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In vielen Branchen finden Unternehmen immer schwerer geeignete Fachkräfte. Die Verantwortung dafür schieben sie häufig anderen zu, so eine aktuelle Studie. Dabei könnten sie selbst viel mehr tun.

Von Julia Wehmeier

Qualifizierte Mitarbeiter können sich in vielen Branchen mittlerweile aussuchen, für welches Unternehmen sie arbeiten. Für Personalmanager bedeutet das, dass sie mehr aufwenden müssen, um neues Personal zu finden und gut ausgebildete Kollegen langfristig zu halten. Viele setzen neue, kostspielige Rekrutierungsprogramme auf, investieren in die Personalsuche und präsentieren sich als innovative Arbeitgeber. Die eigenen Führungskräfte zeigen sich von den Bemühungen allerdings wenig beeindruckt. In einer aktuellen Untersuchung der Personalberatung Hays gaben drei Viertel der befragten Führungskräfte an, dass ihr Unternehmen beim Thema Personalsuche nicht gut aufgestellt sei. Befragt wurden 1000 Führungskräfte aus Unternehmen ab 100 Mitarbeitern, darunter Abteilungsleiter, Bereichsleiter und Teamleiter. Sie schieben die Verantwortung für fehlendes Fachpersonal ein Stück weit von sich weg und hin zu anderen Akteuren, etwa dem deutschen Bildungssektor, den jeder zweite Befragte als zentrale Ursache sieht. Dass fehlende Fachkräfte eine kritische Herausforderung für die Wirtschaft und ein strukturelles Problem sind, bestreitet nur eine Minderheit; die Auswirkungen beobachten die Befragten in ihrem Fachbereich: Stellen bleiben länger frei, können nicht optimal besetzt werden, und die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter steigt.

Die Auslöser des Fachkräftemangels sehen die Manager beim demografischen Wandel, der Globalisierung, bei technologischen Entwicklungen und einem trägen Bildungssystem in Deutschland. "Viele Unternehmen sind sich der eigenen Verantwortung nicht bewusst", schreiben die Autoren der Studie. Schließlich seien besonders der demografische Wandel mit älter werdenden Mitarbeitern und auch der technologische Wandel mit neuen digitalen Herausforderungen keine überraschenden Trends, sondern tatsächlich schon längerfristig vorhersehbar gewesen. Zwei Drittel der Befragten verneinen, dass Unternehmen Nachholbedarf beim Thema Flexibilität haben oder auf andere Weise selbst mitverantwortlich für fehlendes Fachpersonal sind. Vom Bildungssystem fordern sie einen stärkeren Fokus auf praktische Fertigkeiten, auf Team- und Projektarbeit sowie auf IT-Fachkompetenz.

Die Studie hat sieben zentrale Handlungsfelder untersucht, in denen Unternehmen es selbst in der Hand haben, dem Fachkräftemangel wirksam zu begegnen: Attraktivität als Arbeitgeber, Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter, Rekrutierung und Nachwuchsförderung, strategische Planung des Personalbedarfs, Automatisierung und Digitalisierung, Outsourcing und flexible Beschäftigung, Geschäftsausrichtung und Standortpolitik. Den größten Handlungsbedarf sehen Führungskräfte bei der Arbeitgeberattraktivität. Was verstehen sie darunter? Zu 56 Prozent eine bessere Bezahlung der Mitarbeiter, gefolgt von mehr Flexibilität bei Arbeitszeiten und -orten sowie die Schaffung einer modernen Unternehmenskultur, die Selbstorganisation und Agilität unterstützt. Auch der Aufbau einer besseren Infrastruktur, technisch und räumlich, sei wichtig.

Beim Thema Kompetenzerwerb der eigenen Mitarbeiter sind die Führungskräfte ebenfalls skeptisch. Zwar finden sie es wichtig, dass Mitarbeiter regelmäßig und intensiv neue Fähigkeiten erlernen, sehen bei firmeneigenen Lernprogrammen aber noch viel Luft nach oben. Die Mehrheit der Unternehmen setzt auf klassische Weiterbildungsangebote und scheut sich davor, neue Methoden auszuprobieren. Die Autoren bemängeln, dass zu selten kreative Möglichkeiten gesucht werden, wie die Förderung von Vernetzung und Austausch oder die Bereitstellung eines Lernbudgets.

Sie schlussfolgern: "Larmoyanz, gepaart mit Schuldzuweisungen an das träge Bildungssystem, hilft Unternehmen nicht weiter." Gefragt sei vor allem eine neue Grundhaltung, die das veränderte Kräfteverhältnis auf dem Arbeitsmarkt widerspiegelt und beim Thema Rekrutierung neue Wege geht. Dazu gehört auch, den Personalbedarf strategischer zu planen und Mitarbeiter flexibler einzusetzen.

© HBM 2019

Ergänzend zur Studie hier ein Interview mit Gunther Olesch, Geschäftsführer Personal von Phoenix Contact:

"Headhunter haben hier Schwierigkeiten"

Das Unternehmen Phoenix Contact bekommt viel mehr Bewerbungen, als es offene Stellen gibt, obwohl es in der Provinz sitzt und nach Tarif bezahlt. Gunther Olesch, Geschäftsführer Personal von Phoenix Contact, im Gespräch mit HBM-Redakteurin Julia Wehmeier darüber, warum so viele Menschen bei ihm arbeiten wollen und welche Rolle Führungskräfte im Unternehmen dabei spielen.

