Trucks stauen sich auf der A12 Richtung Polen: Brummis machen 25 Prozent der CO2-Emissionen des Straßenverkehrs aus. Die - dpa
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Neue CO2-Grenzwerte: Wie diese Spedition ihre Lkw-Fahrer vom Tempolimit 80 überzeugte

Verbittert streitet die Politik um weniger klimaschädliche Lkw. Dabei ließe sich mit kleinen und günstigen Maßnahmen viel Diesel und damit CO2 einsparen, wie eine Hildesheimer Spedition beweist.

Es war ein zähes Ringen in Brüssel: Bis zuletzt drohte die FDP im Februar, eine europäische Einigung auf strengere Flotten-Grenzwerte für Lkw zu blockieren. Erst als sich das Kanzleramt eingeschaltet hatte, gab das Verkehrsministerium sein Veto auf. Der Streit mag damit vorerst beigelegt sein, in der Sache aber ändert sich zunächst nichts: Denn Lkw werden noch für viele Jahre vorrangig mit Diesel fahren.

Damit sind sie ein wachsendes Klimaproblem. Lkw sind einer der Gründe, warum der Verkehr, anders als etwa Industrie und Stromwirtschaft, nicht von seinen hohen CO2-Emissionen herunterkommt. Trotz ihrer im Vergleich zu Pkw geringen Zahl sind Lkw für mehr als ein Viertel der Emissionen des Straßenverkehrs verantwortlich. Weil immer mehr Güter auf der Straße transportiert werden, steigen die Lkw-Emissionen (mit Ausnahme des Corona-Jahres 2020) seit langer Zeit immer weiter an.

Dabei ließe sich der CO2-Ausstoß der Lkw-Flotte schon heute deutlich reduzieren – preisgünstig und sehr schnell: 35 Prozent weniger Kraftstoff (und damit 35 Prozent CO2) wären drin, ohne dass auch nur ein Lkw durch einen Batterie- oder Wasserstofftruck ersetzt werden müsste.

Einige der Maßnahmen erfordern kleinere Investitionen, etwa Reifen mit geringem Rollwiderstand. Knapp zehn Prozent Sprit und CO2 aber ließen sich von heute auf morgen ohne Investitionen einsparen: Indem die Lkw auf der Autobahn maximal auf die gesetzlich erlaubten 80 Stundenkilometer, statt wie heute 90 oder mehr, beschleunigen. Das haben Auswertungen von Messungen in Österreich und von deutschen Spediteuren ergeben.

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Im Graubereich notorisch zu schnell

Eigentlich gibt es längst eine gesetzliche Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit für Lkw über 3,5 Tonnen. Auf Autobahnen liegt sie bei 80 Kilometern pro Stunde (km/h). Doch es ist ein offenes Geheimnis, dass dort fast alle schweren Trucks schneller unterwegs sind. Anekdotisch kann das jeder Pkw-Fahrer bestätigen, der einmal versucht hat, mit genau 80 auf der rechten Spur der Autobahn zu fahren: Der erste deutlich schnellere Lkw, der sich der eigenen Stoßstange nähert, wird nicht lange auf sich warten lassen.

Jenseits solcher privaten Einzelerfahrungen ist die Datenbasis zwar etwas dünn. Eine Studie der Arbeiterkammer Wien immerhin ergab ein ziemlich klares Bild: Demnach überschritten mehr als 91 Prozent der rund 6300 erfassten schweren Lkw (über 7,5 Tonnen) und mehr als 95 Prozent der leichteren Trucks konsequent das Tempolimit von 80 km/h. Technisch abgeregelt sind die meisten Lkw erst bei 91 bis 95 km/h.

Das verbreitete zu schnelle Fahren liegt nach Meinung von Kritikern an den noch immer milden Bußgeldern bei geringen und mittleren Geschwindigkeitsüberschreitungen. Sein Gefühl sei, „dass fast alle Kollegen ziemlich genau an die Grenze heran Gas geben, ab der es teuer wird“, kommentiert ein Wuppertaler Spediteur. Und das sind ziemlich genau die 95 km/h oder 15 km/h zu schnell, bei denen schwere Trucks technisch abgeregelt sind: Wer zum Beispiel mit seinem Sattelschlepper mit 94 km/h auf der Autobahn erwischt wird, kommt mit 78 Euro Bußgeld davon; ab 96 km/h statt der erlaubten 80 schnellt das Bußgeld hoch auf 170 Euro. Einmonatige Fahrverbote drohen erst ab 31 km/h zu viel – satte 111 Stundenkilometer mit einem schweren Truck.

„Vorteile überwiegen klar den etwas größeren Zeitbedarf“

Dabei könnten Spediteure viel Geld sparen, hielten sie sich an die gesetzliche Höchstgeschwindigkeit, sagt Axel Friedrich. Der Berliner Umwelttechniker führt regelmäßig Lärm- und Emissionsmessungen durch; von 1994 bis 2008 war er Abteilungsleiter Verkehr im Umweltbundesamt. Für den Technischen Chemiker ist die Sache klar: „Die Vorteile – weniger Lärm, Schadstoffe wie NOx, Kraftstoffverbrauch und damit weniger CO2-Ausstoß – überwiegen klar den etwas größeren Zeitbedarf“.

