Konflikte am Arbeitsplatz: Das können Führungskräfte gegen Streit im Team tun
Zur Aufgabe von Vorgesetzten gehört, Konflikte im Team zu erkennen und bei der Lösung zu helfen. Eine Wirtschaftspsychologin und Change-Managerin gibt Tipps.
Düsseldorf. Konflikte am Arbeitsplatz zeigen sich auf vielfältige Art: Da brüllen sich zwei Kollegen scheinbar wegen Kleinigkeiten an. Ein Teammitglied beschwert sich, dass es immer zuletzt informiert wird. Oder eine zuvor engagierte Mitarbeiterin trägt plötzlich in Besprechungen nichts mehr bei.
Wirtschaftspsychologin Saskia Bülow weiß aus ihrer Tätigkeit als Change-Managerin für Konzerne und Coach von Fach- und Führungskräften, dass es für Konflikte drei Hauptursachen gibt. Erstens: mangelnde Kommunikation. „Die meisten Spannungen im Jobumfeld gehen darauf zurück. Missverständnisse, Informationslücken, unklare Erwartungen beeinträchtigen die Zusammenarbeit“, sagt sie.
Auf Platz zwei sieht die Expertin Interessenkonflikte: „Unterschiedliche Ziele oder Prioritäten zwischen Mitarbeitern oder Teams sorgen für Zündstoff.“ An dritter Stelle rangierten persönliche Reibereien. „Unterschiedliche Persönlichkeiten, Arbeitsstile und Werte bergen enormes Konfliktpotenzial in Teams“, sagt Bülow. Dem Handelsblatt verrät die Expertin, was Führungskräfte tun können, um die verbreitetsten Konflikte am Arbeitsplatz zu entschärfen.
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Streit am Arbeitsplatz: Als Führungskraft Konflikte im Team erkennen
Oft sei ein Konflikt im Team wie der sprichwörtliche „Elefant im Raum“, sagt Expertin Bülow: „Etwas großes, potenziell Gefährliches beeinflusst die Gruppe, wird aber nicht thematisiert.“ Dabei gehöre es zu den Kernaufgaben einer Führungskraft, Konflikte im Team zu erkennen und dann dabei zu helfen, sie zu lösen.
Doch nicht jeder Vorgesetzte habe das nötige Maß an Sensibilität für das Zwischenmenschliche. Ob Wortgefechte zwischen Mitarbeitern oder abweisende Körpersprache – was für die eine Führungskraft die Stimmung der Gruppe offensichtlich beeinträchtige, könne einer anderen unwichtig erscheinen.
„Unterschiedliche Erfahrungen, Werte, aber auch das Geschlecht können dazu führen, dass Konflikte unterschiedlich wahrgenommen und bewertet werden“, erklärt Saskia Bülow.
Doch egal ob Frau oder Mann, Vorgesetzte seien gut beraten, neben klaren Zielvorgaben, einer verbindlichen Aufgaben- und Rollenverteilung sowie geregelten Abläufen und Informationsflüssen unbedingt für eine offene Diskussionskultur zu sorgen, in der die Mitarbeitenden Meinungen, Sorgen, Nöte, Bedenken und Kritik äußern könnten.
Dazu empfiehlt Expertin Bülow, eine wöchentliche Routine einzuführen und sich in großer Runde, aber auch in Einzelgesprächen zu erkundigen: „Wie läuft die Zusammenarbeit im Team? Gibt es Herausforderungen oder Konflikte?“ Wichtig sei, dafür zu sorgen, dass man bei diesen Gesprächen keiner einseitigen Information aufsäße, sondern ein vollständiges Bild des Teamgeschehens erhalte.
„Da es trotz aller Bemühungen Mitarbeiter gibt, die sich nicht wohlfühlen mit Feedback vor Publikum, lassen sich alternativ sogenannte Happy Sheets etablieren“, sagt die Expertin. Auf Papier oder online erhalten alle Teammitglieder zum Beispiel wöchentlich oder monatlich Fragen wie diese: „Wie geht es mir im Team?“, „Wie zufrieden bin ich mit der Teamleistung?“, „Was fehlt mir im Team?“ und „Worüber wundere ich mich?“
Jeder Mitarbeiter antwortet anhand einer Skala. Diese reicht zum Beispiel analog zu Schulnoten von „sehr gut“ bis „mangelhaft“ oder zeigt verkürzt ein „lachendes“, ein „neutrales“ und ein „trauriges“ Gesicht zum Anklicken oder Ankreuzen. „Happy Sheets bieten einer Führungskraft nicht nur eine Momentaufnahme des emotionalen Team-Zustands, sondern zeigen auch eine Entwicklung“, sagt Bülow.
Damit schafften sie Anknüpfungspunkte für Diskussionen über Unzufriedenheiten oder schwelende Konflikte. Happy Sheets seien auch für größere Gruppen wie Abteilungen oder Geschäftsbereiche geeignet.
Konflikte am Arbeitsplatz: So greifen Sie als Chef ein
1. Ursachenanalyse: Zeigt sich ein Konflikt, in den sich die Führungskraft einschaltet, gilt es, neutral zu sein und zunächst einzeln mit den beteiligten Parteien zu sprechen, um ihre jeweilige Perspektive, Bedenken oder Kritik zu verstehen. „Wichtig ist eine unvoreingenommene, gründliche Analyse, um die Ursachen, Interessen und Bedürfnisse der Konfliktparteien zu identifizieren“, sagt die Mediatorin.
