Langnese und Magnum: Unilever spaltet Eis-Geschäft ab und streicht Stellen
Das Geschäft mit Eiscreme wirft bislang zu wenig Gewinn ab. Darum will Konzernchef Hein Schumacher den Konsumgüterriesen umbauen – und prominente Marken abspalten.
London, Düsseldorf. Der Konsumriese Unilever spaltet im Zuge eines Sparprogramms sein Eiscreme-Geschäft ab. Marken wie Langnese, Magnum oder Ben & Jerry’s sollen ausgelagert werden, kündigte das britische Unternehmen am Dienstag an. Zudem will der Konzern, zu dem auch Marken wie Axe-Deo oder Knorr-Fertigprodukte gehören, 7500 seiner insgesamt 128.000 Stellen abbauen.
Die Abspaltung ist die Folge eines Konzernumbaus, mit dem der neue Vorstandschef Hein Schumacher Unilever zu mehr Wachstum verhelfen will. Der Niederländer hatte die Führung von Unilever im vergangenen Jahr nach dem Einstieg des aktivistischen US-Investors Nelson Peltz übernommen.
Schumacher kündigte im Herbst an, sich auf 30 Schlüsselmarken zu konzentrieren, die für 70 Prozent des Umsatzes stehen. „Unsere Idee ist es, weniger Dinge besser und mit größerer Wirkung zu tun“, sagte der Unilever-Chef. „Speiseeis ist wirklich ein anderes Geschäft.“
Unilever krankt seit Jahren an einer schwachen Margen- und Aktienentwicklung. Wie andere Konsumgüterkonzerne kämpfen die Londoner angesichts der Inflation mit zurückhaltend einkaufenden Verbrauchern. Zudem belasten hohen Kosten für Rohstoffe, Logistik und Energie die Bilanz.
Das Eiscreme-Geschäft erlöste vergangenes Jahr 7,9 Milliarden Euro und damit 13 Prozent des Konzernumsatzes. Die Sparte entwickelte sich so schwach wie keine andere von Unilever. Der Umsatz wuchs nur um gut zwei Prozent, während der Konzern insgesamt um sieben Prozent zugelegt hat.
Der Eiscreme-Absatz ging deutlich um sechs Prozent zurück, Unilever hat damit Marktanteile verloren. Angesichts gestiegener Lebenshaltungskosten sind viele Verbraucher zu günstigeren Handelsmarken gewechselt. Zudem war der Sommer 2023 nicht so sonnenreich wie in den Vorjahren.
Unilever-Aktie legt nach den Zahlen zu
Analysten hatten schon länger darüber spekuliert, dass sich Unilever von seinem Speiseeis-Business trennen könnte. Das Eiscreme-Geschäft gilt als kapitalintensiv, etwa weil entlang der gesamten Lieferkette gekühlt werden muss. Zudem ist es saisonaler als der Verkauf von Wasch- oder anderen Lebensmitteln.
„Wir glauben, dass eine Abtrennung von Speiseeis angesichts des langsameren Profils und des Mangels an Kostensynergien sinnvoll ist“, begrüßte James Edwardes Jones vom Finanzdienstleister RBC Capital Markets in London den Schritt. Auch an der Börse kamen die Ankündigungen gut an. Unilever-Aktien stiegen in London um bis zu sechs Prozent und steuerten auf den größten Tagesgewinn seit fast zwei Jahren zu.
Der Konzern prüft mehrere Optionen, sich von seinem Eiscreme-Geschäft zu trennen. Als wahrscheinlichste gilt, das abgespaltene Geschäft als eigenständiges Unternehmen an die Börse zu bringen. Der Prozess soll bis Ende 2025 abgeschlossen sein. Analysten der britischen Großbank Barclays schätzen den Marktwert der Sparte auf bis zu 17 Milliarden Euro.
Unilever rechnet damit, dass der Umsatz nach der Abspaltung im mittleren einstelligen Prozentbereich steigen wird. Die Marge werde sich moderat verbessern. „Die Abspaltung hilft uns dabei, einen simpleren, fokussierten und leistungsstärkeren Konzern zu kreieren“, sagte Verwaltungsratschef Ian Meakins.
