Skandal kostet Chef der Volksbank Düsseldorf Neuss den Job
Das genossenschaftliche Institut ist in einen abenteuerlichen Betrugsfall um rund 100 Millionen Euro verwickelt. Nun muss der Vorstandsvorsitzende gehen. Auch die Bafin übte Druck aus.
Frankfurt. Der Chef der Volksbank Düsseldorf Neuss, Rainer Mellis, hat sein Vorstandsmandat mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Das gab der Aufsichtsrat des genossenschaftlichen Instituts am Freitag bekannt.
„In Anbetracht eines internationalen Betrugsfalles, bei dem die Volksbank instrumentalisiert wurde, wollen der Aufsichtsrat und Herr Mellis so einvernehmlich sicherstellen, dass eine weitere Aufklärung vorbehaltlos, transparent und ohne Ansehen von Personen erfolgen kann“, hieß es in der Mitteilung.
Auch die Finanzaufsicht Bafin soll Druck auf die Bank und Mellis ausgeübt haben, wie mit dem Sachverhalt vertraute Personen dem Handelsblatt sagten. Die Bafin äußerte sich nicht, wie in solchen Fällen üblich, zu „einzelnen Instituten und Personen“. Auch die Bank äußerte sich nicht.
Buchhalterin überwies 100 Millionen Euro an die Volksbank Düsseldorf Neuss
Hintergrund ist ein Betrugsfall beim französischen Modeunternehmen Kiabi. Die Buchhalterin des Modekonzerns hatte bei der Volksbank Düsseldorf Neuss im Mai 2023 ein Konto eingerichtet und 100 Millionen Euro dorthin überwiesen, angeblich um diese Summe als Festgeld anzulegen. Tatsächlich veranlasste sie aber bereits wenige Wochen später, Mitte Juni, die Überweisung der kompletten Summe auf ein Konto in der Türkei.
Diese Details gehen aus einer Klage des Finanzarms des Modekonzerns gegen die Ex-Buchhalterin Aurélie B. und mögliche Komplizen von ihr hervor, die in den USA eingereicht wurde. Einem türkischen Medienbericht zufolge soll die Buchhalterin das Geld auf ein Konto der Nurol Bank überwiesen haben. Die Nurol Bank hatte sich dem Medium „Patronlar Dünyasi“ zufolge nicht zu dem Fall geäußert.
In der Türkei verliert sich die Spur des Geldes weitgehend. Die Volksbank hatte sich als Betrugsopfer gesehen und nach Bekanntwerden des Skandals mitgeteilt, dass sie „durch betrügerische Machenschaften im Zusammenhang mit einer internationalen Transaktion in Mitleidenschaft gezogen worden“ sei.
Die Veruntreuung fiel auf, als Kiabi das vermeintliche Festgeld von der Volksbank zurückfordern wollte. Unklar ist nun, ob die Bank für das verschwundene Geld haften muss. Das Institut hat vorsorglich 30 Millionen Euro zurückgestellt und sich Garantien der genossenschaftlichen Sicherungseinrichtung gesichert.
Denn alleine könnte die Bank die Summe, um die es geht, im Zweifel nicht stemmen. Das bilanzielle Eigenkapital des Instituts betrug Ende 2023 gut 110 Millionen Euro. Hinzu kommen allerdings noch bestimmte Vorsorgereserven des Instituts – im Fachjargon wird diese Bilanzposition als Fonds für allgemeine Bankrisiken bezeichnet – in Höhe von 65 Millionen Euro.
Welche Verantwortung die Bank oder auch der Modekonzern Kiabi tragen, ist noch nicht geklärt. Unter anderem ermittelt auch die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft in dem Fall. Die Ex-Buchhalterin Aurélie B. war zum Zeitpunkt des Betrugs bei Kiabi angestellt, obwohl sie zu dem Zeitpunkt bereits wegen Betrugs zu einer zweijährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt war.
Die betrügerische Überweisung in die Türkei wiederum hatte B. von einer gefälschten E-Mail aus, die sich von ihrer offiziellen E-Mail unterschied, veranlasst, wie aus der Klageschrift Kiabis hervorgeht.
Einige Branchenvertreter fragen, welche Vorsichts- und Prüfmaßnahmen die Volksbank unternommen hat, um das Kiabi-Geschäft zu prüfen. Denn zum einen sei die Summe, um die es ging, im Verhältnis zur Größe der Volksbank sehr hoch gewesen. Zum anderen sei die Türkei ein Land, das für seine Korruption bekannt sei.
Bis zu diesem Jahr stand die Türkei sogar noch auf der grauen Liste der Financial Action Task Force (FATF), einer internationalen Institution zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und der Finanzierung von Massenvernichtungswaffen. Die graue Liste der FATF steht für ein erhöhtes Risiko für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.
Branchenvertreter gehen daher davon aus, dass die Bafin der Bank womöglich Mängel bei der Geldwäscheprävention vorwirft – und angesichts der Summe auch die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation der Bank. Der Druck, den die Aufsicht in solchen Fällen ausüben kann, ist groß: Die Bafin kann nicht nur Vorstände entlassen, sondern auch Aufsichtsräte abberufen, wenn sie diese für ungeeignet hält.
