So verschieben Digitalkonzerne ihre Gewinne
Eine neue Studie zeigt, dass digitale Konzerne noch immer Steuern vermeiden können. Ob die geplante globale Mindeststeuer daran etwas ändern kann, ist umstritten.
Berlin. Globale Digitalkonzerne können noch immer durch geschickte Gewinnverlagerung Steuern in Milliardenhöhe vermeiden. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des „Netzwerks Steuergerechtigkeit“. Demnach haben die internationalen Regelverschärfungen zwar einige Tricks eindämmen können, trotzdem zahlen digitale Konzerne immer noch vergleichsweise wenig Steuern.
In der Studie, die im Auftrag der Linkspartei erstellt wurde, werden die Konzernabschlüsse vom Google-Mutterkonzern Alphabet sowie von Microsoft und vom niederländischen Buchungsportal Booking.com analysiert. Laut früheren Schätzungen haben Unternehmen im Jahr 2022 rund eine Billion Euro weltweit in Niedrigsteuerländer verschoben.
Demnach verschieben die Unternehmen mithilfe von Tochtergesellschaften und internen Verrechnungen weiterhin Gewinne dorthin, wo die Steuerregeln günstig sind.
Nachdem viele Staaten die Regeln verschärft haben, scheinen die größten Auswüchse allerdings eingedämmt. Noch vor gut zehn Jahren hatten einige Konzerne mithilfe von Steueroasen ihre Zahlungen an den Fiskus nahe null drücken können.
Trotz des gemeinsamen Kampfes gegen Steuervermeidung gibt es in vielen Ländern jedoch weiterhin Vergünstigungen, die insbesondere digitale Unternehmen nutzen können.
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Großzügige Steueranreize in den Niederlanden
Das zeigt sich laut der neuen Studie etwa bei Booking. „Durch die Verschiebung fast aller Gewinne in die Niederlande und die Nutzung der niederländischen Innovation Box Tax hat der Konzern weltweit von 2010 bis 2022 etwa 2,8 Milliarden Euro Steuern vermieden“, heißt es in dem Papier. Das entspreche rund sechzehn Prozent des Gewinns in dem Zeitraum und bedeute in etwa eine Halbierung der eigentlich fälligen Steuern.
Mit der „Innovation Box Tax“ wollen die Niederlande besonders innovative Unternehmen fördern und gewähren für diese Aktivitäten einen ermäßigten Steuersatz von derzeit neun Prozent. Die Studienautoren werfen Booking vor, die Regelung sehr stark auszureizen. Die OECD hat allerdings das niederländische Modell überprüft und grundsätzlich keine Beanstandungen.
Booking hatte zudem Ärger mit Steuerbehörden, die dem Unternehmen vorwarfen, die Gewinne zu stark in die Niederlande zu verlagern. Mit den italienischen Steuerbehörden hat sich der Konzern mittlerweile geeinigt.
Lange Zeit galt Irland innerhalb der EU als eine Steueroase. Ein viel genutztes Steuersparmodell wurde nach viel Kritik und internationalem Druck abgeschafft. Aus Sicht der Studie gewährt Irland aber nach wie vor Erleichterungen, die eine Gewinnverlagerung attraktiv machen. So habe der Steuersatz von Microsoft im Jahr 2022 in Irland 7,2 Prozent betragen, im Gesamtkonzern habe er bei 19 Prozent gelegen.
Für Alphabet gibt die Studie die Steuerquote mit 15,9 Prozent an. Das Unternehmen nutze vor allem vorteilhafte Regelungen in den USA. Die US-Regierung hatte nicht nur Druck auf Steueroasen und amerikanische Konzerne gemacht, sondern zudem Anreize geschaffen für die Gewinnverlagerung zurück in die USA.
Kampf um Besteuerungsrechte
Aus europäischer Sicht zahlen viele große Digitalkonzerne aber in der EU weniger Steuern, als es angesichts der Geschäfte, die sie hier machen, angemessen wäre. „So vermeiden sie es, in den Ländern, in denen sie tatsächlich tätig sind und Gewinne einstreichen, ihren fairen Beitrag zu leisten“, sagt der Co-Vorsitzende der Linkspartei, Martin Schirdewan, zu der von ihm in Auftrag gegebenen Studie. „Im Ergebnis zahlen sie deutlich niedrigere Steuersätze als mittelständische und kleine Unternehmen.“
Einige Staaten wie Frankreich hatten deshalb mit einer nationalen Digitalsteuer geliebäugelt. Die Pläne wurden aber verworfen, als man sich auf eine internationale Reform einigte: So haben im Jahr 2021 rund 140 Staaten beschlossen, eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent einzuführen. Zudem sollen die Besteuerungsrechte bei sehr profitablen Digitalkonzernen neu verteilt werden, damit Gewinne stärker dort besteuert werden, wo sie erwirtschaftet werden.
Auf diesen sogenannten Zwei-Säulen-Ansatz verweist auch das Bundesfinanzministerium. „Diese Vereinbarung wird jetzt Schritt für Schritt umgesetzt. Sie wird eine faire Besteuerung großer Unternehmen, auch großer IT-Konzerne, sicherstellen“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums. „Die Bundesregierung setzt sich gemeinsam mit der internationalen Staatengemeinschaft intensiv gegen Steuerdumping und unfairen Steuerwettbewerb ein.“
Bundesregierung sieht sich bestätigt
Zu den Ergebnissen der Studie wollte sich die Sprecherin nicht äußern. „Generell lässt sich aber sagen, dass solche Veröffentlichungen den Kurs der Bundesregierung bestätigen, sich gemeinsam mit unseren europäischen und internationalen Partnern mit Nachdruck für die Bekämpfung von steuermotivierter Gewinnverschiebung und zur Sicherstellung einer fairen Besteuerung einzusetzen“, erklärte sie.
Deutschland hat das Gesetz zur Mindeststeuer bereits im vergangenen Jahr beschlossen. Außerhalb der EU hakt die Umsetzung allerdings in einigen Ländern, dazu zählen auch die USA. Insbesondere die Neuverteilung der Besteuerungsrechte lässt auf sich warten.
Das „Netzwerk Steuergerechtigkeit“ bezweifelt, dass die geplanten Maßnahmen eine große Verbesserung bringen. So sei der Mindeststeuersatz von 15 Prozent zu niedrig. Mit der Kritik ist der Verein nicht allein.
Die von der EU-Kommission geförderte Beobachtungsstelle für Steuerfragen (EU Tax Observatory) hat kürzlich eine umfassende Studie zum Kampf gegen Steuertricks vorgestellt. Zentrales Ergebnis: Während es den Ländern gelungen ist, Privatpersonen durch strengere Regeln zu mehr Steuerehrlichkeit zu zwingen, gibt es bei den Konzernen nur wenig Fortschritte. Die globale Mindeststeuer von 15 Prozent wird daran aus Sicht der Experten um den französischen Ökonomen Gabriel Zucman nur wenig ändern. Sie halten den Steuersatz ebenfalls für zu niedrig und kritisieren zudem, dass es im Regelwerk zu viele Schlupflöcher gebe.
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