Kampf über den Wolken: Google greift Amazon im Cloud-Geschäft an
Die Tech-Riesen kämpfen um Marktanteile im Geschäft um Online-basierte Speicher- und Serverdienste. Google hat erkannt, dass sich damit Milliarden verdienen lassen, und lehrt Amazon das Fürchten.
Google versus Amazon – das ist der neue Kampf der Giganten. Dieser spielt sich nicht auf dem Heimcomputer oder auf dem Smartphone ab, sondern in der Datenwolke, der sogenannten Cloud.
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Amazon mit dem Geschäftszweig Web Services (AWS), Microsoft mit Azure und Google Cloud: Diese drei Anbieter erweitern ihre Standorte weltweit mit Servern, um die Daten für Unternehmen und Individualnutzende zu bunkern, nutzbar zu machen und zu verwalten. Die Schweiz spielt beim Kundenwachstum eine zentrale Rolle. Es ist ein Wettrennen darum, wer am meisten Kundschaft, Umsatz und Marktanteil hat. Und wer die meisten Konsumenten und Konsumentinnen in das eigene Ökosystem von Software und Infrastruktur einfängt.
Besonders Google hat es auf den Platzhirsch Amazon Web Services abgesehen. AWS ist nach wie vor an der Spitze und der weltgrösste Cloud-Anbieter mit einem Umsatz von mehr als 60 Milliarden Dollar pro Jahr. Auf Rang zwei: Microsoft Azure, das seinen Jahresumsatz für diesen Geschäftszweig nicht offiziell ausweist. Auf Platz drei rangiert Google mit seiner Cloud und einem Marktanteil von 9 Prozent. Für dieses Jahr prognostiziert es einen Jahresumsatz von 22 Milliarden Dollar. Der dritte US-Riese ist auf einer beispiellosen Aufholjagd.
Google wächst in diesem Bereich um bis zu 45 Prozent pro Jahr – das ist mehr als die Konkurrenz. Analystinnen und Analysten schätzen, dass der Umsatz bis 2025 auf 100 Milliarden Dollar klettern wird.
Das ist der grösste Booster für das Gesamtgeschäft des Google-Mutterkonzerns Alphabet: Dessen Umsatz im ersten Quartal dieses Jahres lag bei 75 Milliarden Dollar. Auf das Gesamtjahr gerechnet sind das rund 300 Milliarden Dollar Umsatz (2021: 257 Milliarden Dollar).
Der Albtraum für Amazon Web Services
Google Cloud setzt auf jene Kundinnen und Kunden, die einen Mix aus verschiedenen Anbietern nutzen wollen, anstatt sich auf ein einziges Unternehmen wie Amazon Web Services oder Microsofts Lösung Azure zu verlassen. Google soll zur Alternative werden und so dem Platzhirsch Amazon Marktanteile abluchsen. Die Chancen dafür stehen gut, der Markt ist noch lange nicht gesättigt. Jüngsten Schätzungen zufolge werden die Cloud-Ausgaben in den nächsten Jahren weiter steigen, immer mehr und neue Dienste werden in die Cloud verlagert. Die Investitionen in Rechenzentren weltweit lagen 2021 bei 207 Milliarden Dollar, dieses Jahr sollen es 219 Milliarden Dollar werden und im nächsten Jahr bereits 230 Milliarden Dollar.
Wenn Google Cloud das Momentum beibehält, ist das der Albtraum für AWS und ein harter Wettbewerb für das Geschäft von Microsoft im Cloud-Bereich.
Bislang haben es die beiden Google-Cloud-Konkurrenten verstanden, den Markt zu ihren Gunsten zu besetzen. AWS überzieht den Erdball mit Servern wie kein anderer und verfügt über die grösste globale Infrastruktur aller drei Anbieter.
Microsoft ist mit der Bürosoftware Office 365 so stark, dass die Verzahnung mit eigenen Cloud-Angeboten vielen Nutzerinnen und Nutzern oft keine andere kostengünstige Wahl lässt.
Diese etablierten Strukturen will Google aufbrechen, indem es selbst in mehr und mehr Server und Rechenzentren weltweit investiert. Und die eigene Bürosoftware G Suite beziehungsweise Google Workspace forciert.
Das Rezept ist ein Mix aus aggressiver Expansionspolitik à la Amazon Web Services und den Ökosystemvorgaben nach der Art von Microsoft.
Risiken für Google
Einfach wird die Aufholjagd aber nicht. Um an Microsoft Azure vorbeizukommen und zur Nummer zwei hinter AWS aufzusteigen, muss Google Cloud richtig viel Geld in die Hand nehmen und die Dominanz des Betriebssystems Windows brechen.
«Die Kosten für den Aufbau und die Wartung der Infrastruktur, für die Einstellung von Fachkräften, insbesondere zur Unterstützung und Skalierung unserer Vertriebsmitarbeitenden» zählt Google zu seinen «Risikofaktoren». Und es könne sein, «dass wir keine ausreichende Grösse und Rentabilität erreichen, um unsere Geschäftsziele zu erreichen», schreibt Google in einem Statement.
