„Ich habe mich total über den Tisch ziehen lassen“ – die drei größten Fehler bei der Gehaltsverhandlung
Die erste Gehaltsverhandlung ist schwer, dafür umso wichtiger. Eine Gehalts-Expertin erklärt, welches die häufigsten Fehler sind – und wie man es besser macht.
Ein Interview von Anna Weyer
Warum ist gerade die erste Gehaltsverhandlung so wichtig?
Anne-Kathrin Gerstlauer: Weil die meisten Berufsstarter•innen denselben Fehler machen: Sie steigen mit einem viel zu niedrigen Gehalt in den ersten Job ein. Später auf große Sprünge zu hoffen, ist aber utopisch. Die meisten Arbeitgeber·innen gewähren nur eine Gehaltssteigerung um einen festgelegten Prozentsatz im Jahr. Die einzige Lösung, um auf das Wunschgehalt zu kommen, ist dann das Unternehmen zu wechseln.
Was sind die drei Fehler, die ich als junge Frau bei einem Gehaltsgespräch also auf keinen Fall machen sollte?
Anne-Kathrin Gerstlauer: Nummer eins: Gar nicht nach Geld zu fragen und auch nicht nachzuhaken, wenn das erste Angebot auf dem Tisch liegt. Zweitens: Sich vor dem Gespräch nicht richtig informieren. Ich hatte schon Menschen vor mit sitzen, die überhaupt nicht wussten, was im Tarifvertrag steht und weniger gefordert haben. Und schließlich, sich zu rechtfertigen.
Wenn in der Jobbeschreibung eine Gehaltsspanne von beispielsweise 40.000 bis 50.000 Euro angegeben ist - wo setze ich an?
Anne-Kathrin Gerstlauer: Prinzipiell würde ich sogar über das höchste angegebene Gehalt gehen. Es hilft manchmal, sich diese Verhandlung wie ein Spiel vorzustellen. Dein Chef oder deine Chefin in spe möchte möglichst wenig zahlen und du möglichst viel verdienen. Am Ende einigt man sich in der Mitte. Also ist es sinnvoll, mehr zu verlangen, als man am Ende eigentlich verdienen möchte, um im besten Fall beim Wunschgehalt anzukommen.
Was kann ich außer Gehalt noch verhandeln?
Anne-Kathrin Gerstlauer: Zusätzliche Altersvorsorge, Urlaubstage, eine Bahncard 100. Wenn man nicht bei dem gewünschten Gehalt ankommt, kann man auch eine automatische Gehaltssteigerung nach einem halben oder einem Jahr verhandeln, damit der Gehaltssprung garantiert ist. Oder auch weniger Stunden bei gleichem Gehalt.
Wie kann ich mich am besten auf eine Gehaltsverhandlung vorbereiten?
Anne-Kathrin Gerstlauer: Bei meinem ersten Gespräch habe ich mich total über den Tisch ziehen lassen, weil ich nicht gut vorbereitet war. Vor meiner zweiten Gehaltsverhandlung habe ich mit meinem besten Freund geübt. Er war richtig hart. Wir sind sogar das Szenario durchgegangen, dass mein Chef sagt, meine Vorstellungen seien absurd. Und so kam es dann auch. Ich habe, wie eingeübt, einfach nichts gesagt und abgewartet. Das war sowohl für mich als auch für meinen Chef unangenehm. Ab dem Punkt führten wir ein Gespräch auf Augenhöhe.
Du beschäftigst dich viel damit, wie Frauen ihr Gehalt verhandeln. Warum ist das ein Thema?
Anne-Kathrin Gerstlauer: Weil die Zahlen für sich sprechen. Wir haben nach wie vor einen Gender Pay Gap und der ist nicht unerheblich. Das ist ein strukturelles Problem, denn von Frauen wird nach wie vor erwartet, dass sie demütig und bescheiden sind. Man kann jeder einzelnen Frau noch so oft sagen, wie man besser verhandelt, am Ende des Tages ist es für sie immer härter als für Männer.
Was sind die häufigsten Vorurteile und Mythen, die du in diesem Zusammenhang hörst?
Anne-Kathrin Gerstlauer: Ich höre häufig Aussagen wie „Frauen verhandeln einfach schlechter ihr Gehalt“ oder „Frauen sind nicht selbstbewusst genug“. Bei einer Studie kam aber heraus: Wenn Frauen für andere verhandeln, verhandeln sie genauso gut wie Männer. Wenn sie für sich selbst verhandeln, verlangen sie weniger. Die Frage ist also eher: Warum sind Frauen nicht selbstbewusst genug, ihren eigenen Wert zu kennen?
Wo kann ich mich über meinen Marktwert informieren?
Anne-Kathrin Gerstlauer: Ein guter Start sind sicherlich Onlineportale, aber mir bringt es viel mehr, in meinem Netzwerk auf Suche zu gehen. Also Leute zu befragen, die etwas Ähnliches machen im Freundeskreis oder bei Bekannten. Einige Unternehmen machen ihre Gehälter im Internet transparent. Da ist es leichter.
Würdest du Gehaltstransparenz befürworten?
Anne-Kathrin Gerstlauer: Ich habe das Gefühl, dass die Generationen Y und Z anfangen, offen über Geld zu sprechen. Denn dieses „nicht gerne über Geld reden“ hilft am Ende nur einer einzigen Person, nämlich dem Firmenchef oder der Firmenchefin.
Die Gen Y und Z werden auch „Generation befristete Jobs“ genannt. Warum ist das ein Problem?
Anne-Kathrin Gerstlauer: Weil sich die Leute unter diesen Umständen unter Wert verkaufen. Wir haben eine Generation, die mit prekären Arbeitsverträgen abgespeist wird – je nach Branche natürlich. In der Medien- oder Wissenschaftsbranche sind Ein- oder Zwei-Jahres-Verträge normal geworden. In so einer Situation verhandelt man anders, als wenn man sich seines Jobs sicher sein kann. Und zwar schlechter.
Welche anderen Wünsche an das Jobleben haben Gen Y und Z im Gegensatz zu älteren Generationen?
Anne-Kathrin Gerstlauer: Viele denken, diese Generation ist mega flexibel und es geht ihr nur um Selbstverwirklichung. Aber ein großer Teil möchte am Ende doch den sicheren Arbeitsvertrag. Für einige spielt das Gehalt weniger eine Rolle, sondern eher die Arbeitszeit. Die möchten sich nicht mehr kaputt arbeiten für das große Geld. Dann gibt es noch Ansprüche an die Unternehmenskultur – beispielsweise, ob das Team divers ist und wie flexibel die Arbeitszeiten sind. Aber was ganz sicher nicht wichtig ist, ist der Obstkorb und ein Kicker. Das ist eher ein verzweifelter Versuch, modern zu wirken.
____________________
Zur Interviewpartnerin:
Anne-Kathrin Gerstlauer ist Journalistin, Dozentin und Beraterin in Berlin. Sie unterstützt Redaktionen und Unternehmen dabei, ihre Inhalte digital innovativ aufzubearbeiten. Vor ihrer Selbständigkeit baute sie als stellvertretende Chefredakteurin die News-App watson.de mit auf. Anne-Kathrin ist Speakerin beim EMOTION Women's Day und gibt dort weitere Tipps über Gehaltsverhandlungen für die Generationen Y und Z.
EVENT ALERT! Du willst anders arbeiten? Neues ausprobieren? Im Job und im Leben?