Die Physik ist eindeutig: Während der Rollwiderstand der Reifen bei steigender Geschwindigkeit kaum zunimmt, steigt der Luftwiderstand eines Fahrzeugs im Quadrat zum Tempo. Und weil Lkw mit ihrer großen Stirnfläche ohnehin sehr viel Luft verdrängen müssen, wirkt sich jedes km/h mehr ganz erheblich auf ihren Spritverbrauch aus. Es gebe aber eine Untergrenze, jenseits derer das Schleichen auf der rechten Spur nicht mehr sinnvoll sei, erklärt Ex-UBA-Verkehrschef Friedrich: „Bei 60 bis 65 km/h muss bei den meisten Modellen in einen kleineren Gang geschaltet werden, dann wird die Spritersparnis dank des geringeren Luftwiderstands durch die höhere Drehzahl der Motoren teilweise konterkariert.“

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Zehn Tipps zum Sprit sparen

Motor aus

Auch bei kurzen Stopps vor Ampeln oder im Stau den Motor abschalten. Beim Anlassen kein Gas geben!

Quelle: Auto Club Europa

Früh hochschalten

Immer im höchstmöglichen Gang fahren – frühzeitig hochschalten: Den ersten Gang nur zum Anrollen nutzen, ab etwa 25 km/h im dritten Gang, 50 km/h im fünften Gang fahren.

Richtig beschleunigen

Kraftvoll beschleunigen, dazu Gaspedal zu etwa zwei Dritteln durchtreten, dann ohne Gasgeben rollen lassen.

Nicht unnötig bremsen

Vorausschauend fahren, rechtzeitig vom Gas gehen, um unnötiges Bremsen zu vermeiden.

Gleichmäßig fahren

Gleichmäßiges Tempo einhalten, mindestens 20 Prozent unter der Höchstgeschwindigkeit bleiben.

Richtiger Reifendruck

Den Reifendruck auf den Wert erhöhen, der für volle Beladung oder hohe Geschwindigkeiten empfohlen wird. Regelmäßig kontrollieren.

Ballast ausladen

Den Kofferraum entrümpeln, Dachträger nach Gebrauch sofort entfernen.

Regelmäßige Wartung

Das Auto regelmäßig zur Inspektion bringen, bei jeder Wartung Zündungs- und Leerlaufeinstellung kontrollieren lassen.

Das Auto stehen lassen

Häufiger öffentliche Verkehrsmittel nutzen oder Fahrgemeinschaften gründen. Kurzstrecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen.

Route planen

Die Fahrtroute planen, Staus umfahren, die gleitende Arbeitszeit nutzen, um die Spitzen des Berufsverkehrs zu meiden

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Praxistests mit Millionen Kilometern

Die Hildesheimer Spedition Bartkowiak hat das mit ihren mehr als 50 Sattelschleppern aufwendig über ein Jahr lang getestet. Eine Testgruppe ihrer Lkw-Fahrer durfte bis zu 90 km/h in der Spitze fahren, die andere nur 80. „Das Ergebnis war eindeutig“, berichtet Flottenmanager Andreas Manke. Fünf bis zehn Prozent weniger Sprit bringt, je nach Typ, Gewicht und Topografie der Strecke, allein die relativ bescheidene Reduktion der Höchstgeschwindigkeit um zehn km/h auf die gesetzlich erlaubten 80. Die Spedition zog eine klare Konsequenz: Seit dem Versuch sind die technischen Geschwindigkeitsbegrenzer der über 50 schweren Trucks, die sogenannten Speedlimiter, auf rund 80 km/h gestellt.

Die Fahrer seien davon anfangs natürlich wenig begeistert gewesen, erzählt Flottenmanager Manke. Sie befürchteten längere Arbeitszeiten und mehr Stress mit Kunden. Das habe sich jedoch nicht bewahrheitet, sagt Manke: Die Auswertung der Telematikdaten ergab, dass der Zeitaufwand insgesamt durch das konsequente 80-Fahren kaum stieg. Die Fahrer loben inzwischen die neue Hausregel, sie geben an, entspannter zu sein, und für die Kraftstoffersparnis bekommen sie einen Bonus.

An die 50 Millionen Lkw-Kilometer hat die Hildesheimer Spedition ausgewertet. „Insgesamt kann man mit ein und derselben Zugmaschinenflotte sogar noch deutlich mehr Diesel pro Kilometer sparen, nämlich 35 Prozent“, erläutert Manke. Der größte Batzen, rund zehn Prozent, lässt sich durch das kontinuierliche 80-Fahren einsparen. Messungen, sowohl aus den Bordcomputern, als auch empirisch, durch Nachtanken, ergaben bei Bartkowiak einen Durchschnittsverbrauch von 21,3 Litern für die langsameren und von 23,91 Litern pro 100 Kilometer für die schnelleren Lkw. Annähernd genauso viel Diesel konnte die Spedition durch einen besonders aerodynamischen Auflieger sparen, einen Prototyp des Anhängerherstellers Schmitz Cargobull.

Spezielle Schulungen der Fahrer bringen rund acht Prozent, Verkleidungen an den Seitenflächen der Sattelzüge und auf dem Dach der Zugmaschine sowie Reifen mit besonders geringem Rollwiderstand jeweils rund fünf Prozent. Und schließlich: „Der Truck muss zur Aufgabe passen“, weiß Manke. Viele Speditionen fahren mit 12-Zylinder-700-PS-Maschinen durch die Gegend, wo 450 PS völlig ausreichen. Faustformel: „Pro Tonne Gesamtgewicht zehn PS“, sagt Manke.

Insgesamt sind es neun Punkte, die zusammen mehr als ein Drittel des Dieselverbrauchs einsparen können. Manke hat die neun Spritsparpunkte in Anlehnung an die Steuererklärung eines bekannten Unionspolitikers auf einen Bierdeckel drucken lassen.

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