Jonas Andrulis: Sein Unternehmen Aleph Alpha sammelt 500 Millionen Euro von Investoren ein. - Foto: Getty Images
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Industriepakt für Aleph Alpha – Deal mit SAP, Bosch und Schwarz-Gruppe

Drei der renommiertesten Konzerne Deutschlands steigen bei dem deutschen KI-Start-up ein. Es ist die zweitgrößte europäische Finanzierungsrunde für diese Technologie aller Zeiten.

Berlin. Deutschlands führendes KI-Start-up Aleph Alpha hat mehrere große Investoren aus der Industrie gewonnen, darunter Bosch, die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) und SAP. Firmenchef Jonas Andrulis will die umfangreiche Finanzierungsrunde an diesem Montag im Beisein von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Berlin verkünden.

Insgesamt erhält das Unternehmen 500 Millionen Dollar, umgerechnet etwa 466 Millionen Euro. Das ist die zweitgrößte Finanzierungsrunde im Bereich Künstliche Intelligenz (KI), die es in Europa bisher gegeben hat.

Aleph Alpha entwickelt große KI-Sprachmodelle. Die Basistechnologie ähnelt der von ChatGPT-Entwickler OpenAI. Das Jungunternehmen aus Heidelberg hat sich aber auf Anwendungsfälle für die Industrie spezialisiert.

Mit dem neuen Investoren-Konsortium soll das Unternehmen so aufgestellt werden, dass es im internationalen Wettbewerb mit milliardenschweren Konkurrenten mithalten kann. Einen Großteil des Geldes erhält Aleph Alpha in Form einer Kapitalzusage des Ipai. Dahinter steht ein Projekt der Dieter-Schwarz-Stiftung, die in Heilbronn Europas größtes Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz aufbauen will.

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Neben Schwarz beteiligt sich Bosch Ventures, die Beteiligungsgesellschaft des Technologiekonzerns Bosch, mit dem größten Kapitalanteil. Die Unternehmen haben zudem Vereinbarungen zur Zusammenarbeit mit dem Jungunternehmen aus Heidelberg unterzeichnet und mit weiteren Investmentzusagen verknüpft.

Warum ist das wichtig?

Es gibt in Deutschland wohl kein Jungunternehmen, das der Bundesregierung so wichtig ist wie Aleph Alpha. Bundeswirtschaftsminister Habeck macht die Verkündung der neuen Finanzierungsrunde für die Heidelberger Firma am Montag zur Chefsache.

Und das aus gutem Grund: Seit die US-Firma OpenAI vor fast einem Jahr ihren Chatbot ChatGPT veröffentlicht hat, herrscht ein weltweiter Hype um sogenannte generative KI. Nun lassen sich mit Textrobotern E-Mails schreiben und mit Bildgeneratoren Illustrationen erzeugen.

ChatGPT hat einen weltweiten Hype um Künstliche Intelligenz ausgelöst. - Foto: dpa
ChatGPT hat einen weltweiten Hype um Künstliche Intelligenz ausgelöst. - Foto: dpa

Das ist aber nur der Anfang, verglichen mit dem, was noch kommen soll: Die zugrunde liegenden KI-Basismodelle können direkt in Geschäftsprozesse und -anwendungen integriert werden. Das wird Mitarbeitern und Kunden ermöglichen, mit Computerprogrammen und Maschinen zu kommunizieren wie mit anderen Menschen. Dadurch wird es unter anderem viel einfacher werden, Informationen aus großen Datensätzen zu ziehen.

Welche Bedeutung der Technologie beigemessen wird, zeigt sich auch an den Investments der US-Tech-Konzerne. Microsoft soll umgerechnet mehr als zwölf Milliarden Euro in OpenAI investieren. Amazon und Google stecken jeweils mehrere Milliarden in den Konkurrenten Anthropic. Zudem entwickeln die Tech-Konzerne selbst mit eigenen Teams große KI-Modelle. Die 60-Mitarbeiter-Firma Aleph Alpha ist bisher die größte europäische Hoffnung in diesem Wettbewerb.

Strategie gegen Big Tech: Das ist der Industriepakt für Aleph Alpha

Deshalb ist der Deal, den Jonas Andrulis jetzt vor allem mit Schwarz-Digits-Geschäftsführer Rolf Schumann verhandelt hat, auch für den Bundeswirtschaftsminister so wichtig. Schwarz Digits ist die Ende September gegründete neue Sparte in der Schwarz-Gruppe, die sich um IT und Digitales kümmert.

