Henkel macht dicht – Was hinter dem Schritt steckt
Düsseldorf. Persil- und Pril-Hersteller Henkel schließt ein Werk in Deutschland. Die Produktion am Standort Heidenau südlich von Dresden wird zum Jahresende eingestellt, erfuhr das Handelsblatt aus Unternehmens- und Betriebsratskreisen. In den ersten Monaten des kommenden Jahres wird das Werk abgewickelt. Der Dax-Konzern bestätigte die Pläne auf Anfrage. Henkel produziert in Heidenau etwa Klebstoffe für die Möbelindustrie.
Heidenau hat zwar nur rund 40 Beschäftige und ist einer der kleineren Standorte von Henkel in Deutschland. Doch der Schritt wirft Fragen auf: Noch Ende August hatte Henkel-Chef Carsten Knobel in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) gesagt, dass bei Henkel zwar Läger und Produktionsstätten wegfallen würden. „Wir werden aber kein Werk in Deutschland schließen“, bekräftigte er.
Bei Henkel läuft seit Frühjahr 2022 der größte Umbau der Konzerngeschichte. Das Unternehmen baut vor allem sein Konsumentengeschäft um. Knobel hat das Wasch- und Reinigungsmittelgeschäft mit seinen bekannten Marken Persil und Pril mit der schwächelnden Kosmetiksparte (Dial, Syoss) zur Einheit Consumer Brands zusammengelegt – und reagierte damit auf die anhaltende Wachstums- und Margenschwäche.
Auch im Adhesive Technologies genannten Geschäftsfeld mit Klebstoffen gibt es Umbauten. So passte Henkel etwa die Organisationsstruktur der Sparte an. Die Düsseldorfer sind für ihre Konsumgüter bekannt, gelten aber bei Klebstoffen für Industrie und Privatanwender als weltweit führend. Die beiden Sparten sind vom Umsatz her etwa gleich groß, die Klebstoffsparte ist aber die lukrativere.
Henkel-Sprecher betont, dass es kein Wortbruch gebe
Wie passt der Fall Heidenau aber zu Knobels Aussage, dass es in Deutschland keine Werksschließungen geben werde? Henkel argumentiert auf Anfrage, dass sich der Vorstandschef in dem Interview auf den Umbau des Konsumentengeschäfts bezogen habe. „Das ist kein Wortbruch“, betonte ein Henkel-Sprecher.
Die Aussage von Knobel habe sich zudem auf die Zukunft bezogen, während die interne Kommunikation über die Werksschließung mehr als anderthalb Jahre zurückliege. Henkel hatte die betroffenen Beschäftigten, so verlautet es auch in Unternehmenskreisen, im Frühjahr 2023 über die Werksschließung in Heidenau informiert – die Öffentlichkeit allerdings nicht.
Henkel: Aufsichtsratskreise sind über Schließung überrascht
In Kreisen der Belegschaft zieht diese Argumentation aber nicht. Aus dem Unternehmen heißt es, Knobels Aussage habe einen falschen Eindruck erweckt, wenn parallel gerade ein Werk abgewickelt werde.
Sie war schließlich im Sommer auch auf ein breites mediales Echo gestoßen. „Henkel baut weitere Stellen ab, aber will deutsche Werke erhalten“, titelte etwa die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.
Und selbst in Aufsichtsratskreisen zeigte man sich über die Werksschließung nach der Interviewaussage überrascht. „Das ist schade und wird in der Belegschaft nicht gut ankommen“, hieß es in den Kreisen.
Ende Juni hatte Knobel in einem Interview mit der „Rheinischen Post“ noch konkreter gesagt, „bei Consumer Brands keine Pläne für Standortschließungen in Deutschland“ zu haben. In der SZ verzichtete Knobel dann aber auf diese Einschränkung.
