Pro & Contra: Das spricht für und gegen Lohntransparenz
In Norwegen oder Schweden ist es längst transparent, in den USA brüstet man sich sogar damit, doch hier spricht man nicht gerne darüber. Die Rede ist vom Lohn. Denn wenn es um’s Geld geht, gilt für viele: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold – zu Recht? Wir haben uns angesehen welche Vor- und Nachteile Lohntransparenz bringt und haben Argumente, die dafür und dagegen sprechen, gegenüber gestellt.
Tabuthema Lohn
„Und, wie viel verdienst du?“, diese Frage stellen laut einer Online-Umfrage die Hälfte der Befragten höchstens im engsten Freundes- und Verwandtenkreis. Neun Prozent verraten die Summe des Lohnzettels nicht einmal ihrem eigenen Partner. Aber nur weil niemand offen darüber redet, heisst das nicht, dass es keinen interessiert. Denn ein Viertel der Teilnehmer findet, dass man unter Kollegen ruhig über Lohn diskutieren könne und jeder Fünfte ist der Meinung, dass Lohn kein Tabu mehr sein sollte. Auch die XING Lohnstudie stützt den Wunsch nach mehr Lohntransparenz, hier waren sogar vier von fünf Befragten dafür.
First things first: Die Vorteile
Doch wieso ist Lohn dann immer noch ein Tabuthema? Kritiker halten Lohntransparenz oft den Einwand entgegen, es würde den Betriebsfrieden stören, wenn jeder und jede wüsste was Kollegen und Vorgesetzte verdienen. Aber entsteht Missgunst nicht nur da, wo sowieso schon Ungleichheit herrscht? Wenn Mitarbeiter fair und anhand nachvollziehbarer Kriterien entlohnt werden, sollte es doch keine Diskussion geben. Ausserdem lässt sich dieses Ausgangsargument auch genauso gut umdrehen: Denn gerade wenn niemand weiss, was andere verdienen, entstehen Gerüchte und Diskussionen über Löhne. Transparenz schafft also wichtige Fakten. Haben wir nicht nur das Gefühl, sondern auch die Gewissheit gerecht bezahlt zu werden steigert das die Zufriedenheit und unser Vertrauen in unseren Arbeitgeber.
Ein weiteres Argument dafür ist der naheliegende Gedanke, dass Transparenz ungleiche Bezahlung verhindern oder zumindest vermindern kann. Denn wer genau weiss, wie viel Kolleginnen und vor allem Kollegen verdienen, kann der eigene Lohn besser verhandeln. Es fällt leichter einen Überblick zu bekommen, wo man selbst gerade steht und auch wohin man sich in Zukunft bewegen kann. Ausserdem setzt Lohntransparenz Unternehmen unter Druck, in denen gleiche Arbeit ungleich entlohnt wird.
Ein klarer Vorteil im Bewerbungsgespräch: Wenn Löhne offen zugänglich wären, könnte sich jeder schon vor Jobantritt darüber informieren, was er oder sie in der angestrebten Position verdienen sollte und ob dies mit den eigenen Vorstellungen übereinstimmt. So kann verhindert werden, dass falsche Erwartungen entstehen – auf Arbeitnehmer- wie Arbeitgeberseite.
Wo Licht ist, ist auch Schatten
Bedeutet das, dass Lohntransparenz zwingend zu gerechterer Bezahlung führt? Ganz so einfach ist das leider nicht. Denn gerade bei Lohnverhandlungen kann Transparenz sogar zum Nachteil werden. Zu diesem Ergebnis kommt die Harvard-Professorin Zoe Cullen mit verschiedenen Koautoren in zwei Studien. In dem Aufsatz „Equilibrium Effects of Pay Transparency“ beschreiben sie, dass Transparenz die Löhne um sieben bis acht Prozent drückt. Der Grund dafür liegt laut Studienautoren in sogenannten Gleichgewichtseffekten. Zwar verringert sich der Informationsnachteil in Lohnerhandlungen, doch es führt bei den Arbeitgebern dazu, dass sie einzelnen Forderungen nicht mehr nachkommen. Da sie dann damit rechnen müssen, dass auch andere ihr Lohn nachverhandeln wollen. Es wird also schwieriger, überdurchschnittliche Löhne auszuhandeln, und als Folge davon wird das Lohnniveau insgesamt gedrückt.
Aber nicht nur die Arbeitnehmer könnten weniger zahlen, auch Bewerber könnten weniger fordern. In einer weiteren Untersuchung stellte die Forschergruppe rund um Cullen fest, dass ein und dieselbe Person geringere Lohnforderungen stellte, wenn das Jobangebot eine deutliche Indikation der Bezahlung enthielt. Es zeigte sich auch: Wenn die ausgeschriebenen Arbeiten von mehreren Auftragnehmern an einem Ort zu erledigen waren, sodass direkter Austausch möglich war, bezahlten die meisten Auftraggeber alle Beschäftigten gleich. Hinzu kommt ausserdem, dass bei unvollkommener Transparenz Männer die vorhandenen Informationskanäle stärker nutzten als Frauen, um Boni für sich auszuhandeln.
Lohntransparenz: Eine Frage der Zeit
Die Gegenüberstellung hat gezeigt: Lohntransparenz hat, wie vieles im Leben, Vor- und Nachteile. Doch ohne Transparenz herrscht schlicht ein Ungleichgewicht der Informationen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Dabei gilt: Wer gut informiert ist, kann sich besser entscheiden. Betrachtet man die Thematik also auf lange Sicht, sollten die positive Effekte überwiegen. Vorausgesetzt Arbeitnehmer und Bewerber nutzen diese Informationen auch entsprechend zu ihrem Vorteil und fordern nach bestem Wissen und Gewissen faire Löhne von Arbeitgebern.