Deswegen kündigen Mitarbeiter wirklich – erläutert in fünf Grafiken
Jeder achte Jobsuchende hat schon mal ohne neues Angebot gekündigt, wie eine Umfrage zeigt. Die Gründe sind fast immer dieselben – und ließen sich verhindern.
Düsseldorf. Der Arbeitsmarkt in Deutschland hat sich zu einem Arbeitnehmermarkt gewandelt. Doch die „Great Resignation“, die Amerika erfasst hat, gibt es hierzulande nicht. Ein Grund für das Ausbleiben der Kündigungswelle dürfte sein, dass viele Bewerber in Deutschland ihre Chancen auf dem Jobmarkt fälschlicherweise zu schlecht einschätzen.
Es gibt aber die mutigen Kandidaten, die ohne großes Zögern ihre Stelle aufgeben würden. So hat jeder achte Jobsuchende im deutschsprachigen Raum schon einmal gekündigt, ohne ein neues Angebot parat zu haben. Das ist das Ergebnis einer Befragung des Recruitinganbieters Softgarden unter knapp 2200 Bewerberinnen und Bewerbern in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Ergebnisse konnte das Handelsblatt vorab einsehen.
Was die Befragung auch zeigt: warum Mitarbeiter gehen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich: Die einen wollen um jeden Preis ein Unternehmen zügig verlassen. Andere spielen schon länger mit dem Gedanken, den Arbeitgeber zu wechseln. Die folgenden fünf Grafiken zeigen, was Bewerber zum Wechsel motiviert.
Kündigungsgründe: Der Chef ist nicht immer schuld
Mitarbeiter verlassen keine Unternehmen, sie verlassen Vorgesetzte. An dieser alten Weisheit aus dem Talentmanagement ist sicher etwas dran. Bloß ist der Hauptgrund für einen Jobwechsel oft viel banaler. Den meisten Bewerbern geht es ums Geld. Erst danach folgen maue Karriereaussichten und schlechtes Chefverhalten.
Bei jenen Menschen, die kündigen, ohne einen konkreten Job in Aussicht zu haben, sieht die Reihenfolge anders aus. Hier scheinen die Vorgesetzten in der Tat der Hauptgrund zu sein, warum ein Mitarbeiter gefrustet weiterzieht – auch wenn ein besseres Gehalt und verlockende Karrierechancen ebenfalls wichtige Motivatoren sind. Auch fehlender Sinn in der Arbeit spielt offenbar eine große Rolle für diese Bewerbergruppe.
Innere Kündigung: Nach wenigen Monaten sind die meisten weg
Wenn Mitarbeiter gehen, tun sie das in der Regel schnell. Sieben von zehn Bewerbern fassen binnen weniger Monate den Beschluss, zu kündigen – jeder Fünfte sogar innerhalb eines Monats.
Was die Grafik nicht zeigt: Akademiker lassen sich im Vergleich zu einfacher Qualifizierten etwas mehr Zeit, bevor sie sich wegbewerben. Außerdem zieht sich die Phase des Jobwechsels mit steigender Berufserfahrung in die Länge.
Nicht ganz unwichtig für Unternehmen ist die Frage, von wem sich potenzielle Jobwechsler überhaupt durch ein Angebot überreden lassen. Hier zeigt die Befragung interessanterweise, dass Freunde und Bekannte zu den wichtigsten Ansprechpartnern im Vorfeld zählen. Ähnlich wichtig sind Führungskräfte des potenziellen Arbeitgebers.
Mehr Wertschätzung oder mehr Gehalt? Was Unternehmen gegen Kündigungen tun können
Bei der Frage, ob Arbeitgeber eine Kündigung verhindern können, sind die Bewerber im deutschsprachigen Raum gespalten. 47,9 Prozent der Befragten antworten hier mit „Ja“, 52,1 Prozent mit „Nein“. Interessant ist jedoch, was die Befragten in den Kommentarfeldern als Anregung hinterließen, wie man Mitarbeiter noch in letzter Minute hätte halten können.
So scheinen vor allem fehlende Wertschätzung und schlechte Kommunikation ein wichtiger Kündigungstreiber zu sein, an dem Unternehmen arbeiten können. In vielen Kommentaren fanden sich aber auch Hinweise zu Bezahlung und Arbeitsbedingungen. Konkret wünschten sich die Befragten:
--> Stärker auf Wünsche eingehen – egal ob beim Gehalt oder Aufgabenzuschnitt
--> Junge Mitarbeiter mehr einbinden und fördern
--> Persönliche Gespräche mit echtem Interesse
--> Fokus auf Stärken eines Mitarbeiters, Wertschätzung der bisherigen Tätigkeit
--> Schnellere Rückmeldung in Bezug auf Aufstiegsmöglichkeiten
--> Mehr Geld, alternative attraktive Benefits
Diese Erkenntnisse decken sich auch mit anderen Befragungen zur Mitarbeiterzufriedenheit. Nicht immer wurden dabei nur Jobwechsler berücksichtigt. Eine der wichtigsten Langzeitumfragen zum Thema Wechselbereitschaft ist der Gallup Engagement Index. Zuletzt zeigte die internationale Umfrage, dass sich Deutschlands Arbeitnehmer so wenig an ihre Arbeitgeber gebunden fühlen wie nie zuvor.
So waren laut Gallup zuletzt 14 Prozent aller Beschäftigten aktiv auf Jobsuche. Mehr als ein Viertel sieht sich zumindest gelegentlich nach einer neuen Stelle um. Und jeder dritte Beschäftigte wurde in den vergangenen Monaten von Headhuntern angesprochen – eine Verdoppelung binnen zwei Jahren.
Marco Nink, Forschungsleiter bei Gallup in Deutschland, sagte damals zur Veröffentlichung der Studie: „Angesichts dieser Werte glaube ich, dass die Zahl der Eigenkündigungen steigen wird.“ Mit den Gründen, warum gute Mitarbeiter gehen, werden sich Unternehmen also noch eine Weile beschäftigen.
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