Einerseits soll Aleph Alpha so aufgestellt werden, dass die Firma mit den mächtigen Konkurrenten mithalten kann. Andererseits sichern die Industriekonzerne mit ihrer gemeinsamen Beteiligung an dem Start-up ihre Unabhängigkeit von amerikanischen oder asiatischen Anbietern. Denn bei KI könnte schnell eine Abhängigkeit entstehen, wie es im Cloudgeschäft der Fall ist.

Neben der Schwarz-Gruppe und Bosch beteiligen sich auch der Softwarekonzern SAP, die Berliner Beratungsfirma Christ&Company, das US-amerikanische IT-Unternehmen Hewlett Packard Enterprise und Burda Principal Investments, der Venture-Capital-Bereich des Medienkonzerns Hubert Burda Media, an der Finanzierungsrunde.

„Um gegen Microsoft und OpenAI bestehen zu können, brauche ich mehr als nur Geld“, sagt Andrulis dem Handelsblatt. Deshalb hat er Partner gesucht, die Aleph Alphas Technologie schnell nutzen und mit der Firma tief in die Geschäftsmodell-Entwicklung einsteigen wollen.

KI für Chatbots, Cloud und Prozesse: So will die Industrie Aleph Alpha einsetzen

„Für uns ist das nicht primär ein Investmentdeal“, sagt Rolf Schumann. Schwarz Digits, der IT-Dienstleister der Schwarz-Gruppe, will die KI-Technologie von Aleph Alpha künftig in seiner Cloud Stackit anbieten. Außerdem wollen die Unternehmen der Schwarz-Gruppe, zu denen Lidl und Kaufland gehören, sie selbst in Geschäftsprozesse integrieren.

Schumann sagt: „Wir werden diese Technologie vielfältig nutzen.“ Die Neuinvestoren haben Aleph Alphas Software im Vorfeld der Beteiligung evaluiert und bereits mit der Implementierung begonnen.

Unter anderem sollen bei der Schwarz-Gruppe künftig Millionen von Produktbeschreibungen mit der KI von Aleph Alpha generiert werden, Schumann will den Kundenservice damit verbessern und mehr Daten nutzbar machen. So könnten etwa Beiträge in Internetforen ausgewertet werden, in denen sich Kunden über Produkte austauschen.

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Der Industriekonzern Bosch arbeitet mit Aleph Alpha bereits an „BoschGPT“. Das KI-System soll es Mitarbeitern erleichtern, interne Daten zu finden, Maschinensteuerung durch Spracheingabe ermöglichen und Programmierern die Dokumentation ihrer Arbeit abnehmen.

SAP integriert Aleph Alpha bereits jetzt in die automatisierte Optimierung von Geschäftsprozessen. Die Partnerschaften sind nicht exklusiv, sodass Aleph Alpha auch mit Wettbewerbern seiner Investoren Geschäftsbeziehungen eingehen kann.

Was Aleph Alphas Technologie kann – und was nicht

Zwar ist das Sprachmodell Luminous längst nicht in allen Bereichen so leistungsstark wie GPT von OpenAI. Aber das Team um Jonas Andrulis und seinen Co-Gründer Samuel Weinbach hat gezeigt, dass es weit beachtete Beiträge zur Forschung und Entwicklung von KI-Modellen leisten kann.

So war Aleph Alpha die erste Firma, deren Sprachmodell seine eigenen Aussagen belegen und auf widersprüchliche Aussagen verweisen konnte. Das ist vor allem im Industriekontext wichtig, weil KI-Modelle beim Generieren von Texten immer wieder Fehler machen.

„Im Markt um KI muss man schauen, wie man sich positioniert und vom Wettbewerb differenziert“, sagt Schumann. „Die Nachvollziehbarkeit und Datenschutz sind dabei klare Wettbewerbsvorteile.“

Jonas Andrulis hätte sich sein Investorenkonsortium deshalb wohl auch ganz anders zusammenbauen können. Es habe viele Interessenten gegeben, sagt er.

Bereits im Juni hatte das Handelsblatt berichtet, dass der Chipkonzern Intel bei der Heidelberger Firma einsteigen wolle. Tatsächlich stand die Finanzierungsrunde damals kurz vor dem Abschluss. Doch dann habe sich mit dem jetzigen Konstrukt eine noch attraktivere Option angebahnt, sagt der Gründer.

