Bundestrainer Joachim Löw

#FantasticBosses: Fünf prominente Menschen schreiben über die besten Chefs ihres Lebens

Es gibt Chefs, die zu wichtigen Wegbegleitern, Mentoren und vielleicht sogar zu Freunden werden – zu #FantasticBosses! Hier schreiben Prominente über den besten Chef oder die beste Chefin ihres Lebens.

Benedikt Höwedes (32) spielte unter anderem für Schalke 04 und Juventus Turin.

Ich hatte viele Chefs, also Trainer, in mei­nem Fußballer-­Leben. Laute, leise, emphati­sche, auch solche, die nicht den geringsten Widerspruch duldeten. 20 verschiedene müssten es gewesen sein. Joachim Löw war einer davon – ein ganz entscheidender. Er hat mich zwischen 2011 und 2017 lange in der Nationalmannschaft begleitet. Bei Löw hat mir sein Fingerspitzengefühl imponiert. So eine Mannschaft ist ja ein höchst komple­xer Haufen. Ihm ist es gelungen, dass sich sowohl Anführer als auch Mitläufer, Intro­vertierte und Extrovertierte, Spaßvögel und die Nachdenklicheren gleich wohlgefühlt haben. Löw hat uns immer eine lange Leine gelassen.

Sein Führungsstil war abseits des Feldes eher laissez-faire. Auf dem Platz hat er dann stets mit einer klaren Idee und guten Inhalten überzeugt. Löw konnte auch gut delegieren. Er wusste, dass es wichtig ist, seinem Funktions­-Team Verantwortung zu übergeben. Was hinzukommt: Löw ist ein kreativer Chef – und nie in seiner Denkstruktur festgefahren. In den 19 Länderspielen, die ich bis zur Vorbereitung auf die WM 2014 spielte, hatte er mich fast immer als Innen­ oder Rechtsverteidiger eingesetzt. Dann kam er auf die Idee, mich zum Linksverteidiger umzufunktionieren.

Ein paar Exper­ten unkten, dass es nicht gut gehen könne. Aber er blieb völlig unbeirrt. Nach unserem Auftakt-­Sieg gegen Portugal nahm er mich zur Seite und meinte: “Genau so habe ich mir das vorgestellt. Ich bin sehr zufrieden. Du machst genau das, was ich mir erhofft habe.” Das hat mir Sicherheit und Selbstver­trauen gegeben. Ein Trainer ist nicht nur für taktisch­spielerische Dinge zuständig, vor allem nicht in einer Turnierphase. Er muss ein guter Zuhörer sein, muss Gruppendyna­miken stoppen und fördern können.

Bei mir hat er genau die richtigen Worte gefun­den. Er war ein Gefühlsverstärker, sodass ich 690 Minuten, also jede mögliche Spiel­minute, als Linksverteidiger dazu beitragen konnte, dass wir Weltmeister geworden sind. (Lesen Sie auch: Was ein erfolgreicher Wandel in Unternehmen mit Lothar Matthäus zu tun hat)

Schauspieler Moritz Bleibtreu über Regisseur Fatih Akin

Regisseur Fatih Akin
Regisseur Fatih Akin

Schauspieler Moritz Bleibtreu (49) ist inzwischen selbst Regisseur. Sein Debüt “Cortex” läuft seit 22. Oktober im Kino. Unter Fatih Akin drehte Bleibtreu “Im Juli”, “Solino”, “Soul Kitchen”.

Als Regisseur kann man sich ent­schließen, die Hälfte seines Teams nicht zu sehen und trotzdem noch ein ganz netter Kerl zu sein. Oder du machst es wie Fatih: einfach jeden, der am Filmset rumrennt, wahrzunehmen. Egal ob der Kaffee kocht oder Chefkameramann ist. Fatih gibt allen das Gefühl, Teil des großen Ganzen zu sein.

Bevor die erste Klappe geschlagen wird, macht Fatih einen großen Kreis, wie beim American Football, alle halten sich an den Händen, und dann gibt es ein Stoßgebet für den Film. Das sind Kleinigkeiten, an denen man erkennt, dass Fatih alle auf ein und dasselbe Niveau hebt. Da gibt es auch keine Stars. Jeder versteht, dass der Film nur gelingt, wenn alle zusammenarbeiten. Das macht er sehr gut, und das hat er schon vor über 20 Jahren so gemacht, als wir “Im Juli” gedreht haben.