Und darum, die Dynamik des Konflikts sowie mögliche Lösungswege zu erkennen. Es mache durchaus einen Unterschied, wie viele Beteiligte es gebe, ob sich womöglich eine Front innerhalb des Teams gebildet habe und wie lang ein Streit schon schwele.
Bülow rät: „Erkundigen Sie sich bei jedem Beteiligten: welche Herausforderungen er oder sie in der Zusammenarbeit mit anderen Teammitgliedern erlebt, ob bestimmte Situationen oder Ereignisse zu Spannungen oder Konflikten geführt haben oder auch welche Erwartungen an die anderen Teammitglieder erfüllt oder nicht erfüllt wurden.“
Wichtig sei auch die Frage nach dem Anteil, den das Gegenüber selbst im Konflikt hat, beziehungsweise welche Rolle er oder sie in der Auseinandersetzung spielt. „Betonen Sie, dass alle ihre Standpunkte äußern können, ohne Angst vor negativen Konsequenzen haben zu müssen, und dass Sie die erhaltenen Informationen vertraulich behandeln“, sagt Bülow. Im Gespräch unter vier Augen sei es ratsam, sich auch nach Lösungsvorschlägen und Kompromiss-Ideen zu erkundigen.
2. Frieden schließen: Sind alle Seiten angehört, geht es darum, die Konfliktparteien zusammenzubringen. Wie das konkret aussieht, schildert die Expertin an einem Klassiker aus ihrer Mediationspraxis: Zwei Teammitglieder geraten aneinander – meist wegen persönlicher Differenzen, unterschiedlicher Arbeitsstile oder unklarer Kommunikation. Folgendes Vorgehen sei erfolgsversprechend:
Der Führungskraft rät Bülow, zu Beginn der Begegnung klarzustellen, dass es darum gehen solle, Missverständnisse auszuräumen, um gemeinsam zu einer Lösung des Konflikts zu kommen und so zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zu finden. Dabei sollte der Vorgesetzte die eigene Rolle als unparteiischer Vermittler betonen. „Erwähnen Sie aber auch, dass Sie von allen Beteiligten Fairness und Respekt erwarten – und Schuldzuweisungen keine adäquate Lösung sind“, erklärt Bülow.
Um die beiden Kontrahenten ins Gespräch zu bringen, empfiehlt die Expertin, sie zunächst dazu zu ermutigen, „offen über ihre persönliche Sicht der Dinge, ihre Gefühle und Wünsche zu sprechen.“
Nachdem jeder dran war, geht es darum, gegenseitiges Verständnis zu entwickeln. „Ermutigen Sie die Teammitglieder, sich in die Lage des anderen zu versetzen, um so die Motivationen, Verletzungen und Bedürfnisse des Gegners besser zu verstehen“, sagt Bülow.
Ist der Ton der Auseinandersetzung vor dem Schlichtungsversuch bereits scharf geworden oder sind Beschimpfungen gefallen, kann der Vermittler darauf hinweisen, dass die Parteien Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen und solche Fehler eingestehen oder sich dafür entschuldigen sollten.
Als Nächstes sollte die Führungskraft die Konfliktparteien dazu ermutigen, nach Kompromissen oder gemeinsamen Lösungen zu suchen, die den Interessen und Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht werden. Dabei kann der oder die Vorgesetzte unterstützen. Expertin Bülow empfiehlt en détail: „Erkundigen Sie sich, was jeder braucht und sich wünscht, um entspannt miteinander zu arbeiten, und ob das Gegenüber diesbezüglich entgegenkommen kann beziehungsweise was er oder sie dafür erwartet.“
Lassen Sie die Kotrahenten dann selbst Vereinbarungen treffen. „Das stärkt das Vertrauen ineinander, hilft, Brücken zu bauen und eine positive Atmosphäre zu schaffen.“ Dem Moderator rät die Mediatorin, „die gemeinsamen Ziele und Werte zu betonen. Und den Kontrahenten zu zeigen, wie ein friedliches Arbeitsklima und eine konstruktive Zusammenarbeit dazu beitragen kann, diese Ziele zu erreichen.“
3. Fortschritt überwachen: „Nachdem eine Lösung gefunden wurde, sollte die Führungskraft sicherstellen, dass die Vereinbarungen eingehalten werden“, sagt Expertin Bülow und rät zu Geduld und Ausdauer: „Erkundigen Sie sich regelmäßig bei beiden Beteiligten, wie es läuft, ob sie den Konflikt hinter sich lassen können und sich von der Auseinandersetzung erholen.“ Bieten Sie bei Bedarf weitere Unterstützung an, vom Kommunikationstraining bis zum persönlichen Coaching.
Mediatorin Bülow weiß aber auch, dass manchmal trotz aller guter Absichten der Führungskraft unüberbrückbare Kluften bestehen bleiben. Das ist vor allem dann der Fall, wenn ein Mitarbeiter ethische Prinzipien verletze, sich etwa erneut diskriminierend äußere, übergriffig verhalte oder es trotz aller Aufforderungen und angebotenen Hilfen, sich zu ändern, an Teamgeist oder Leistung mangeln lasse.
„Dann muss ein Vorgesetzter auch in der Lage sein, zu erkennen, dass nur noch eine Trennung von einem Mitarbeitenden einen Dauerkonflikt beenden kann.“
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