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Guck mal, was ich kann, Chef!

Aufstrebende Mitarbeiter wissen oft nicht, wie sie Vorgesetzte auf ihre Fähigkeiten und Potenziale aufmerksam machen sollen. Ein Zehn-Punkte-Plan hilft dabei.

Von****Melissa Raffoni

Sie sind intelligent, Sie haben gute Ideen, Sie sind kompetent. Und Sie haben den Ehrgeiz, mehr aus sich zu machen. Aber irgendwie bekommen Sie nicht die Chance zu zeigen, was in Ihnen steckt. Weil Sie in dieser Hinsicht auch nicht auf Ihren Chef zählen können, fragen Sie sich: Wie kann ich es schaffen, die Führungsriege auf mich aufmerksam zu machen, ohne meinen direkten Vorgesetzten zu übergehen?

Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, nahm ich Kontakt zu zwei meiner erfolgreichsten Klienten auf: Der eine davon war Dave MacKeen, CEO der Eliassen Group, eines Consultingunternehmens mit besonderem Fokus auf Personalthemen. Eliassen unterhält 21 Büros in den USA. Der andere war Chuck Cohen, Managing Director von Benco Dental, dem größten privaten Händler für Dentalprodukte in den Vereinigten Staaten. Chuck und Dave sind seit Jahrzehnten im Geschäft und ständig auf der Suche nach Kandidaten, die künftige Managementstars sein könnten oder als Ausnahmetalente viel Potenzial mitbringen. Solche Mitarbeiter lassen sich häufig daran erkennen, dass sie hart arbeiten und die Dinge wirklich voranbringen wollen. Sie haben dabei nicht nur das Wohlergehen des Unternehmens im Blick, sondern auch derjenigen, mit denen sie arbeiten. Sehr oft übernehmen sie Aufgaben, die außerhalb ihres eigentlichen Themengebiets oder nicht auf ihrer Hierarchiestufe liegen. Auf diese Weise stellen sie ihr Potenzial für anspruchsvollere Tätigkeiten weithin erkennbar unter Beweis.

Chuck, Dave und ich haben einen Zehn-Punkte-Plan erarbeitet, der ambitionierten Kandidaten dabei hilft, ins Blickfeld der oberen Führungsriege zu gelangen – und als ihr potenzielles Mitglied wahrgenommen zu werden. Mit den von uns skizzierten Schritten können Sie Ihr persönliches Wachstum fördern und sich neue Möglichkeiten eröffnen. Und zwar ohne dabei wie ein Angeber zu erscheinen oder den eigenen Chef zu verärgern.

1. Zeigen Sie, dass Sie sich der Firma und dem eigenen Wachstum verpflichtet fühlen. Ein guter Weg zu unterstreichen, wie ernst es Ihnen mit Ihrer Karriere ist, sind Fortbildungen außerhalb der Arbeitszeit. Sie helfen Ihnen, Kompetenzen auszubauen und Ihre Arbeit für das Unternehmen noch wertvoller zu machen. Gut geeignet sind Trainings, die Sie bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen, oder das Lesen von Fachliteratur. Wenn Sie sich beispielsweise im Bereich Strategieentwicklung verbessern möchten, fragen Sie Ihren Vorgesetzten oder dessen Chef nach einer Leseempfehlung. Sie können Ihr Engagement aber ebenso deutlich machen, wenn Sie Ihren Chef bitten, Sie mit besonderen Projekten zu betrauen. Am besten mit solchen, die Ihrem Unternehmen nützen und Sie selbst voranbringen, weil sie Sie besonders fordern.

2. Konzentrieren Sie sich auf den Erfolg Ihres Teams und nicht so sehr auf Ihren eigenen. Ihre innere Stimme mag Ihnen sagen, dass Sie vor allem Ihr persönliches Fortkommen im Blick haben sollten. Chefs achten hingegen darauf, wer von ihren Mitarbeitern gut mit anderen zusammenarbeitet und die Kollegen unterstützt. Sie wissen nämlich, dass der Schlüssel zum Erfolg in gut funktionierenden Teams liegt. "Es fällt sofort auf, wenn sich jemand um andere kümmert und ihnen hilft, gute Arbeit zu leisten", sagt Dave. "Es kommt nicht darauf an, ob es sich dabei um Mitarbeiter oder Kollegen auf der gleichen Hierarchiestufe handelt. Jemand, der die Menschen in seinem Umfeld fördert, ist von unschätzbarem Wert."

