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Pflichtteil? So enterben Sie Kinder und Ehepartner

Der Fall um Multimilliardär Thiele zeigt: Angehörige vom Pflichtteil des Erbes auszuschließen oder Schenkungen zurückzuholen ist schwierig. Dennoch ist es möglich.

Henrik Thiele, Sohn des verstorbenen Multimilliardärs Heinz Hermann Thiele, wurde enterbt. Von den 17 Milliarden Euro, die sein Vater unter anderem mit dem Autozulieferer Knorr-Bremse angehäuft hat, sieht er keinen Cent.

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Er hatte zu Lebzeiten seines Vaters eine Vereinbarung unterschrieben, auf seinen Pflichtteil zu verzichten, erhielt dafür im Gegenzug eine Abfindung von 25 Millionen Euro. Die ficht er nun gerichtlich an – bislang ohne Erfolg.

Nahen Angehörigen steht auch nach einer Enterbung normalerweise ein Pflichtteil zu – doch der kann vermieden werden. Carmen Mielke-Vinke, Fachanwältin für Erbschafts- und Steuerrecht bei der Kanzlei Rose & Partner, sieht im Pflichtteilsverzicht „das wirksamste Instrument“, Angehörige von ihrem Anspruch auszuschließen.

Auch das Gesetz liefert Gründe, den Pflichtteil zu entziehen. Ist beides nicht möglich, gibt es noch ein finales Mittel, das Erbe in die richtigen Hände zu geben.

Das Handelsblatt erklärt, wie Sie Vermögen von unliebsamen Angehörigen fernhalten und welche rechtlichen und steuerlichen Fallstricke lauern.

Grundsätzlich darf jeder Erblasser frei entscheiden, wer sein Vermögen erben darf und wer enterbt werden soll. Doch nicht jeder, der enterbt wird, geht automatisch komplett leer aus. Laut Erbrecht steht den nächsten Angehörigen immer eine Mindestbeteiligung zu, der sogenannte Pflichtteil. Er beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

Anspruch auf einen Pflichtteil haben der Ehepartner beziehungsweise die Ehepartnerin sowie die Kinder. Sind die Kinder bereits verstorben, geht der Anspruch auf deren Nachkommen über. Gibt es weder Kinder noch Abkömmlinge, steht der Pflichtteil den Eltern des Erblassers zu.

Markus Frank, Fachanwalt für Handels- und Gesellschafts- sowie Steuerrecht bei der Kanzlei Gentz in Berlin erklärt: „Soll eine Person keinen Cent vom Erbe sehen, muss sowohl ihr Pflichtteil entfallen und zusätzlich muss sie im Rahmen eines Testaments enterbt werden.“ Trifft der Erblasser keine letztwillige Verfügung, wird der Angehörige gegebenenfalls trotz Pflichtteilsverzicht gesetzlicher Erbe des Verstorbenen. Er erbt dann seinen vollen gesetzlichen Anteil.

Der Pflichtteilsentzug beim Erbe wird bei Unternehmen wichtig

Während ein Erbe auch aus materiellen Vermögenswerten bestehen kann, ist ein Pflichtteil immer ein Anspruch auf die Zahlung einer Geldsumme gegen die Erben. „In der Praxis wird das Thema Pflichtteilsentzug vor allem dann Thema, wenn es um ein Unternehmen geht, dessen Zerschlagung der Erblasser vermeiden möchte“, beobachtet Frank.

Gerade wenn das Vermögen überwiegend aus Unternehmensanteilen und nicht genügend Liquidität besteht, können die Erben gezwungen sein, Unternehmensteile zu verkaufen, um den Pflichtteil auszuzahlen.

In der Regel wird der Verzicht auf den Pflichtteil, oder in einigen Fällen besser noch der Erbverzicht mit einer Gegenleistung abgegolten. Die Höhe der Abfindung ist immer Verhandlungssache.

„Wenn sie im krassen Missverhältnis zum Verzicht steht oder wenn der Erblasser die Unerfahrenheit oder einen Mangel an Urteilsvermögen beim Verzichtenden ausnützt, könnte sie jedoch im Nachhinein wegen Sittenwidrigkeit angefochten werden“, erklärt Frank. Genau das versucht derzeit Henrik Thiele.

Entzug des Pflichtteils aus gesetzlichen Gründen

Jemanden vom Pflichtteil auszuschließen und damit vollständig zu enterben ist auch möglich, wenn sich der oder die Pflichtteilsberechtigte eines der in § 2333 Abs. 1 BGB abschließend aufgezählten Vergehens oder Verbrechens schuldig gemacht hat. Undank, ein Kontaktabbruch oder sonstige Zerwürfnisse zählen allerdings nicht dazu.

Vielmehr sind hier ausschließlich schwere Vergehen gemeint, wie, dass der oder die Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser oder seiner Lebenspartnerin nach dem Leben trachtet, ihm gegenüber schwere Straftaten verübt, die mit einem Jahr Gefängnis geahndet werden können oder wegen anderer Verbrechen tatsächlich für mindestens ein Jahr ins Gefängnis oder eine Anstalt muss.