7500 Stellen sollen gestrichen werden
Darüber hinaus will der Konzern mit einem Effizienzprogramm in den nächsten drei Jahren rund 800 Millionen Euro einsparen. Unilever will etwa die Produktionsprozesse optimieren, aber auch 7500 Stellen streichen – hauptsächlich im Management und in der Verwaltung. Wie viele Stellen in Deutschland betroffen sind, war zunächst nicht bekannt.
Hierzulande beschäftigt Unilever in der Hamburger Hauptverwaltung und fünf Produktionsstandorten rund 3000 Mitarbeiter. Eiscreme wird im hessischen Heppenheim produziert, dort arbeiten 600 Beschäftigte in der Produktion. Sie dürften nicht von einem Stellenabbau betroffen sein.
„Wir sind von der Nachricht schockiert“, sagte Konzernbetriebsratsvorsitzender Hermann Soggeberg dem Handelsblatt. Das Eiscreme-Geschäft habe in Europa eine lange Tradition und über viele Jahre für Wachstum gesorgt. „Das Management agiert mit der Abspaltung wieder einmal sehr fantasielos.“
Tatsächlich hat Unilever in der Vergangenheit mehrere Geschäfte abgespalten. 2018 trennte sich der Konzern von seinem Margarine-Geschäft mit Marken wie Lätta oder Rama. Auch die Teesparte, die durch die Marke Lipton-Eistee bekannt ist, wurde veräußert. Erst im Dezember verkaufte Unilever auch den Q-Tips-Wattestäbchenhersteller Elida Beauty.
Mit der Abspaltung der Eismarke Ben & Jerry’s hat Unilever zudem eine Sorge weniger. Nach der Übernahme der Newcomer-Marke im Jahr 2000 hatten politische Äußerungen und Aktionen des weiterhin unabhängigen Vorstands von Ben & Jerry’s wiederholt zu internen Konflikten geführt. 2022 legte Unilever einen Rechtsstreit mit dem Vorstand von Ben & Jerry’s bei, nachdem sich die Marke gegen den Verkauf ihrer Produkte im israelisch besetzten Westjordanland ausgesprochen hatte. Unilever hatte daraufhin das Israel-Geschäft von Ben & Jerry's verkauft, was dem Vorstand missfiel.
Auch Konkurrenten haben Eisgeschäft abgespalten
Unilever-Konkurrent Nestlé hatte bereits 2016 sein Eiscreme-Geschäft mit Marken wie Mövenpick, Schöller oder Häagen Dazs weitgehend abgespalten. Die Sparte wurde in das Joint Venture Froneri ausgelagert. Nestlé und Finanzinvestor PAI halten daran jeweils die Hälfte. Lediglich das Eiscremegeschäft in Asien, Kanada und Lateinamerika betreibt Nestlé weiter komplett in Eigenregie. Investor PAI erwägt nun, seine Anteile an Froneri in der zweiten Jahreshälfte zu verkaufen.
Die Trennung vom Speiseeis-Geschäft hat für die Konzerne einen positiven Nebeneffekt: Eiscreme hat mit Milch und Sahne als Hauptzutaten einen relativ großen CO2-Fußabdruck. Mit der Abspaltung lässt sich die Klimabilanz des Konzerns verbessern. Unilever hat sich das Ziel gesetzt, bis 2039 Netto-Null-Emissionen in der gesamten Wertschöpfungskette zu erreichen.
Der Konzern besteht künftig noch aus vier Segmenten, die vor allem auf Wasch- und Reinigungs- sowie Nahrungsmittel fokussiert sind. Eine Vereinfachung des Portfolios führe dazu, die Produktivität zu steigern und mehr in das Geschäft zu investieren, so CEO Schumacher.
Der frühere Chef der niederländischen Großmolkerei Friesland Campina hatte im Juli 2023 Alan Jope als Vorstandschef abgelöst, der Anfang 2022 mit dem Versuch gescheitert war, die Konsumgütersparte des britischen Pharmakonzerns Glaxo-Smithkline für 57 Milliarden Euro zu übernehmen.
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