Premium

Schwerer Vorwurf gegen SAP: Konzern soll mögliche Vergewaltigungen nicht ernst genug genommen haben

Der Softwarekonzern soll in den USA die Beschwerden von zwei Frauen falsch behandelt haben, berichtet Bloomberg. SAP sieht die Sache anders. Der Imageschaden könnte beträchtlich werden.

SAP ist in den USA mit gravierenden Vorwürfen konfrontiert. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete am Freitag, der Dax-Konzern sei mit Meldungen über mögliche Vergewaltigungen falsch umgegangen. SAP weist das zurück.

Unser Sommer-Special: Jetzt das digitale Handelsblatt statt 4 ganze 6 Wochen für 1 € lesen

Die Vorwürfe, über die Bloomberg berichtet, wiegen aber schwer: Zwei anonyme Mitarbeiterinnen behaupten darin, dass sie nach Events des Softwarekonzerns 2018 und 2019 in den USA jeweils von einem männlichen Kollegen auf dem Hotelzimmer vergewaltigt worden seien. Beide Frauen glaubten, dass zuvor eine Droge in ihr Getränk geschmuggelt wurde.

Nach den beiden voneinander unabhängigen Vorfällen hätten sich die Opfer bei SAP beschwert. Die Personalabteilung habe die beschuldigten Männer zwar befragt. Diese hätten den Sex als einvernehmlich beschrieben und behauptet, die Frauen seien betrunken gewesen. Danach seien die Untersuchungen eingestellt worden, eine Schuld sei nicht nachgewiesen worden.

Der Finanzdienst Bloomberg hat nach eigenen Angaben mit den beiden Frauen gesprochen sowie mit sieben weiteren derzeitigen und aktuellen Mitarbeitern, die von Übergriffen und Belästigungen berichteten. „Wir nehmen sämtliche Anschuldigungen hinsichtlich Fehl- und kriminellen Verhaltens außerordentlich ernst“, sagte SAP am Freitag in einer Stellungnahme.

Die Vorwürfe könnten für den Softwarekonzern aber zum Imageproblem werden. Das ist vor allem in den USA heikel, dem für SAP wichtigsten Markt. Dort erzielte der Konzern im vergangenen Jahr mit 8,9 Milliarden Euro rund 30 Prozent seines Umsatzes. Aber auch im Kampf mit anderen IT-Konzernen um Talente könnte sich der Vorfall negativ auswirken. SAP hatte sich dabei ausdrücklich die Förderung von Frauen auf die Fahnen geschrieben.

SAP betont neue Unternehmenskultur

Das Unternehmen sieht sich in dem Artikel von Bloomberg nicht fair dargestellt. Man habe die Fälle rund zwei Monate geprüft, auch sei die Polizei eingeschaltet worden, angesichts der Schwere der Vorwürfe. SAP habe deren „unabhängige Ermittlungen voll unterstützt und parallel eigene Untersuchungen initiiert“. Die Polizei in Texas als auch in Las Vegas – wo die fraglichen Events stattfanden – sei zu keinem Ergebnis gekommen. Es fehle „ausreichend hinreichender Verdacht“, hieß es von einer Behörde in Texas.

Wichtiger Markt: 30 Prozent seines Umsatzes, also rund 8,9 Milliarden Euro, erzielt SAP in den USA.

SAP ergriff gegen die beiden Mitarbeiter „angemessene Maßnahmen“, wie es in der Stellungnahme heißt. Genauere Angaben wurden nicht gemacht. Ein Mitarbeiter arbeitet noch im Unternehmen, ein anderer hat SAP verlassen. „Ich habe Vertrauen in die Prozesse von SAP“, sagte Eberhard Schick, Betriebsratsvorsitzender des Unternehmens.

Beide Vorfälle sollen sich bei der SAP-Tochter Ariba ereignet haben. Die amerikanische Software-Firma hatte SAP 2012 für 4,3 Milliarden Dollar gekauft, um schneller Anschluss ans Cloud-Geschäft zu bekommen. Die Firma war eine von vielen US-Übernahmen unter der Regie des ehemaligen SAP-Vorstandschefs Bill McDermott. Dieser ließ die Firmen mit eigenem Namen und viel unternehmerischer Freiheit weiterarbeiten.

„Die SAP des Jahres 2022 unterscheidet sich von der SAP von früher.“
Stellungnahme des Unternehmens

+Nach dem Abgang von McDermott Ende 2019 schwenkte SAP um, integrierte die Firmen und ihre Geschäftsprozesse stärker ins Unternehmen. Dazu gehört auch eine schärfere Aufsicht der Unternehmenskultur. „Die SAP des Jahres 2022 unterscheidet sich von der SAP von früher“, heißt es vom Unternehmen. Richtlinien und Verfahren würden ständig auf den Prüfstand gestellt, damit „sie unseren Mitarbeitenden gerecht werden“.

Keine Selbstbedienung mehr beim Alkohol

In den vergangenen Jahren verschärfte SAP auch die globalen Richtlinien für Veranstaltungen. Diese spielen traditionell im Vertriebsgeschäft des Konzerns eine große Rolle. In der ganzen Welt werden zahlreiche Events veranstaltet wie beispielsweise die Kundenkonferenz SAP Sapphire.

Auch in Europa würde auf manchen Konferenzen viel Alkohol fließen, sagen Angestellte von SAP, ohne ihren Namen nennen zu wollen. Das Unternehmen sei in seiner Kultur sehr männerorientiert, was aber weniger an einer falschen Kultur als an dem hohen Anteil von Männern vor allem in der Entwicklungsabteilung begründet sei.

Nach den verschärften Richtlinien des Konzerns darf es beim Alkohol keine Selbstbedienung mehr geben. Auch dürfen stark angetrunkene Gäste nicht mehr bedient werden.

Zudem versucht das Unternehmen, die Beschwerdewege von Angestellten zu verbessern. Fehlverhalten, Belästigung oder Diskriminierung am Arbeitsplatz können per E-Mail an ein Team im „Global People and Compliance Office“ gerichtet werden, vor Ort gibt es einen People Compliance Officer, der auch angerufen werden kann. Auf Wunsch können die Mitarbeiter auch anonym bleiben, dafür wurde das Tool „Speak Out at SAP“ eingerichtet.

Schwerer Vorwurf gegen SAP: Konzern soll mögliche Vergewaltigungen nicht ernst genug genommen haben

Premium

Diese Inhalte sind für Premium-Mitglieder inklusive

Der Zugang zu diesem Artikel und zu vielen weiteren exklusiven Reportagen, ausführlichen Hintergrundberichten und E-Learning-Angeboten von ausgewählten Herausgebern ist Teil der Premium-Mitgliedschaft.

Premium freischalten

Handelsblatt - das Beste der Woche schreibt über Substanz entscheidet

Das Handelsblatt ist das führende Wirtschaftsmedium in Deutschland. NEU: Diese Seite bietet Premium-Mitgliedern eine Auswahl der besten Artikel vom Handelsblatt direkt hier und als wöchentliche Zusammenfassung per Mail. Rund 200 Redakteure und Korrespondenten sorgen rund um den Globus für eine aktuelle, umfassende und fundierte Berichterstattung. Über Print, Online und Digital kommunizieren wir täglich mit rund einer Million Leserinnen und Lesern.

Artikelsammlung ansehen