Ganz wichtig: Will ein Erblasser aus einem der genannten Gründe den Pflichtteil entziehen, so muss er dies explizit im Testament oder Erbvertrag erwähnen und den Sachverhalt individualisiert schildern.

Arm schenken reduziert Pflichtteil erst verzögert

Kommt eine Entziehung des Pflichtteils aus gesetzlichen Gründen nicht infrage und verweigern die Angehörigen eine Verzichtsvereinbarung, bleiben häufig nur Vermögensverschiebungen zu Lebzeiten durch Schenkungen.

Doch Vorsicht, Angehörige vom Erbe auszuschließen, indem man sich arm schenkt, funktioniert nur mit Vorlauf. Wurde die Schenkung innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall vorgenommen, steht den Pflichtteilsberechtigten ein sogenannter Pflichtteilsergänzungsanspruch zu.

Der Pflichtteilergänzungsanspruch lässt sich aushebeln, wenn es sich um eine Anstands- oder Pflichtschenkung handelt. Als Erstere werden von den Gerichten regelmäßig nur kleinere Geschenke zu Geburtstagen, Weihnachten oder Hochzeit angesehen. Als Pflichtgeschenke dagegen können auch Unterhaltszahlungen an nahe Verwandte, die Sicherstellung des Lebensunterhalts eines Partners oder unbezahlte Dienste oder Pflege anerkannt werden.

Nicht selten spielt das Leben auch so, dass der Schenker selbst seine Schenkung bereut und später wieder rückgängig machen will. Bei Anstands- und Pflichtgeschenken ist dies nicht möglich. In allen anderen Fällen gilt: „Man braucht einen Widerrufsgrund, der sich entweder aus dem Gesetz ergibt oder aus der vertraglichen Vereinbarung zwischen Schenker und Beschenktem“, erklärt Mielke-Vinke.

Grober Undank als Grund für den Schenkungswiderruf

Ein gesetzliches Widerrufsrecht ist der grobe Undank gemäß § 530 BGB. Dazu zählt nach aktueller Rechtsprechung die Bedrohung des Lebens oder körperliche Misshandlung des Schenkers, schwere Beleidigungen oder der grundlose Antrag auf Bestellung eines Betreuers, aber auch die Gründung eines Konkurrenzunternehmens bei Schenkung von Gesellschaftsanteilen sowie ehewidriges Verhalten (z. B. Untreue).

Ein zweites gesetzliches Widerrufsrecht steht den Schenkern zu, die nach dem Vollzug der Schenkung außerstande sind, gemäß § 528 BGB ihren angemessenen Unterhalt zu bestreiten und ihren gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber Angehörigen nachzukommen. Dieser Rückforderungsanspruch muss jedoch innerhalb von zehn Jahren nach Schenkung entstanden sein.

Daneben können im Schenkungsvertrag Rückforderungsrechte individuell vereinbart werden. Beispiele dafür sind: Der Beschenkte verstirbt vor dem Schenker und wird nicht von Abkömmlingen beerbt, eine geschenkte Immobilie wird ohne Zustimmung des Schenkers verkauft oder beliehen oder der Beschenkte wird geschäftsunfähig, alkohol- oder drogenabhängig.

Wenn weder ein gesetzlicher Rückforderungsgrund noch ein vertragliches Rückforderungsrecht vorliegt, spielt noch ein Widerruf wegen „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ gemäß § 313 BGB eine große Rolle, weiß Mielke-Vinke. Darunter versteht man die beim Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen von Schenker und Beschenktem. Ein Beispiel sind Schenkungen an ein Schwiegerkind, wenn sich dieses vom Sohn oder der Tochter des Schenkers scheiden lässt.

Wann doppelte Schenkungsteuer droht

Bei großen Schenkungen spielt auch die Steuerpflicht eine große Rolle. Wie Erbschaften müssen auch Schenkungen bei Überschreiten der Freibeträge besteuert werden. „Wird Vermögen vom Beschenkten zurück auf den Schenker übertragen, besteht grundsätzlich die Gefahr, dass diese Übertragung schenkungssteuerpflichtig ist“, warnt Mielke-Vinke.

Damit der Fiskus hier nicht von einer freiwilligen neuen Schenkung ausgeht, muss der Rückforderungsanspruch klar erkennbar und belegt sein. Beim Wegfall der Geschäftsgrundlage ist das Finanzamt oft besonders kritisch.

Soweit ein Geschenk wegen eines Rückforderungsanspruchs herausgegeben wurde, erlischt auch die ursprüngliche Steuerforderung gegenüber dem Beschenkten. Der Beschenkte kann seinen entsprechenden Schenkungsteuerbescheid daher anfechten und das Geld vom Fiskus zurückholen.

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