Eine Familie in der Wohnung: In der Mietwohnung leben ist günstiger als im Eigenheim.
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Steigende Hypothekarzinsen: Der Traum vom Eigenheim verliert an Glanz

Die Ära des Gratisgelds geht dem Ende zu – mit Folgen für den Immobilienmarkt: Die Hypothekarzinsen steigen, das Leben im Eigenheim wird teurer.

Der Traum vom Eigenheim liess sich in den letzten Jahren sagenhaft günstig finanzieren: Noch Anfang 2021 wurde für langfristige Hypotheken kaum etwas verlangt, eine fünfjährige Hypothek mit fixem Zinssatz war beispielsweise für gut 1,1 Prozent zu haben.

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Tempi passati. Die Ära der offenen Geldschleusen nähert sich dem Ende. Und auch in der Schweiz wird die Nationalbank den Leitzins anheben – wenn vermutlich auch später als die US-Notenbank Fed und die EZB in Europa.

Auf dem Hypothekarmarkt ist die Trendwende bereits zu sehen, Festhypotheken haben sich deutlich verteuert. Der Zins für fünfjährige Festhypotheken liegt bei rund 2 Prozent, zehnjährige Kredite kosten noch mehr.

Damit haben Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer zum ersten Mal seit 13 Jahren höhere monatliche Ausgaben als Mieterinnen und Mieter – zumindest jener (Gross-)Teil der Immobilienbesitzenden, die ihre Wohnung mithilfe langfristiger Festhypotheken finanzierten. Wer eine Geldmarkthypothek wählt, beispielsweise ein Saron-Produkt, hat den Kostenvorteil weiterhin. Aber nur eine Minderheit entscheidet sich für einen Kredit mit schwankendem Zins.

Festhypotheken dürften weiter steigen

Eine Rückkehr zu den rekordtiefen Zinsen für Festhypotheken ist nicht in Sicht: Sowohl die Credit Suisse wie auch die Raiffeisen sagen sogar leicht steigende Zinsen voraus. «Wir gehen nicht davon aus, dass die Finanzierungskonditionen auf Jahressicht wieder günstiger werden», schreibt Raiffeisen-Ökonom Domagoj Arapovic. «Anderseits glauben wir aber auch nicht, dass sich der rasante Zinsanstieg der letzten Wochen fortsetzt. Wir rechnen eher mit einer moderaten Aufwärtsbewegung.» Seine Bank prognostiziert einen Anstieg langfristiger Festhypotheken um weitere 0,4 bis 0,5 Prozentpunkte.

Der Immobilienvergleichsdienst Moneypark sieht den Satz für zehnjährige Festhypotheken in den nächsten Monaten zwischen 2 und 2,5 Prozent schwanken – aktuell steht er bei 2,3 Prozent. Nur die UBS schert in ihrer aktuellsten Einschätzung aus und sagt eine «leichte Verbilligung» der Festhypotheken voraus.

Mieten ist wieder günstiger als kaufen

Die steigenden Zinsen sorgen nun dafür, dass Mieten wieder attraktiver wird. Heute ist es gut 3 Prozent teurer, in einer Eigentumswohnung zu leben statt in einer Mietwohnung. Das hat die Credit Suisse berechnet – sie verglich dafür die monatlichen Ausgaben für eine zu 80 Prozent mit einer fünfjährigen Festhypothek finanzierten Eigentumswohnung (4,5 Zimmer) mit einer gleich grossen Mietwohnung.

Anfang 2021 hatten Wohneigentümerinnen bei der gleichen Betrachtung im Mittel noch 15,5 Prozent gespart.

«An den meisten Orten ist mieten vorteilhafter als kaufen. Das ist neu: Von 2015 bis 2021 waren Wohnungskäufer im Vorteil. Die hohe Inflation und die Erwartung stark steigender Leitzinsen in den USA waren die Gamechanger bei der Immobilienfinanzierung», sagt Matthias Holzhey, Immobilienexperte bei der UBS.

Früher war es klar, dass zur Miete wohnen günstiger ist. Zwischen 1993 und 2008 hatte der Aufschlag von Wohneigentum nach Berechnung der Credit Suisse im Schnitt noch 29 Prozent betragen. Erst mit der Finanzkrise 2008 setzte die Ära der rekordtiefen Zinsen ein. Nun ist also ein historischer Normalzustand zurückgekehrt.

Auch mieten wird teurer

Allerdings: Nicht nur die Immobilienfinanzierung wird teurer. Auch bei den Mieten zeichnet sich eine Trendwende ab. Die Mieten von freien Wohnungen dürften dieses Jahr an den meisten Orten steigen, weil zuletzt weniger neue Mehrfamilienhäuser entstanden sind, die Bevölkerung wächst und immer mehr Menschen alleine leben.

Letzten Sommer standen in der Schweiz noch mehr als 70’000 Wohnungen leer, besonders im Schweizer Mittelland, in Kantonen wie Bern, Solothurn oder Aargau. Dieser Leerstand ist inzwischen gesunken; für viele Objekte liessen sich Bewohnerinnen und Bewohner finden.

Was auch nicht vergessen werden darf: Die Wohnkosten sind bei weitem nicht der einzige Faktor beim Immobilienkauf. Käuferinnen können auf eine Wertsteigerung hoffen, und der Erwerb ist mit vielen Emotionen verknüpft. Zudem gilt eine Immobilie als sichere Investition – wobei zu beachten ist, dass dadurch meist ein schöner Teil der Ersparnisse verwendet wird und keine Chance besteht, das Geld anderweitig anzulegen. Auch örtlich ist man gebunden, wenn das Eigenheim zur Wohnadresse wird.

Die Antwort auf die Frage «Mieten oder kaufen?» ist komplizierter als vielleicht gedacht. Für viele Familien stellt sich diese Frage aber ohnehin nicht. Sie haben wegen der hohen Immobilienpreise, des knappen Angebots und der restriktiven Hypothekenvergabe der Banken gar keine Chance, ein Einfamilienhaus oder eine Eigentumswohnung zu kaufen – ausser sie weichen auf abgelegene Gegenden oder schlecht erhaltene Gebäude aus.

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