilien in den USA. Sie halten fast 70 Prozent dieser Kredite in ihren Büchern, wie aus einer Analyse der Bank of America hervorgeht.

Neben Büroimmobilien zählen auch Kredite für Einzelhändler, Shoppingcenter und Wohngebäude zu dieser Kategorie. Viele wurden aufgesetzt, als die Leitzinsen der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) noch bei null lagen und der Immobilienmarkt boomte.

Allein in diesem Jahr werden indes Kredite für Gewerbeimmobilien im Wert von rund 450 Milliarden Dollar fällig. Diese „müssen nun in einem Umfeld refinanziert werden, in dem die Zinsen deutlich höher liegen und die Bewertungen der Immobilien abgenommen haben. Gleichzeitig ist weniger Liquidität im Markt“, warnt Immobilienentwickler Scott Rechler, CEO des Immobilienentwicklers RXR. Er hat sich gemeinsam mit der Lobbyorganisation The Real Estate Roundtable für Unterstützungsprogramme seitens der Regulierer ausgesprochen, um eine mögliche Krise abzufedern.

Die Fed hat die Zinsen in den vergangenen zwölf Monaten im Rekordtempo auf die Spanne von 4,75 bis 5,0 Prozent angehoben und dreht nach Jahren der expansiven Geldpolitik ihr Aufkaufprogramm für Anleihen zurück. Die hohen Zinsen, gepaart mit den Sorgen vor einer Rezession, führen schon seit Monaten dazu, dass die Banken die Kreditvergabe einschränken.

Nach der Pleite der SVB und der New Yorker Signature Bank Mitte März hat sich die Lage jedoch noch einmal zugespitzt. „Viele halten eine Krise bei Gewerbeimmobilien für den nächsten Dominostein, der umfallen könnte“, schrieb Bank-of-America-Analyst Michael Hartnett in einer viel beachteten Studie. „Die Standards für die Kreditvergabe bei Gewerbeimmobilien könnten weiter anziehen.“

Die Folge: eine Kreditklemme und wenig Appetit, Gewerbeimmobilien zu refinanzieren. Schon gar nicht Büroimmobilien. Viele Ökonomen gehen schließlich davon aus, dass der Trend zur Heimarbeit anhalten wird. Selbst Tech-Konzerne wie Amazon und Facebook haben ihre Ambitionen für neue Büros deutlich zurückgefahren.

Härtere Regulierung für Regionalbanken

Gleichzeitig müssen sich Regionalbanken auf neue härtere Regeln einstellen. Seit 2018 gibt es besonders strenge Vorschriften und Stresstests nur noch für Banken ab 250 Milliarden Dollar an Vermögenswerten. Unter der Regierung von Bidens Vorgänger Donald Trump wurden kleinere Institute entlastet und die Grenze für strengere Regulierung von 50 auf 250 Milliarden Dollar an Assets heraufgesetzt.

Nun könnten diese Lockerungen – zumindest zum Teil – wieder rückgängig gemacht werden. Auch eine neue Runde von Stresstests für die kleineren Institute ist im Gespräch.

Aber die Probleme am US-Immobilienmarkt treffen nicht nur die US-Institute, sondern auch europäische Großbanken. Die Sorge vor dem Engagement bei US-Gewerbeimmobilien spielte ebenfalls beim Kursrutsch der Deutschen Bank am vergangenen Freitag eine Rolle. Mit einem Portfolio von 16,8 Milliarden Dollar gehöre die Deutsche Bank zu den größeren europäischen Instituten bei US-Gewerbeimmobilien, heißt es in einer Studie des Researchhauses Autonomous.

Allerdings sollte das Engagement, das 35 Prozent der harten Kernkapitalquote des Geldhauses entspreche, prinzipiell gut zu managen sein. Auch Andrew Coombs von der Citigroup sieht aktuell keine größeren Probleme für die Deutsche Bank und weist darauf hin, dass Gewerbeimmobilien nur sieben Prozent der gesamten Kredite des Instituts ausmachen.

Auch die Ratingagentur Scope hält die Lage für nicht vergleichbar. Christian van Beek, verantwortlicher Analyst für die deutschen Banken, schätzt die Ansteckungsrisiken für Deutschland und Europa aus der Bankenkrise in den USA für sehr gering ein: „Im Bereich der gewerblichen Immobilienfinanzierung erwarten wir bis Ende 2023 keine erhöhten Risikokosten für die Banken.“

Dennoch kommt auch vom europäischen Markt Druck auf die Geldhäuser. Von mehreren Seiten gab es zuletzt scharfe Warnungen. Ein Drittel der verbrieften Gewerbeimmobilienkredite in Europa, die in diesem oder im kommenden Jahr auslaufen, hätten große Refinanzierungsrisiken, warnte etwa die Ratingagentur Scope.

In Finnland verzeichnete ein Blackstone-Fonds vor wenigen Wochen den ersten großen Ausfall in Europa. Ein 297 Millionen Euro großer Kredit als Teil eines verbrieften Gewerbeimmobiliendarlehens des Private-Equity-Hauses wurde nicht fristgerecht zurückgezahlt.