Trotzdem gehört Autorität dazu. An Filmsets ist es ähnlich wie in Küchen: Es ist ungeheuer schwer, auf einem hohen Niveau für ein paar Hundert Leute zu ko­chen, wenn in der Küche nur ge­flüstert wird. In bestimmten Situ­ationen wird es ohne Druck und Autorität schwierig. Die Frage ist, wie man persönlich damit um­geht. Die Deutschen sind aufgrund ihrer Geschichte sehr feinfühlig, wenn es um Autorität und Gehor­sam geht. Das ist auch gut so. Aber dadurch haben wir auch verlernt, Autorität von Autorität zu unter­scheiden.

Es gibt Autoritäten, bei denen ich mich unheimlich gerne unterordne, weil jemand im Raum steht, der so viel weiß, dass ich jetzt mal besser den Mund halte und zuhöre, weil ich ungeheuer viel davon lernen kann. Es ist letzt­lich eine Frage des Stils, wie man Autorität ausfüllt – und auch, wie man sich ihr fügt. (Lesen Sie auch: Wie wir zukunftsorientierter handeln können)

Dreisternekoch Jan Hartwig über Dreisternekoch Sven Elverfeld

Dreisternekoch Sven Elverfeld
Dreisternekoch Sven Elverfeld

Jan Hartwig ist Küchenchef des 3-Sterne-Restaurants “Atelier” im “Bayerischen Hof” in München.

Bei Sven Elverfeld zu lernen war immer mein Traum. Zweimal hatte ich mich bereits beworben, bevor ich eines Abends von meinem Hei­matort Adenstedt ins knapp 70 Kilo­meter entfernte Wolfsburg fuhr, um das erste Mal in seinem Restau­rant „Aqua“ zu essen. Meine Bewer­bungsunterlagen hatte ich dabei.

Was ich dort dann erlebte, werde ich nie vergessen. Sven Elverfeld kochte damals schon fantastisch! Kreativ, aber zugänglich. Raffiniert und kom­plex, ohne verspielt zu sein. Vor allem unfassbar köstlich! Ein halbes Jahr später, im Sommer 2007, fuhr ich wie­ der nach Wolfsburg. Dieses Mal, weil es mein Arbeitsplatz war. Es war der Beginn einer Zusammenarbeit, die sieben Jahre andauerte – und bis heu­te eine der schönsten Zeiten meines Lebens war. Ich durfte dabei sein, als der dritte Michelinstern über dem “Aqua” aufging. Mit Sven verbindet mich mittlerweile eine tiefe und ehr­liche Freundschaft. Er ist mein Men­tor. Nicht nur ein hervorragender Koch, vor allem ein wunderbarer Mensch und nahbarer Teamplayer.

Er war immer ein korrekter Chef, der die Mitarbeiter motiviert und erreicht hat. Er hat auch heute noch immer einen Witz auf den Lippen. Sven konnte immer “Danke” und “Bitte”, “Guten Tag” und “Auf Wieder­ sehen” sagen, was gar nicht so selbst­ verständlich ist. Wann immer ich Offerten bekam, selbst Küchenchef zu werden, sprach ich mit Sven über das jeweilige Jobangebot. Immer riet er mir ab. Nicht um mich aus Eigen­nutz zu halten, sondern weil er das Beste für mich wollte. Weil er mir alles gönnt und mir jeden Erfolg wünscht. Völlig uneigennützig. Das hat mir damals wie heute sehr impo­niert.

Als ich ihm Anfang 2014 von dem Angebot erzählte, Küchenchef im Restaurant “Atelier” im “Bayeri­schen Hof” in München zu werden, sagte er ohne zu zögern: “Mach das, Jan!" Er fordert und fördert, aber er lässt die Leute auch ziehen, wenn er der Meinung ist, dass es das Rich­tige ist. (Lesen Sie auch: Remote-Team: 3 Empfehlungen für effektive Kommunikation auf Distanz)

Künstler Hedi Xandt über Beyoncé

Sängerin Beyoncé
Sängerin Beyoncé

Hedi Xandt (32), Künstler und Designer in Ham- burg, entwarf das Album-Cover zu Beyoncés Kollaborationsalbum “The Lion King: The Gift”.

