Große McKinsey-Studie: Diese Industrien werden 2040 immer noch wichtig sein
Nur 18 Schlüsselindustrien dürften bald mehr als ein Drittel des Wirtschaftswachstums auf sich vereinen, zeigt eine neue Studie. Auch europäische Firmen können davon profitieren.
Düsseldorf. Wie rasant die Wirtschaft im Umbruch ist, lässt sich mit zwei Fakten illustrieren. Die zwölf wachstumsstärksten Industrien wie Software, Halbleiter, E-Commerce oder Cloud-Services generieren laut der Beratung McKinsey aktuell etwa die Hälfte des globalen wirtschaftlichen Gewinns – 2005 waren es gerade einmal zehn Prozent. Und: Von den zehn Unternehmen mit der weltweit höchsten Marktkapitalisierung im Jahr 2005 ist mit Microsoft heute nur noch eines in dieser Liste.
Die Relevanz einzelner Schlüsselindustrien für Wachstum und Wohlstand wird in den kommenden Jahren weiter steigen, zeigt eine neue Studie von McKinsey, die dem Handelsblatt vorab vorliegt. Die Autoren haben 18 Schlüsselbranchen identifiziert, die die Wirtschaft in Zukunft stark verändern werden.
Während diese Industrien heute 7,3 Billionen US-Dollar Umsatz auf sich vereinen, dürften es 2040 bis zu 48 Billionen Dollar sein. Sie stünden für bis zu 16 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und mehr als ein Drittel des Wirtschaftswachstums.
„Diese 18 Industrien sind Treiber für Innovationen und dürften die neuen Wachstumszentren der globalen Wirtschaft bilden“, sagt Chris Bradley, Senior-Partner und Direktor des McKinsey Global Institute, des volkswirtschaftlichen Thinktanks der Unternehmensberatung.
Die Entwicklung in den Schlüsselindustrien kann enorm sein: Firmen dieser Branchen konnten ihre Umsätze zwischen 2005 und 2020 doppelt so schnell und ihre Marktkapitalisierung dreimal so schnell steigern wie die restliche Wirtschaft.
Zudem haben diese Firmen ihren Anteil am weltweiten wirtschaftlichen Gewinn zwischen 2005 und heute etwa verfünffacht, während sich dieser bei Firmen außerhalb der Schlüsselindustrien halbiert hat.
Das Handelsblatt zeigt, welche Industrien 2040 eine herausragende Rolle spielen werden.
1. Industrien von heute, die auch noch 2040 wichtig sind
Für McKinsey haben vier wichtige Branchen von heute 2040 eine noch größere Bedeutung:
Der E-Commerce wird mit 14 bis 20 Billionen US-Dollar die größte Schlüsselindustrie sein. Immer mehr klassische Händler werden auf den Online-Handel setzen, zudem sorgen Verkaufsplattformen auf sozialen Medien für neue Erlöse.
Cloud-Services werden wachsen, weil Firmen bei diesen Anbietern vermehrt ihre Daten speichern.
Angesichts weiterer Durchbrüche in der Batterietechnologie ist es wahrscheinlich, dass der Bereich Elektroautos stark wächst.
Mit einer Marge von 20 bis 25 Prozent dürften Halbleiter die profitabelste Schlüsselindustrie sein. Die Anbieter profitieren von der steigenden Zahl an Mikrochips in allen Geräten.
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2. Ableger heutiger Industrien, die wichtig werden
Von der zunehmenden Digitalisierung profitieren drei Branchen, die sich im Laufe der kommenden Jahre wandeln werden:
Softwarehersteller dürften sich zunehmend zu Anbietern von KI-Software entwickeln, prognostiziert McKinsey. Durch das Chattool ChatGPT von OpenAI gibt es hier seit Ende 2022 eine Disruption. Die Autoren erwarten bis 2040 jährliche Wachstumsraten von bis zu 25 Prozent.
Auch digitale Werbung wird sich wandeln. Über Werbung im Internet, in Streamingdiensten oder digitalen Anzeigetafeln im Supermarkt können Unternehmen Kunden durch die Nutzung von Daten viel zielgerichteter und zu geringeren Kosten erreichen als etwa in Zeitungsanzeigen.
Die Firmen der Video- und Audioindustrie dürften sich noch schneller zu Streaming-Anbietern transformieren. Die Erlöse dürften schon deshalb steigen, weil schnelles Internet in immer mehr Regionen der Welt verfügbar sein wird.