Die besicherten Immobilien in diesem Papier waren zu zwei Dritteln finnische Bürogebäude aus den 1980er-Jahren, gelegen in Vororten der großen Städte. Genau diese Immobilienkategorie leidet derzeit auch in Europa besonders unter starken Preisabschlägen, weil sie sowohl wegen der Lage als auch wegen des energetischen Zustands deutlich weniger gefragt sind. 40 Prozent der Fläche der Blackstone-Gebäude des betroffenen Sub-Portfolios standen zuletzt leer.

Die Banken müssen sich auf schwierige Verhandlungen mit den Kreditnehmern einstellen.
Chris Whalen, Immobilienanalyst

Laut dem verantwortlichen Scope-Analysten für Immobilienunternehmen, Philipp Wass, gibt es daher für die Immobilienkonzerne durchaus Probleme: „Vor allem kleinere Immobilienunternehmen mit großer Abhängigkeit von Bankenfinanzierungen sehen sich erhöhten Refinanzierungsrisiken gegenüber.“

Ökonomen befürchten Kreditklemme

Torsten Slok, Chefökonom der Private-Equity-Firma Apollo geht davon aus, dass die weitere Einschränkung der Kreditvergabe nach der SVB-Pleite eine ähnliche Wirkung haben wird wie eine Zinserhöhung um 1,5 Prozentpunkte. Damit steigt die Rezessionsgefahr.

Starinvestor Jeffrey Gundlach von Doubleline Capital geht davon aus, dass die USA in den kommenden Monaten in eine Rezession rutschen werden. Auch Neel Kashkari, Chef der regionalen Notenbank in Minneapolis, räumte ein, dass die Probleme in der Bankenbranche die USA „näher an eine Rezession“ bringen werden.

„Die Banken müssen sich auf schwierige Verhandlungen mit den Kreditnehmern einstellen“, gibt der unabhängige Immobilienanalyst Chris Whalen zu bedenken. „Einerseits wollen die Banken ihre Kreditvergabe einschränken. Aber andererseits wollen sie nicht auf den Gebäuden sitzen bleiben, wenn die Kunden die Kredite nicht mehr bedienen.“

Der Immobilienfonds Vornado, der gemeinsam mit dem Familienunternehmen von Donald Trump das zweitgrößte Bürogebäude in San Francisco besitzt, hat erst am Montag darum gebeten, die Laufzeit des Kredits zu verlängern, wie der Branchendienst „The Real Deal“ berichtete. Die monatlichen Zahlungen seien angesichts der hohen Zinsen um 38 Prozent gestiegen, auf 6,6 Millionen Dollar.

Immerhin: Das Gebäude sei zu 95 Prozent ausgelastet. In der kalifornischen Metropole ist das eine Seltenheit. Die Stadt gehört zu den leersten in ganz Amerika. Nur 40 Prozent der Mitarbeiter sind zurück in den Büros. Die Leerstandsquote liegt bei knapp 30 Prozent, wie aus Daten des Immobiliendienstleisters CBRE hervorgeht. Das ist gut sechsmal mehr als vor der Pandemie.

Kreditausfälle sorgen für Börsenturbulenzen

Zuletzt sorgten zwei große Kreditausfälle für Unruhe an der Wall Street. Ein Brookfield-Fonds zahlte einen 785 Millionen Dollar großen Kredit nicht zurück, der mit zwei Bürotürmen in Los Angeles besichert war. Außerdem zahlte eine Tochter des Anleiheinvestors Pimco, der zur Allianz gehört, Kredite im Volumen von 1,7 Milliarden Dollar nicht zurück.

Sie waren ebenfalls mit Büros besichert, dazu gehörten auch die Gebäude von Twitter in San Francisco und New York. Unter der Führung von Tesla-Chef Elon Musk hatte Twitter zeitweise aufgehört, Miete zu zahlen.

Nach Daten des Immobilienanalysten Green Street haben Bürogebäude in den USA in den vergangenen Monaten bereits 25 Prozent an Wert verloren. Sollten die Zinsen weiter wie von der Fed geplant steigen, dürfte sich diese Entwicklung verschärfen.

Investoren sind daher weiter zurückhaltend. Die Aktienkurse von Regionalbanken haben sich nach den massiven Kursverlusten der vergangenen Wochen zuletzt wieder stabilisiert, allerdings auf einem niedrigen Niveau. Ein Indexfonds, der die Wertentwicklung der Regionalbanken abbildet, geriet deutlich unter Druck, der iShares-ETF verlor auf Monatssicht rund 30 Prozent an Wert.

Hart hat es auch die sogenannten Reits getroffen. Die Abkürzung steht für Real Estate Investment Trusts, das sind börsennotierte Immobiliengesellschaften. Diejenigen, die sich auf Bürogebäude konzentrieren, wurden dem Datenanbieter Morningstar zufolge besonders hart getroffen. Im Schnitt liegen Büro-Reits in diesem Monat 24 Prozent im Minus.

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