Exklusiv zu US-Wahl: Das digitale Handelsblatt 4 Wochen für 1€ und danach 40% Rabatt
Heidenau: hohe Produktionskosten und Sanierungsbedarf
In Heidenau produziert Henkel Heißschmelzklebstoffe, die etwa in der Möbel-, der Auto- oder der Lebensmittelindustrie zum Einsatz kommen. So werden Joghurtdeckel oder Süßwarenverpackungen mit den Klebern befestigt. Zu den Abnehmern sollen Ikea oder Nutella-Produzent Ferrero gehören.
Das Werk in Heidenau ist nach Informationen aus Unternehmenskreisen „nicht gerade die kostengünstigste Produktionsstätte“. Die Klebstoffproduktion bei hohen Temperaturen brauche viel Energie. Zudem sei das Werk nicht ausgelastet und es bestehe Sanierungsbedarf, sagte ein Insider.
Ein Konzernsprecher erklärte, dass man „derzeit an der Optimierung unseres europäischen Lieferketten- und Produktionsnetzwerks im Unternehmensbereich Adhesive Technologies“ arbeite.
„Unser Ziel ist es, das Produktionsnetzwerk an aktuelle Marktanforderungen anzupassen und unsere Kostenwettbewerbsfähigkeit zu stärken“, ergänzte er. Die Produktion in Heidenau solle in andere europäische Werke transferiert werden.
Henkel will diese laut Unternehmenskreisen in das größere Klebstoffwerk nach Bopfingen in Baden-Württemberg und nach Környe in Ungarn verlagern. In Bopfingen plant der Konzern, in diesem und im kommenden Jahr rund 20 Millionen Euro zu investieren. Dort arbeiten rund 175 Beschäftigte.
Intern gilt das Werk in Heidenau als Produzent für Spezialitäten, die auch in kleineren Stückzahlen ausgeliefert wurden. Heidenau soll über 130 verschiedene Produkte im Portfolio haben. In Unternehmenskreisen wird daher gezweifelt, ob andere Werke die Produkte in ähnlicher Qualität herstellen können. „Die gesamte Produktionshalle in Heidenau ist eine einzige Sondermaschine“, so ein Insider.
Henkel teilte auf Anfrage mit, dass man im Interesse seiner Kunden in der Industrie stets sicherstelle, „dass die Produkte und Lösungen, die wir für sie entwickeln und produzieren, höchsten Qualitätsansprüchen Rechnung tragen“.
Letztes Werk in Ostdeutschland macht dicht
Henkel baut in Heidenau alle Stellen ab. In den vergangenen Monaten soll sich die Zahl der Beschäftigten von rund 50 auf 40 reduziert haben, weil sich erste Mitarbeiter einen anderen Job gesucht hätten. Mit den verbliebenen wurden Lösungen etwa über Vorruhestandsregelungen oder Aufhebungsverträge gefunden. Intern soll das Projekt der Werksschließung als „Gold Bird“ (Goldener Vogel) bezeichnet worden sein.
Mit Heidenau macht Henkel sein letztes Werk in Ostdeutschland dicht. Seit den 1970ern wurden dort Klebstoffe hergestellt. Zu DDR-Zeiten war das Werk, damals als volkseigener Betrieb (VEB), der alleinige Klebstoffproduzent für die dortige Möbelindustrie. Nach der Wende, im Frühjahr 1991, übernahm Henkel den Standort.
Bereits vergangenes Jahr hatte Henkel hierzulande ein Werk geschlossen. Den Standort im nordrhein-westfälischen Viersen verkaufte der Konzern an den Süßwarenhersteller Katjes, der das Zahnpflegegeschäft von Henkel übernommen hatte.
Gleichzeitig hat der Dax-Konzern zuletzt 44 Millionen Euro für ein vollautomatisiertes Lager in Düsseldorf investiert. 2022 eröffnete Henkel auch am Stammsitz ein Innovationszentrum für Klebstoffe, was sich der Konzern 130 Millionen Euro kosten ließ. „Deutschland bleibt weiterhin ein bedeutender Produktionsstandort für Henkel“, sagte ein Sprecher.
