Kehrt die Zuversicht an den Immobilienmarkt zurück?
Die Stimmung unter den Unternehmen hellt sich laut einer Umfrage wieder etwas auf. Die Unsicherheit bleibt jedoch groß – besonders für eine Berufsgruppe.
Steigende Bauzinsen, hohe Inflation, sinkende Immobilienpreise: Über der deutschen Immobilienbranche ist nach Worten von Rolf Buch, Vorstandschef des größten Vermieters in Deutschland, ein Sturm aufgezogen. Doch nach einer aktuellen Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) in Zusammenarbeit mit dem Branchenspitzenverband ZIA, die dem Handelsblatt vorab vorliegt, sieht die Branche inzwischen erste Hoffnungsschimmer.
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Die Frühjahrsbefragung der Immobilienunternehmen „dokumentiert einen leicht wiederkehrenden Optimismus in der Branche“, heißt es in der Studie, die am Freitag veröffentlicht wird. „Die Lage der Immobilienfirmen ist aber weiter sehr schwierig“, betont IW-Experte Ralph Henger, der Mitautor der Studie ist.
„Die leichte Verbesserung des Immobilienklimas bedeutet leider für die Gesamtlage keine Trendwende“, warnt auch ZIA-Präsident Andreas Mattner. Ein absolutes Warnsignal sei, dass die Projektentwickler die Geschäftslage noch nie als so schlecht eingeschätzt hätten wie jetzt.
„Das zeigt, wo es beim Wohnungsbau ohne deutliche Kursänderungen hingehen könnte – weiter abwärts“, sagt Mattner. „Bis 2025 wird sich die Zahl fehlender Wohnungen auf 1,4 Millionen erhöhen, wenn es keine starken politischen Interventionen gibt.“ Der größte Kostentreiber bei den Immobilien sei jedoch nach wie vor der Staat.
Dennoch verbesserte sich im ersten Quartal 2023 das Immobilienklima nach einem Rekordtief im Vorquartal laut der Umfrage spürbar. Die Stimmung erreichte im Vergleich zu den letzten drei Monaten des Jahres 2022 wieder einen leicht positiven Wert von plus 1,3 Punkten.
Immobilienmarkt: Hoffnung, dass Nachfrage nach Immobilien zurückkommt
„Grund für die bessere Stimmung ist unter anderem die Hoffnung, dass die Energiekrise doch ohne große Blessuren überwunden werden kann“, so IW-Experte Henger. Zudem setze die Branche darauf, dass nach einer „Schockstarre im letzten Jahr“ stabilere Rahmenbedingungen dazu führen könnten, dass die Nachfrage nach Immobilien wieder zurückkommt.
So gibt es nach Monaten mit sinkenden Preisen auch bei Bestandsgebäuden erste Anzeichen für einen vorläufigen Stopp des Preisverfalls. Nach dem diese Woche veröffentlichten Hauspreisindex der Finanzierungsplattform Europace, der auf echten Transaktionen beruht, sind die Immobilienpreise im Februar im Vergleich zum Vormonat wieder leicht um 0,59 Prozent gestiegen.
Die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen brach zugleich zu Jahresbeginn ein. Daten des Statistischen Bundesamts zeigen als Grund die gestiegenen Zins- und Materialkosten. Der Rückgang war so stark wie seit fast 16 Jahren nicht mehr.
Entsprechend fiel der Geschäftserwartungsindex des Ifo-Instituts im Wohnungsbau für Februar auf minus 65,6 Punkte, wie das Münchener Institut vor wenigen Tagen mitteilte. Das ist der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebung im Jahr 1991. Auch die Stimmung der deutschen Immobilienfinanzierer hellte sich nach einer diese Woche veröffentlichten Erhebung des Analysehauses Bulwiengesa im Auftrag des Finanzierungsspezialisten BF Direkt im ersten Quartal 2023 nicht auf.
Projektentwickler leiden weiter unter der Situation am Immobilienmarkt
Die Unsicherheit in der Branche sei weiterhin hoch, betonte Henger. Schließlich seien weder bei der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung noch bei den Baukosten oder den Finanzierungsbedingungen klare Trends für 2023 zu erkennen.
Der Index wird vom IW Köln seit 2020 in Kooperation mit dem ZIA erstellt. Befragt für den quartalsweise erstellten Index wurden Geschäftsführer und leitende Angestellte von rund 1200 Immobilienunternehmen, von denen gut 400 Firmen regelmäßig an der Studie teilnehmen.
Am stärksten leiden laut der Umfrage nach wie vor die Projektentwickler unter der aktuellen Marktsituation. Auch im Wohnsegment würden Lage und Erwartungen nur als geringfügig besser als im Winter eingeschätzt.
Im Handelsimmobiliensektor verbesserte sich das Stimmungsbild dagegen erheblich. Traditionell unterliege das Handelssegment den größten Stimmungsschwankungen, in den ersten drei Monaten habe es jedoch einen „regelrechten Euphoriesprung“ gegeben.
Die IW-Experten führen dies auf einen kräftigen privaten Konsum zurück und auf die Hoffnung, dass die Energiepreise niedriger ausfallen als befürchtet. Nach zahlreichen Insolvenzen setze sich der Mietrückgang im Handel indes fort, heißt es einschränkend von der DZ BanIik.
Immobilien-Unternehmen halten sich bei Neubau und Sanierung zurück
Trotz eines wachsenden politischen Drucks auf den Sektor, Gebäude rasch energetisch aufzurüsten, bleiben die Firmen bei den Investitionen zurückhaltend. Laut der Umfrage will mit 45,7 Prozent der Immobilienunternehmen fast jede zweite Firma im laufenden Jahr weniger als im Vorjahr investieren.
Lediglich 26,2 Prozent gaben an, mehr Geld in Neubau- und in Modernisierungsmaßnahmen ihrer Bestandwohnungen zu stecken. Die Wohnungsunternehmen planen demnach am deutlichsten, ihre Investitionen zurückzufahren. „Der Grund hierfür dürfte darin liegen, dass der Nachfragerückgang hier am stärksten ist“, heißt es in der Untersuchung.