Laut dem US-Marktforscher Gartner hatte das Windows-Betriebssystem im vergangenen Jahr einen Anteil von 96 Prozent am Markt für Personalcomputer, während die Office-Suite im Jahr 2020 einen weltweiten Marktanteil von 86 Prozent hielt.
Karte und Gebiet
Amazon Web Services wiederum setzt auf einen Verdrängungswettbewerb und rüstet konsequent beim Personal auf. Allein in der Schweiz schrieb AWS in diesem Jahr bislang 77 neue Stellen aus. Gesucht werden Technikerinnen, Softwareingenieure, Datenanalystinnen und Kundenmanager für grosse und kleine Betriebe, im Finanzbereich sowie für den öffentlichen Sektor.
AWS pusht seine Server- und Cloud-Architektur von Los Angeles bis Tokio und folgt einem nahezu generalstabsmässig geplanten Eroberungszug. Die AWS-Cloud erstreckt sich über 84 sogenannte Availability Zones in 26 geografischen Regionen auf der ganzen Welt.
Weitere Zonen, Regionen und Standorte sollen dazukommen, unter anderem in Australien, Kanada, Indien, Israel, Neuseeland, Spanien, in den Vereinigten Arabischen Emiraten – und in der Schweiz. Das Ziel: so wenige weisse Flecken wie möglich auf der Weltkarte zu haben. In der Schweiz gehören Unternehmen wie SBB, Roche, Novartis, Post und STMicroelectronics zu den Kunden.
Aber Google schläft nicht. Weltweit setzt Google Cloud dem Konkurrenten AWS einen Server und ein Rechenzentrum ums andere vor die Nase, in den ziemlich exakt selben Regionen, in denen auch AWS unterwegs ist.
Ausbau in der Schweiz
Und auch in der Schweiz hat Google Cloud bereits mehrere Dutzend Kunden in seiner Cloud, vom KMU bis zum Grossbetrieb. Darunter Temenos, Revendo, Sunrise und Lufthansa. Nicht nur Kunden, auch neue Standorte von Google Cloud in Europa sollen den Ausbau in der Schweiz flankieren: in Berlin, Paris, Mailand, Madrid und Turin.
In Zürich baut Google seine Aktivitäten massiv aus. Das Unternehmen ist seit bald 18 Jahren in der Schweiz. Vor vier Jahren hat der Konzern in Zürich an der Europaallee den Schweizer Hauptsitz bezogen – damals schon war dies das vierte Google-Gebäude in Zürich.
Die Limmatstadt ist Googles grösster Forschungs- und Entwicklungsstandort ausserhalb der USA. Die Teams in Zürich arbeiten unter anderem an Google-Diensten wie Internetsuche, Google Assistant, Google Maps, Gmail und Youtube – und jetzt auch an der Cloud.
Google überlässt nichts dem Zufall. So ist das Unternehmen dem Telekom-Verband Asut beigetreten. Asut ist der führende Verband der Telekommunikationsbranche in der Schweiz und lobbyiert für die Interessen seiner Mitglieder in Politik und Wirtschaft. Auch Microsoft ist Mitglied, AWS hingegen nicht.
Nicht nur bei den Standorten, auch bei Gewinn und Marge will (und muss) Google Cloud noch dazugewinnen, wenn es zu AWS aufholen will. Der Konzernteil schrieb im Jahr 2021 noch einen operativen Verlust von 890 Millionen Dollar, hat das Ergebnis damit aber um 1,2 Milliarden Dollar verbessert. AWS steht zwar mit einer operativen Marge von 30 Prozent und einem operativen Gewinn von mehr als 5 Milliarden Dollar im Jahr 2021 besser da. Aber die Richtung von Google Cloud stimmt.
Der Grund für Googles Margenschwäche im Cloud-Business sind die hohen Ausgaben in die Infrastruktur, in das Vertriebspersonal und den Ausbau in die Cybersicherheit. Die Expansion kostet enorm viel Geld. Erst kürzlich liess die Konzernmutter Alphabet für mehr Cybersicherheit 5,4 Milliarden Dollar springen, um die Cybersecurityfirma Mandiant zu übernehmen. Für Google beziehungsweise Alphabet ist es die zweitgrösste Übernahme der Konzerngeschichte.
Damit soll in Sachen Cybersicherheit an der Reputation und an der Kompetenz von Google Cloud gefeilt werden. Unternehmen sollen sich nicht darum sorgen müssen, dass ihre Daten in der Google Cloud nicht sicher wären.
Amazon ist im Cloud-Geschäft mit Siebenmeilenstiefeln vorangegangen und hat seinen Vorsprung in diesem Geschäft stark ausgebaut. Und Microsoft hat derweil noch eine komfortable Position auf Platz zwei mit seinem Azure-Office-Paket. Aber die Aufholjagd von Google ist nicht zu stoppen. Für Marktführer Amazon und sein Cloud-Geschäft wird es zunehmend ungemütlich.