Forschung, Verträge und viel Geld: Wie der Deal im Detail aussieht

Das Gesamtpaket ist komplex und enthält drei Komponenten. Der größte Anteil kommt vom Ipai in Heilbronn. Dabei handelt es sich um eine teils gemeinnützige, teils kommerzielle Initiative der Stiftung von Lidl-Gründer Dieter Schwarz. Der Ipai soll bis 2027 Europas größtes Forschungszentrum für KI werden.

Aleph Alpha steht nach Handelsblatt-Informationen frei, wie es den dreistelligen Millionenbetrag verwendet. Es ist aber anzunehmen, dass zumindest ein Teil des Geldes in den Standort zurückfließen soll. Fest steht bereits, dass Ipai und Aleph Alpha bei der Forschung kooperieren wollen.

In Heilbronn soll bis 2027 Europas größtes Forschungszentrum für KI entstehen. - Foto: Ipai/MVRDV
In Heilbronn soll bis 2027 Europas größtes Forschungszentrum für KI entstehen. - Foto: Ipai/MVRDV

Gut möglich ist auch, dass die Firma das geplante Rechenzentrum des Ipai nutzt, wenn das eigene zu klein wird. Die Rechenleistung ist ein großer Kostenpunkt bei der Entwicklung von KI-Modellen. Auch deshalb holen sich internationale Wettbewerber von Aleph Alpha oft Tech-Konzerne als Investoren an Bord.

Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) begrüßte das Engagement der Schwarz-Stiftung bei Aleph Alpha. „Dieses heimische Investment festigt unsere digitale Souveränität und zeigt, dass Deutschland auch aus eigener Kraft bei Zukunftstechnologien ganz vorne mitspielen kann“, sagte Wissing dem Handelsblatt am Montag.

Die zweite Komponente ist eine Eigenkapitalbeteiligung, mit einem Viertel des Gesamtbetrages kaufen die neuen Investoren also Firmenanteile. Dabei dürfte Aleph Alpha bei typischen Konditionen mit etwa einer halben Milliarde Euro bewertet worden sein.

Dabei ist dann allerdings noch nicht eingerechnet, wie sich die weiteren Kapitalzusagen auf den Wert der Firma auswirken. Dazu zählen als dritte Komponente des Deals noch Vereinbarungen über gemeinsame Projekte, die Umsätze in dreistelliger Millionenhöhe für das Start-up nach sich ziehen.

Mehrere mit der Sache vertraute Personen sagten dem Handelsblatt, unter Berücksichtigung aller Komponenten liege die Bewertung bei bis zu drei Milliarden Dollar.

Deutscher KI-Champion, aber kein Glamour-Investor?

Diese Zahlen stehen auch im Kontext von Gerüchten um den Pariser Aleph-Alpha-Konkurrenten Mistral AI. Der nur sechs Monate alten Firma soll ein Finanzierungsangebot der berühmten US-Wagniskapitalfirma Andreessen Horowitz vorliegen. Medienberichten zufolge könnte die Firma dadurch eine Bewertung von bis zu 2,4 Milliarden Euro erreichen.

Bei Aleph Alpha hingegen ist kein neuer klassischer Wagniskapitalgeber hinzugekommen. Ein schlechtes Zeichen an den Kapitalmarkt? Für Earlybird-Partner Andre Retterath ist das Gegenteil der Fall: „Dieses Spiel gewinnst du nicht nur mit Kapital, sondern du brauchst einen bevorzugten Zugang zu Rechenleistung, den besten Forschern und musst möglichst schnell in den Markt kommen.“

Kapital sei zwar notwendig, aber nicht hinreichend, um wettbewerbsfähig zu sein. „Eine Firma, die 500 Millionen Euro von reinen Finanzinvestoren aufnimmt, brennt schnell durch.“

Zahlreiche Finanzinvestoren dürften jedoch auch mit der Mission von Jonas Andrulis fremdeln. Er will auch künftig die Forschungsergebnisse so offenlegen, dass andere sie nachvollziehen können. Er sagt selbst, dass dadurch viele Interessenten wieder aus dem Rennen waren. „Ich brauche echte Partner“, sagt Andrulis. „Die waren viel schwieriger zu finden als Geld.“

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