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Warum sich diese Frage nicht immer so leicht beantworten lässt. - imago images
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Gehalt in der Oberschicht: Ab wann Sie in Deutschland zu den Topverdienern gehören

Wie viel Geld muss man in Deutschland verdienen, um ein Topverdiener zu sein? Gehört Schauspielerin Cate Blanchett zur Mittelschicht? Und ab wann gilt man als arm? Ein Online-Rechner bietet anschauliche Erkenntnisse.

Die Mittelschicht ist eine stark umworbene Wählergruppe. Phrasen wie „wir dürfen die Mittelschicht nicht vergessen“, „wir müssen die Mittelschicht stärken“ oder „die Mittelschicht ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft“, gehören zum Standardrepertoire von Politikern, egal welcher Couleur.

Und auch berühmte Schauspielerinnen zählen sich offenbar gerne zur Mittelschicht. So zuletzt die zweifache Oscarpreisträgerin Cate Blanchett. Bei den Filmfestspielen in Cannes sagte sie: „Ich bin weiß, ich bin privilegiert.“ Nur um dann einen Satz später hinzuzufügen. „Ich gehöre der Mittelschicht an.“ Das Magazin „Forbes“ bezifferte 2018 ihr jährliches Einkommen auf rund 12,5 Millionen Dollar. In den sozialen Netzwerken erntet sie deshalb für ihre Aussagen Kritik.

Häme, die auch CDU-Chef Friedrich Merz nicht unbekannt ist. Denn im Versuch einer Verbrüderung hat er sich 2018 zu der Aussage hinreißen lassen, er selbst zähle nur zur „gehobenen Mittelschicht“. Dabei dürfte er als ehemaliger Aufsichtsratschef der deutschen Abteilung von Blackrock über eine Million Euro im Jahr verdient haben. Und für eine Hochzeit auf Sylt reist der aktuelle CDU-Chef bekanntlich auch mal gerne mit dem Privatflieger an.

Allerdings ist Merz kein Einzelfall. Auch der derzeitige Bundeskanzler Olaf Scholz scheute eine ehrliche Antwort als er sich 2020 nicht als reich bezeichnen wollte – trotz eines monatlichen Gehalts von über 20.000 Euro, Zulagen und Aufwandsentschädigungen nicht eingerechnet. Studien belegen, dass auch viele Bürger ihr Einkommen auf einer Arm-Reich-Skala falsch einschätzen. Wer gehört also tatsächlich zur Mittelschicht? Wer ist reich? Und warum gibt es bis heute keine eindeutige Definition?

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Einen ersten Anhaltspunkt liefert das Statistische Bundesamt. Hochrechnungen der Behörde zufolge, betrug das durchschnittliche Nettoeinkommen eines privaten Haushalts in Deutschland 2021 rund 3813 Euro (neuere Zahlen gibt es noch nicht). Das allein sagt aber noch wenig aus: Je nachdem, ob man verheiratet ist, Kinder hat oder als Single lebt, sind 3813 Euro Nettoeinkommen im Monat entweder vergleichsweise viel – oder relativ wenig.

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Mit 3813 Euro im Monat kann man zu den Topverdienern gehören

Wer selbst testen will, wie viel er im Vergleich zu anderen in Deutschland verdient, kann dies ganz einfach mit dem Online-Rechner des IW Köln herausfinden. Mit nur wenigen Mausklicks erhält man eine anschauliche und bemerkenswert nutzerfreundliche Übersicht. Aber Achtung: Der Rechner bemisst Reichtum nur am Einkommen, nicht am Vermögen.

Gibt man in die Maske als verfügbares Einkommen die genannten 3813 Euro ein, kann man verschiedene Varianten durchspielen. Wer als Single lebt, der verdient mit einem solchen Einkommen nämlich bereits mehr als 90 Prozent der Deutschen. Und von denjenigen, die keine eigene Immobilie besitzen, sind sogar nur vier Prozent reicher.

Anders sieht es zum Beispiel bei einem Paar mit drei Kindern aus. Dieser Haushalt zählt mit einem verfügbaren Nettoeinkommen von 3813 Euro zur ärmeren Hälfte der Bevölkerung: 71 Prozent der Deutschen haben mehr Geld zur Verfügung, 29 Prozent weniger.

Eine unscharfe Debatte ums Einkommen

Natürlich sind die Ergebnisse des IW Köln nur eine Annäherung. Sie beruhen auf Daten des Sozio-oekonomischen Panels aus dem Jahr 2019. Nichtsdestotrotz kann der Rechner zu einer Versachlichung der Armuts- und Reichtumsdebatte beitragen.

Wie sehr eine solche Versachlichung nötig wäre, zeigte 2023 der monatelange Streit ums Elterngeld: Wegen knapper Kassen wollte die Bundesregierung die Förderung für Haushalte mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von mehr als 150.000 Euro ursprünglich komplett streichen. Bisher liegt die Grenze bei 300.000 Euro. Viele Bürger und Politiker sahen darin einen „Angriff auf die Mittelschicht“. Ein Blick in die Statistik offenbart jedoch: Lediglich vier Prozent aller Paare verfügen in Deutschland über ein zu versteuerndes Einkommen von mehr als 150.000 Euro. Die Streichung hätte also ausschließlich Topverdiener getroffen.

Inzwischen hat sich die Ampel wieder mal auf einen umständlichen Kompromiss verständigt. Für Geburten oder Adoptionen ab dem 1. April 2024 soll eine strengere Einkommensgrenze gelten. Paare dürfen dann im Jahr vor der Geburt („letzter abgeschlossener Veranlagungszeitraum“) maximal 200.000 Euro verdient haben, bezogen auf das zu versteuernde Einkommen. Für Alleinstehende gilt eine Grenze von 150.000 Euro. Für ab dem 1. April 2025 geborene Kinder gelten für Paare nochmals strengere Werte. Dann entfällt der Anspruch bei ihnen schon ab 175.000 Euro an zu versteuerndem Einkommen.

Das Beispiel zeigt, wie schon bei einer relativ unbedeutenden Reform mit ungenauen Zahlen und einer unbekannten Empfängergruppe Emotionen geschürt werden können. Für eine wirklich sachliche Debatte bräuchte es deshalb mehr Transparenz – von Politikern, aber auch von den Bürgern. Andernfalls behält der Kabarettist Max Uthoff mit seiner Einschätzung über den deutschen Normalbürger recht: „Nicht superreich, kein armer Wicht, alles andere ist Mittelschicht.“

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