3. Sie sollten Ihren Beitrag sowie das dazugehörige Zahlenwerk kennen – und Verantwortung übernehmen. Egal ob der Bereich, den Sie verantworten, groß oder klein ist: Sie müssen alles über ihn wissen. Sie sollten darauf vorbereitet sein, Fragen zu Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn oder Verlust zu beantworten. Ebenso empfehlenswert ist, den eigenen Stellenwert für die Gesamtorganisation zu kennen. Vor allem wenn sich die Aufmerksamkeit während Präsentationen, Konferenzen oder Projektberichten auf Sie konzentriert. Wenn es Ihnen gelingt, Ergebnisse und Wert Ihres Engagements zu belegen, können Sie dadurch auch Ihren besonderen Wert als Mitarbeiter des Unternehmens und als Teammitglied herausstellen. Betrachten Sie derartige Gelegenheiten als Chance, der Führungsriege zu zeigen, dass Sie ihre Aufmerksamkeit verdienen. Vergessen Sie bei alldem jedoch nicht, Verantwortung für Ihre Fehler zu übernehmen. Verzichten Sie dabei konsequent auf Wenn und Aber, und machen Sie dies zu Ihrer Grundhaltung. Eine solche Einstellung zeigt nämlich eine Form von Selbsterkenntnis, die entscheidende Voraussetzung für gute Führung ist.

4. Halten Sie, was Sie versprochen haben, und sorgen Sie für gute Resultate. Wenn Sie sich dazu verpflichten, eine Aufgabe zu erledigen, sollten Sie alles daransetzen, sie gut zu machen. Wenn es darum geht, einen interessanten Job zu besetzen, bevorzugen Führungskräfte nämlich Kandidaten, die Aufgaben in der Vergangenheit erfolgreich gelöst haben. Anders ausgedrückt: Ihr Name sollte für gute Arbeit stehen. Wer kleinere Projekte mit guten Ergebnissen bewältigt hat, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit bald darum gebeten, größere zu übernehmen.

5. Trainieren Sie strategisches Denken. Die Fähigkeit, strategisch zu denken, ist für Positionen mit größerer Veranwortung unabdingbar. Wirklich herausragende Führungskräfte finden die Balance zwischen der Arbeit am Geschäft (Strategie) und der Arbeit im Geschäft (den täglichen operativen Herausforderungen). Wenn sie am Geschäft arbeiten, verlassen sie das Alltagsgeschäft mit seinen To-do-Listen gedanklich und konzentrieren sich auf die Frage, wie das Unternehmen die übergeordneten strategischen Ziele erreichen kann. Dies schaffen Sie nur, wenn Sie in der Lage sind, größere Zusammenhänge zu erkennen und bei Ihren Entscheidungen zu berücksichtigen. Diese Fähigkeit bringt nicht jeder im gleichen Maße mit. "Wenn Sie wirklich gut im strategischen Denken werden wollen, müssen Sie es üben. Das funktioniert wie bei einem Muskel: Je mehr Sie trainieren, desto besser werden Sie", sagt Chuck.

6. Hinterfragen Sie alte Denkweisen, und finden Sie neue Lösungsansätze. Halten Sie eine andere Herangehensweise als die bisherige für besser geeignet, ein Problem zu lösen? Handelt es sich dabei vielleicht um einen kreativen Ansatz, um die neue Herausforderung anzugehen? Wenn Ihr Arbeitgeber zukunftsorientiert ist, sollten ihm neue Ideen sehr willkommen sein. Vor allem wenn sie mit Demut und Respekt für die bisherigen Ansätze vorgebracht werden. Wenn Sie also eine innovative Idee zur Lösung eines schwierigen Problems haben, lassen Sie die anderen daran teilhaben. "Ich bekomme sehr genau mit, wenn jemand einen bestehenden Prozess infrage stellt und neue Vorschläge macht", so Dave. "Bei uns im Unternehmen scharen sich die anderen um solche Kollegen. Wir übertragen diesen Leuten mehr Verantwortung. Sie müssen gar nicht erst darum bitten."

7. Verbessern Sie Ihre Art zu kommunizieren – immer und immer wieder. Sie müssen nicht unbedingt die schlaueste Person im Raum sein. Sie müssen aber im Kontakt mit anderen wohlüberlegt handeln. Ob Sie eine Präsentation halten, an einem Gruppenprojekt arbeiten oder ein schwieriges Gespräch mit Ihrem Chef führen: In all diesen Fällen ist es entscheidend, die Erwartungen des Publikums zu kennen und sich im Vorfeld zu überlegen, wie die Kommunikation ablaufen soll. Jedes Gegenüber und jede Situation wird dabei andere Anforderungen an Sie stellen. Sie müssen sich darauf einstellen und wissen, wie Sie am besten darauf reagieren. Ein etwas selbstbewussterer Auftritt ist bei einer Präsentation sicherlich hilfreich, bei der Zusammenarbeit mit Kollegen ist wahrscheinlich ein bescheideneres Verhalten angebracht. In manchen Situationen mag Neugier gegenüber dem, was Ihr Chef Ihnen erzählt, genau die richtige Reaktion sein. Bei anderer Gelegenheit kann es hilfreicher sein, die passenden Informationen und Zahlen parat zu haben, um die eigenen Ansichten zu untermauern. Unabhängig von der jeweiligen Situation ist es jedoch immer eine gute Idee, sich mit anderen auszutauschen und ihre Erwartungen zu verstehen.