Exklusiv zu US-Wahl: Das digitale Handelsblatt 4 Wochen für 1€ und danach 40% Rabatt
Rätselraten um Entlassungen bei Henkel
Unklar ist auch, wie sich der Umbau der Konsumentensparte auf die Zahl der Entlassungen auswirkt. Henkel hatte im Frühjahr 2022 zwei Phasen angekündigt.
In der ersten Phase wurden weltweit etwas mehr als 2000 Stellen abgebaut, 300 davon in Deutschland. Das hatte der Konzern von Beginn an kommuniziert. Hier ging es vor allem um Synergien in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Verwaltung. Es wurden etwa Doppelstrukturen abgebaut, die es im Reinigungsmittel- und im Kosmetikgeschäft gab.
In Phase zwei, die überwiegend bis Ende 2025 umgesetzt sein soll, will Henkel die Bereiche Produktion, Einkauf, Logistik und Läger optimieren. Wie viele Stellen in dieser Phase gestrichen werden, hat der Konzern bislang nicht mitgeteilt – und wollte dies nun auch nicht auf Anfrage tun.
„Das ist ein laufender Prozess“, teilte Henkel zur Begründung mit. Man werde über die Veränderungen berichten, wenn entsprechende Entscheidungen getroffen und mit den zuständigen Arbeitnehmervertretungen besprochen seien. Die zweite Phase gilt als komplexer. Das genaue Ausmaß des Stellenabbaus zu beziffern sei daher schwieriger, verlautet es in Unternehmenskreisen.
Konzernchef Knobel hatte dieses Frühjahr erklärt, dass es in Phase zwei „nicht vorwiegend um Personalthemen“ gehe, das Einsparpotenzial sei breiter gefasst. Dieser Einschätzung folgt man nach Handelsblatt-Informationen auch in Aufsichtsratskreisen.
Weiterer Stellenabbau „durchaus möglich“
Knobel gab im Frühjahr auch an, dass man 2023 im Rahmen der zweiten Phase 800 Stellen abgebaut habe, und zwar überwiegend im Ausland. Aus Betriebsratskreisen verlautet nun, dass es 2024 in Deutschland im Rahmen der zweiten Phase keinen Stellenabbau gegeben habe. Für 2025 sei das aber „durchaus möglich“.
Von dem Zusammenschluss des Konsumgütergeschäfts erhofft sich Knobel nicht nur Kostenvorteile, er will auch das Geschäft schlagkräftiger aufstellen. In den vergangenen Monaten hat Henkel Marken, die eine schwache Marge oder schlechte Wachstumsaussichten haben, im Wert von mehr als 650 Millionen Euro eingestellt oder verkauft.
Aus Konzernsicht macht sich der Umbau im Konsumentengeschäft bezahlt. Henkel hob dieses Jahr zweimal seine Prognose an; Umsätze, Gewinne, Rendite und Aktienkurs steigen. Auch sollen die Mittelfristziele schneller erreicht werden als zunächst geplant. Henkel beschäftigt weltweit rund 47.800 Mitarbeiter, 8400 davon in Deutschland.
Exklusiv zu US-Wahl: Das digitale Handelsblatt 4 Wochen für 1€ und danach 40% Rabatt
Die 60. Präsidentschaftswahlen in den USA sind ein historisches Spektakel: Donald Trump überlebt ein Attentat. Noch-Präsident Joe Biden zieht seine Kandidatur zurück. Und mit Kamala Harris hat zum ersten Mal eine schwarze Frau die Chance, US-Präsidentin zu werden.
Unsere Auslandskorrespondenten und Redakteure begleiten die US-Wahlen intensiv und analysieren die möglichen Konsequenzen des jeweiligen Wahlausgangs. Denn wer ins Weiße Haus einzieht, wird auch die Politik und die Wirtschaft in Deutschland und Europa stark beeinflussen. Mit unserem aktuellen Aktionsangebot bleiben Sie erstklassig informiert. Nach einem Probemonat für nur einen Euro lesen Sie mit 40% auf den Monatspreis weiter – und können flexibel monatlich kündigen. Gilt nur für kurze Zeit.