Herr Olesch, Ihr Unternehmen leidet nicht wie viele andere unter dem Fachkräftemangel. Wie schaffen Sie das?

Olesch Wir haben bei Kununu und anderen Plattformen zur Arbeitgeberbewertung sehr gute Noten als Industrieunternehmen, daran orientieren sich Bewerber. Wir bekommen in der Spitzenzeit mehr als 1000 Bewerbungen im Monat, obwohl wir in Blomberg in Ostwestfalen sitzen, das ist wirklich nicht sehr zentral. Aber die Menschen kommen bewusst zu uns, obwohl sie auch in München, Berlin oder Hamburg arbeiten könnten. Denn vielen ist es wichtig, dass auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird und sie nicht nur eine Nummer im Großkonzern sind; das gilt insbesondere für Menschen der Generation Y oder Z.

Wie finden Sie denn heraus, was die Mitarbeiter wollen?

Olesch Wir führen alle zwei Jahre weltweit eine umfangreiche Mitarbeiterbefragung durch. Das ist ein Katalog von 50 Fragen, die Mitarbeiter antworten per Mausklick in ihrer Landessprache, in Korea auf Koreanisch, in Brasilien auf Portugiesisch.

Sind die Anforderungen überall im Unternehmen gleich?

Olesch Nein, die unterscheiden sich sogar von Abteilung zu Abteilung. In Abteilung A möchte vielleicht jemand mehr in die strategischen Ziele des Unternehmens eingebunden sein, in Abteilung B mehr Feedback bekommen, andere wollen mehr Gesundheitsmanagement. Grundsätzlich beobachten wir aber, dass Wertschätzung ganz oben auf der Liste steht. An zweiter Stelle liegt Sinnhaftigkeit der Arbeit, an dritter Work-Life-Balance.

Wie wählen Sie aus, was Sie umsetzen?

Olesch Die Vorgesetzten sollen primär auf die drei wichtigsten Punkte in ihrem Team eingehen. Das heißt, jeder Vorgesetzte wird nach einer Befragung verpflichtet, sich mit seinen Mitarbeitenden zusammenzusetzen und diese Liste durchzugehen. So merken sie, dass auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird. Es ist Aufgabe der Führungskräfte, sich an den Bedürfnissen der Beschäftigten zu orientieren. Bei leitenden Führungskräften gibt es eine variable Vergütung, in der neben Umsatz- und Gewinnzielen auch die Beurteilung der Mitarbeitenden eine Rolle spielt. Viele Unternehmen rühmen sich damit, dass bei ihnen die Mitarbeitenden im Mittelpunkt stehen – und bezahlen ihre Manager dann doch nur nach Umsatz und Ertrag. Wo stehen denn da bitte die Mitarbeitenden im Mittelpunkt?

Viele verstehen unter New Work offene Büros und flexible Arbeitszeiten. Gibt es das bei Ihnen auch?

Olesch Ganz ehrlich, diese Diskussion halte ich für nicht umfassend genug. Deutschland ist ein Industriestandort, kein reiner Büroarbeitsplatzstandort. Und Industrie heißt Dreischichtsystem. Diese Mitarbeitenden werden bei dem Konzept gar nicht berücksichtigt. Eine Maschine, die bei uns zehn Tonnen wiegt, kann niemand mit ins Homeoffice nehmen. Wir dürfen die Arbeiter nicht vergessen beim Thema Flexibilität. Für die müssen wir auch Rahmenbedingungen schaffen, das heißt Arbeitsplätze, wo sie sich auch mal zurückziehen können. Eine Arbeitsgruppe, die feststellt, dass eine Maschine häufiger steht, braucht separate Räumlichkeiten, um in Ruhe darüber diskutieren zu können. Dort müssen wir noch viel mehr ansetzen. Wir haben in vielen Bereichen Gleitzeit, und natürlich gibt es die Möglichkeit, auch mal eine Stunde später zu kommen. Aber dann muss ich organisieren, wer die Stunde übernimmt, damit die Maschine nicht stillsteht. Wer in der Autoindustrie in der Produktion im Akkord arbeitet, kann auch nicht einfach mal zum Kickertisch gehen.

Und führt das auch dazu, dass die Mitarbeiter länger bei Ihnen bleiben?

Olesch Unsere Fluktuation ist sehr niedrig, sie liegt bei 0,8 Prozent. Hier rufen viele Headhunter an, die aber Schwierigkeiten haben, die Mitarbeitenden abzuwerben. Das gilt auch für mich. Ich bin damals für fünf Jahre gekommen, mittlerweile sind es mehr als 30. Ich bekomme auch Anrufe, mit teilweise sehr guten Angeboten. Aber warum sollte ich hier weg? Es macht mir einfach viel Freude, hier zu arbeiten. 

Mit Gunther Olesch sprach HBM-Redakteurin Julia Wehmeier.

© HBM 2019

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