Sich freundlich nach der weiteren Vorgehensweise zu erkundigen, ist erlaubt. - Westend61 / Bartek Szewczyk
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Selbstbewusst und unaufdringlich: Wie sich Bewerber nach dem Vorstellungsgespräch richtig verhalten

Sie sollten nicht drängeln – sich aber auch nicht ewig hinhalten lassen. Experten verraten das strategisch klügste Verhalten nach dem ersten Kennenlernen.

Nach einem ersten Date sollte man sich innerhalb von 24 Stunden beieinander melden, lautet eine ungeschriebene Regel. Und wer nach drei Tagen noch nichts von sich hat hören lassen, ist offensichtlich desinteressiert am weiteren Kennenlernen.

Doch was für romantische Begegnungen gilt, hat auf dem Arbeitsmarkt nicht unbedingt Bestand. Hier ist es gang und gäbe, dass nach dem Vorstellungsgespräch eine Wartezeit von rund einer bis zwei Wochen verstreicht, bis das Unternehmen sich beim Kandidaten meldet – in Einzelfällen kann es sogar noch länger dauern.

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Wie lange genau, hängt unter anderem von der angestrebten Position, der Zahl der Bewerber und der Unternehmensgröße ab – aber auch davon, wie gut die Personalabteilung aufgestellt ist. Ein heiß umkämpfter IT-Spezialist wird wahrscheinlich schon sehr schnell grünes Licht bekommen, während der Bewerber fürs Schulpraktikum nicht unbedingt in die Kategorie „eilt!“ fällt.

Zwar skizzieren heute sowohl Konzerne als auch moderne Start-ups ihre Bewerbungsprozesse, die oft aus mehreren Etappen bestehen, häufig schon in der Ausschreibung. Derweil müssen Bewerber bei manchem Mittelständler oder Mini-Unternehmen ohne Personalabteilung lange im Nebel stochern. Mit einem schwammigen „Wir melden uns“ oder „Es kann ein bisschen dauern“ am Ende des Vorstellungsgesprächs sollte sich dennoch niemand abspeisen lassen.

Das Gute: Angesichts des Fachkräftemangels und von öffentlichen Bewertungen auf Plattformen wie Kununu sind Arbeitgeber immer stärker darauf angewiesen, für eine positive „Candidate Experience“ zu sorgen – der Jobkandidat sollte den Bewerbungsprozess als strukturiert und angenehm empfinden. „Ein verbindlicher Ausblick über die nächsten Schritte sollte daher Mindeststandard im Auswahlprozess sein“, sagt Nicole Vanessa Schulte, Bewerbungscoach und Expertin für berufliche Neuausrichtung.

Selbstbewusst zu fragen, wie es weitergeht, wird meist nicht negativ ausgelegt

Wenn die Gesprächspartner beim Abschied nichts über den folgenden Prozess preisgeben, lohnt es für Bewerber, mutig und selbstbewusst nachzuhaken. Dem stimmt auch Personalberaterin Nicole Kremer zu. „Je besser der Draht zu den Gesprächspartnern und je sicherer das Gefühl, die Stelle gut ausfüllen zu können, vermittelt werden konnte, desto mehr kann der Kandidat die Zügel in die Hand nehmen und das weitere Vorgehen ansprechen.“

Aber auch wenn das Gefühl unmittelbar nach dem Vorstellungsgespräch noch nicht zu hundert Prozent positiv ist, sollten Bewerber sich die Frage nach dem weiteren Ablauf nicht verkneifen. So viel Initiative kann sogar einen guten Eindruck hinterlassen: „Es zeugt von Zielorientierung und Organisiertheit, dass man Dinge festzurren möchte“, bestätigt Kremer.

Doch welche Wartezeit ist akzeptabel? Als Faustregel gilt: Nach einem Gespräch sollte innerhalb einer Woche eine Reaktion seitens des Unternehmens oder der vermittelnden Personalberatung erfolgen. Und auch wenn sich der Prozess im Unternehmen durch Krankheit oder Urlaub verzögert: Zumindest eine Notiz dazu via E-Mail sollte drin sein.

Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch eine Rückmeldung zu einem bestimmten Termin angekündigt hat. Kommt dennoch nichts, rät Expertin Schulte dazu, frühestens zwei Tage nach Verstreichen der Frist vorsichtig anzuklopfen.