Es gibt Auftraggeber, bei deren Namen du weiche Knie bekommst. Dann muss man hoffen, dass sie im kreativen Prozess keine Kontrollfreaks sind. Beyoncé war das überhaupt nicht. Sie und ihr Team haben mir von Anfang an das Gefühl gege­ben: Wenn ich das tue, was ich für richtig halte, wird es auch gut.

Sie ist vor längerer Zeit auf mei­ne Skulpturen aufmerksam geworden. Vergan­genes Jahr im Sommer meldete sich dann jemand, der vage anfragte, ob ich Zeit für ein Cover habe. Er sagte nichts darüber, dass Beyoncé die Auftraggeberin ist. Ich wollte gerade in den Ur­laub, aber als sich herausstellte, dass ich das Cover für ihr Album zu Disneys Neuauflage vom “König der Löwen” entwerfen soll, sagte ich natürlich zu. Die einzige Vorgabe war, Simba, den Protagonis­ten, aufs Cover zu bringen. Dann habe ich sofort losgezeichnet, drei Entwürfe, und dazu meine Gedanken formuliert.

Beyoncé entschied sich für einen davon, und es ging in die Feinabstimmung. Sie war der angenehmste Boss, den ich mir hätte vorstellen können. In Deutschland fühlt man sich als Künstler oft als Erfüllungsgehilfe eines Creative Directors, der permanent reinredet. Gute Chefs sind Menschen, die erkennen, wo die Qualitäten anderer liegen, und ihnen zu 100 Pro­zent zugestehen, diese Talente auszuleben, anstatt alles kontrollieren zu müssen. (Lesen Sie auch: 3 Fähigkeiten, die Sie für die Jobs der Zukunft brauchen!)

Kai Finke über Netflix-Boss Reed Hastings

Netflix-Boss Reed Hastings
Netflix-Boss Reed Hastings

Kai Finke, Netflix, ist Director Content für Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Ich bin in meiner beruflichen Laufbahn von sehr unterschiedlichen Führungskräften geprägt worden, habe in Start­-ups gearbeitet, in mittel­ständischen Unternehmen und in einem großen Konzern. Die Unternehmenskulturen haben sich ziemlich unterschieden, mitunter ging es da auch schon einmal ganz schön hierarchisch zu.

Inzwischen bin ich seit sechs Jahren bei Netflix, und was mich an der Kultur so beeindruckt, ist das große Vertrauen, das die Mitarbeiter hier genießen. Auch die große Entscheidungsfreiheit ist sicherlich ungewöhnlich. Eine Weile lebte und arbeitete ich in Los Angeles, weil mein Team bei Netflix zu der Zeit noch nicht in Europa an­ gesiedelt war. Damals investierte ich in eine Show, die kurz darauf intern und extern nicht unum­stritten war und für die ich mitunter kräftigen Gegenwind bekam.

Da fühlte man sich dann doch bei all dem Vertrauen plötzlich etwas unsi­cher, und über Wochen habe ich mich gefragt, ob das vielleicht meine letzte Entscheidung ge­wesen sein könnte, die ich für Netflix getroffen hatte. Zu genau dieser Zeit traf ich im Büro den Gründer von Netflix, Reed Hastings, auf dem Flur. Er schien gerade etwas auf seinem Telefon zu lesen, trotzdem sprach ich ihn einfach an und fragte, ob er kurz für mich Zeit hätte. Mich beeindruckte, dass er sofort wusste, um welches Projekt es ging. Er war offenbar genau infor­miert. Dann sagte er zu mir: “Triff bitte weiter­hin mutige Entscheidungen für ungewöhnliche Projekte. Wenn wir international wachsen wol­len, werden wir auch solche Programme auspro­bieren müssen, die nicht jedem gefallen.”

Das Gespräch hat keine zwei Minuten gedauert, aber es hat mir mein Selbstbewusstsein zurückge­geben. Diesen Rückhalt von unserem Co­-CEO zu spüren hat mir viel bedeutet. Mich hat be­eindruckt, wie er über einen verhältnismäßig kleinen Vorgang genauestens informiert war und doch weiterhin das Große und Ganze im Blick behielt. In dem Moment hat Reed Hastings im Vorbeigehen gezeigt, was ein "fantastic boss“ haben muss. (Lesen Sie auch: Was nicht passt, wird passend gemacht – warum jetzt der richtige Zeitpunkt für Job Crafting ist!)

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