3. Elf junge Industrien werden bis 2040 stark an Bedeutung gewinnen
Die Autoren haben elf neue Industrien identifiziert, die bis 2040 stark an Bedeutung gewinnen werden. Dazu gehören auch Innovationen, die neue Technologien in die reale Welt transformieren, also autonome Fahrzeuge, Robotik, Flugtaxis oder Anbieter, die Reisen in den Weltraum ermöglichen.
Firmen etwa aus dem Silicon Valley entwickeln hier schon Anwendungen, oft sind diese Märkte aber noch sehr klein oder nicht existent. Künftig dürften hier viele Unternehmen eine Rolle spielen, die jetzt noch nicht existieren. Denn Firmen, die es 2005 noch nicht gab oder die bedeutungslos waren, stehen heute für 33 Prozent der Marktkapitalisierung der Schlüsselindustrien. Außerhalb dieser sind es nur 15 Prozent.
Künftig werden zu den wachstumsstärksten Branchen wahrscheinlich auch Unternehmen zählen, die Medikamente gegen Übergewicht oder Diabetes herstellen. So ist der Abnehmspritzenhersteller Novo Nordisk schon vor einem Jahr zum wertvollsten Unternehmen Europas aufgestiegen.
Großes Potenzial sehen die Autoren angesichts zunehmender Cyberangriffe auch bei Unternehmen, die Schutz für Computersysteme bieten. Eine bedeutende Zukunft dürften auch Hersteller von Videospielen haben, Anbieter von Biotechnologie oder Unternehmen, die sich mit modularem Bauen beschäftigen, also die gesamte Wertschöpfungskette vom Design bis zum Bau besetzen.
Wachstum sieht McKinsey auch in Bereichen, die die Energiewende vorantreiben: Hersteller von Batterien für Elektroautos oder Betreiber von Kernkraftwerken sollten davon profitieren.
4. Darum wachsen die Schlüsselbranchen
Für die Autoren, die die Schlüsselindustrien als Branchen mit hohem Wachstum und schnellen Veränderungen von Marktanteilen betrachten, gibt es drei Gründe, warum einzelne Wirtschaftsbereiche so bedeutsam werden.
Es muss ein disruptiver technologischer Sprung erfolgen. Das zeigt sich etwa bei der Lithium-Ionen-Technologie, mit der Batterien für Elektroautos erst gebaut werden können. Technologie kann auch den Wechsel eines Geschäftsmodells ermöglichen, etwa vom DVD-Verkauf hin zu Streamingdiensten.
Der Wettbewerb in den Schlüsselbranchen sei viel intensiver als in herkömmlichen Industrien, sagt Berater Bradley. „Es macht einen radikalen Unterschied, ob man hier das erste oder eines der weiteren Unternehmen ist, das am Markt ist.“ Das führt zu hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E). So gehen seit Jahren weit über 60 Prozent aller F&E-Ausgaben in den USA in die Firmen dieser Schlüsselindustrien.
Es haben vor allem Branchen gute Zukunftsaussichten, die globale und wachsende Märkte adressieren, wie etwa Softwarefirmen. „Große Industrien waren früher oft ein nationales Phänomen. Das verändert sich durch die Technologisierung“, sagt Bradley.
5. Auch europäische Firmen haben eine Chance
Unternehmen innerhalb der Schlüsselindustrien werden laut McKinsey auch künftig globaler und größer. So entfallen etwa 50 Prozent des Umsatzes in den Schlüsselindustrien auf Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von 200 Milliarden Dollar oder mehr, während es in den anderen Industrien nur 15 Prozent sind. Das erklärt sich dadurch, dass Konzerne große Investitionen leichter stemmen können.
Da Firmen in den USA in der Regel größer sind, risikoreicher bei Investments agieren und die Behörden weniger stark regulieren, profitieren sie stärker von den Schlüsselindustrien. So stehen US-Unternehmen für 65 Prozent der Marktkapitalisierung der Schlüsselbranchen, bei europäischen sind es nur neun Prozent.
Dennoch sieht Berater Bradley eine Chance für Europa. In etwa der Hälfte der Zukunftsindustrien habe Europa heute eine starke Position. Bei Abnehmspritzen zählt Novo Nordisk aus Dänemark zu den wachstumsstärksten Firmen, im Bereich Streaming ist es Spotify aus Schweden, bei Atomkraftwerken gilt Frankreich als führend. Auch deutschen Elektroauto-Herstellern attestiert Bradley Chancen.
Gerade die physikalische Automatisierung wie die Herstellung von Robotern, autonomen Fahrzeugen oder Flugtaxis sieht Bradley als natürliche Stärke der europäischen Industrie. „Für Europa kann es eine spannende Zukunft werden.“
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