8. Knüpfen Sie Ihr Netzwerk über das gesamte Unternehmen hinweg. Bewegen Sie sich nicht nur in dem Teil des Unternehmens, den Sie kennen. Suchen Sie nach Möglichkeiten, Kontakte mit anderen wichtigen Mitarbeitern zu knüpfen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Durch solche Verbindungen erweitern Sie nicht nur Ihr Netzwerk von Verbündeten: Sie verbessern dadurch auch Ihre Sichtbarkeit und stärken Ihren Einfluss. "Herausragende Führungspersönlichkeiten warten nicht nur darauf, gefragt zu werden. Sie positionieren sich so, dass die Wahrscheinlichkeit steigt, gefragt zu werden", hat Chuck beobachtet. Es liegt auf der Hand: Wenn Sie mit anderen über Abteilungsgrenzen zusammenarbeiten, wird Ihr Name immer häufiger in positiven Zusammenhängen genannt werden.

9. Erfüllen Sie die Werte und den Zweck des Unternehmens mit Leben. Unternehmen definieren Werte und Ziele, um zu verdeutlichen, wie sich ihre Mitarbeiter verhalten sollen und wie besser nicht. Die Unternehmenswerte beschreiben dabei nicht nur, nach welchen Kompetenzen die Organisation bei ihren Mitarbeitern sucht. Sie beschreiben auch, welche Eigenschaften ihre Führungskräfte haben sollten. Eine starke Führungskraft kennt diese Werte, lebt sie und ermutigt andere, sie ebenfalls hochzuhalten. "Niemand muss besonders laut sein oder immer länger arbeiten, um bemerkt zu werden", sagt Dave."Kollegen und Mitarbeiter folgen vielmehr denjenigen, die unsere Werte immer wieder unter Beweis stellen und die Unternehmensziele fördern." Die beste Methode, um seine Verbundenheit mit den Werten und Zielen des Unternehmens zu zeigen, ist, darüber zu sprechen. Stellen Sie es deshalb positiv heraus, wenn sich Kollegen so verhalten, dass es den Unternehmenswerten entspricht. Betonen Sie im Rahmen Ihrer eigenen Projekte, wie Sie die Ziele des Unternehmens dadurch unterstützen. So signalisieren Sie den anderen im Unternehmen: "Ich schaue ganz genau hin. Ich sehe, wenn wir großartige Arbeit leisten."

10. Heben Sie die Hand. Haben Sie keine Angst davor, Ihre Fähigkeiten und besonderen Talente unter Beweis zu stellen. Und auch wenn der Grat schmal ist – Sie sollten es schließlich nicht übertreiben oder immer wieder die gleichen Fragen stellen –, ist es gut, Initiative zu zeigen. Wenn Sie glauben, dass Sie Wichtiges beitragen und strategische Projekte unterstützen können, bitten Sie darum, daran teilzunehmen. Erläutern Sie, warum Sie glauben, dass Ihre Unterstützung zum Erfolg beiträgt, und wie Sie selbst davon profitieren können. Schließlich haben Ihr Chef und der Chef Ihres Chefs ein ureigenes Interesse daran, Sie dort einzusetzen, wo Sie besonders viel für das Unternehmen bewirken können. Und manchmal müssen Sie eben einfach selbst dafür sorgen, ein geeignetes Thema zu finden, und fragen, ob Sie daran mitarbeiten können.

Es gibt keine Abkürzung, die Ihnen dabei hilft, bemerkt zu werden. Falls Sie dennoch eine finden sollten, müssen Sie damit rechnen, dass es Ihnen noch an der Kompetenz mangelt, die neue Aufgabe zu erfüllen. Wenn Sie sich die Mühe machen, die hier genannten zehn Punkte entschlossen und mit Geduld umzusetzen, und gleichzeitig akzeptieren, dass eine erfolgreiche Karriere ihre Zeit braucht, werden Sie stets in der richtigen Richtung unterwegs sein. Und bestens vorbereitet, wenn der nächste Schritt auf Sie wartet. 

© HBP 2020

Autorin

Melissa Raffoni ist CEO der Raffoni Group. Das US-Beratungsunternehmen unterstützt Führungskräfte dabei, ihre Ziele zu erreichen und gleichzeitig die Balance zwischen Berufs- und Privatleben zu finden.

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