Dafür eignet sich ein Anruf oft besser, als an einer E-Mail zu feilen. „Melden Sie sich direkt beim zuständigen Personaler“, empfiehlt Schulte. „Der hat in der Regel den besten Überblick über die nächsten Schritte und den internen Zeitplan und ist darin geschult, solche Rückfragen zu beantworten.“

Aber Vorsicht: Selbst wer innerlich schon vor Ungeduld brodelt, sollte seiner Nachfrage einen positiven Rahmen verleihen. Statt mit vorwurfsvollem Unterton zu sagen: „Ich warte immer noch auf Ihre Rückmeldung“, ist eine wohlwollende Formulierung zielführender: „Unser Gespräch vergangene Woche hat mein Interesse für die Aufgabe bestärkt. Daher bin ich nun neugierig zu erfahren, wie es weitergeht.“

Personalberaterin Kremer, die auch als Headhunterin tätig ist, hat manchmal mehrere Tage nach dem Vorstellungsgespräch die von ihr vermittelten Kandidaten in der Leitung, die nachfragen, ob es schon Feedback vom Arbeitgeber gibt.

Ihrer Beobachtung nach haben sich in vielen Unternehmen die Auswahlprozesse professionalisiert. Dennoch komme es immer mal vor, dass ein Kandidat bei der Stange gehalten werden soll, während das Unternehmen noch mit anderen Bewerbern spricht oder bereits in Verhandlung mit einem Wunschkandidaten getreten ist. Das kann für den Bewerber nervig sein, gehört zu einem Einstellungsprozess aber oft dazu.

Drängeln verboten

Natürlich kann es auch vorkommen, dass sich Jobsuchende parallel bei mehreren Arbeitgebern beworben haben – und ausgerechnet die Rückmeldung zur favorisierten Stelle auf sich warten lässt, während die zweite Wahl bereits das Jobangebot auf den Tisch legt und eine rasche Zu- oder Absage vom Bewerber fordert.

Auch dann ist Drängeln für den Bewerber tabu, findet Karrierecoach Schulte: „Niemand lässt sich gerne unter Druck setzen.“ Das gelte für die Unternehmensseite wie auch für die Seite der Jobsuchenden. Die Expertin rät Kandidaten: „Fragen Sie höflich nach, und erläutern Sie sachlich, in welcher Situation Sie sich befinden.“ Den Namen des anderen Arbeitgebers sollte man dabei aber besser verschweigen.

Geht es um Stellen, die eine höhere Qualifikation erfordern, gibt es bei einem Großteil der Arbeitgeber mehrere Auswahlrunden für jeden Bewerber. Diese Runden ermöglichen beiden Seiten, sich besser kennenzulernen und detaillierter zu prüfen, ob man zusammenpasst.

Ein einziges Gespräch lässt nämlich auch Kandidaten zuweilen ratlos und mit der Frage zurück: „Ist der Job wirklich der richtige für mich?“ Wenn der potenzielle Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt bereits Feuer und Flamme ist, kann der Kandidat durchaus aus eigener Initiative eine zweite Vorstellungsrunde einfordern, sagt Expertin Kremer. Dafür sollte er aber gute Gründe angeben.

Zum Beispiel: „Ich möchte gerne das gesamte Team kennenlernen“ oder „Ich habe noch einige Fragen, um die Aufgabe und die Unternehmenskultur besser zu verstehen.“ Verweigert der Arbeitgeber ein solches tieferes Eintauchen, ohne gute Gründe zu liefern, sollte dieses Verhalten Bewerber eher skeptisch machen.

Wie nach einem Date nimmt auch nach einem Vorstellungsgespräch nicht jede Warteschleife ein glückliches Ende. Gerade nach langer Wartezeit ist mancher Kandidat verärgert, wenn ihn eine kurze E-Mail mit einer Absage erreicht.

„Absagen werden von den Arbeitgebern häufig nur von dünnem Feedback begleitet, um sich nicht angreifbar zu machen“, beobachtet Expertin Kremer. Auch hier wird das Nachhaken eher von Erfolg gekrönt sein, wenn man zuvor eine offene Gesprächsbasis geschaffen hat und um eine konkretere Rückmeldung bittet.

Lag es beispielsweise an einer fehlenden fachlichen Qualifikation oder Seniorität für das jeweilige Stellenprofil, besteht die Chance, die Gespräche zu einem späteren Zeitpunkt oder zu einer anderen Stelle wiederaufzunehmen. Auch in diesem Sinne zahlt sich ein freundlicher Umgang also aus.

Selbstbewusst und unaufdringlich: Wie sich Bewerber nach dem Vorstellungsgespräch richtig verhalten

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