Ventilatoren-Weltmarktführer EBM Papst kühlt lieber die Cloud statt Autos
Klaus Geißdörfer schlägt als neuer Chef einen neuen Weg ein. Warum Auto out ist, Wärmepumpen dafür in – und wie EBM Papst die Umwelt entlasten will.
Der neue CEO des Ventilatoren-Weltmarktführers EBM Papst, Klaus Geißdörfer, passt die Strategie des Mittelständlers an – und verzichtet dafür auf zehn Prozent des Umsatzes. Das Familienunternehmen aus dem baden-württembergischen Mulfingen beliefert künftig lieber Wärmepumpenhersteller und Data-Center als Autobauer und Kühlschrankproduzenten.
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„Die gewünschte Qualität fordert uns technologisch nur bedingt und ist zu den geforderten Preisen nicht attraktiv für uns als Zulieferer“, sagt Geißdörfer in seinem ersten Interview als Chef des Unternehmens im Gespräch mit dem Handelsblatt. Der Ex-ZF-Manager sorgt mit weiteren schnellen Entscheidungen für Aufsehen. Als einer der Ersten kappte EBM die Geschäfte mit Russland und hilft jetzt seinen Beschäftigten mit einer Sonderprämie in Höhe von 500 Euro.
Warum Kühlschränke Lowtech sind, was EBM Papst gegen die globale Erwärmung unternimmt und an welcher Stelle noch gestrichen wird, lesen Sie im Interview.
Herr Geißdörfer, Sie sind jetzt ein Jahr im Amt. Im Mai haben Sie gesagt, Sie wollen für EBM Papst eine neue Strategie. Wie weit sind Sie?
Wir stellen sie intern gerade unseren 15.000 Mitarbeitern vor.
Und wie sieht sie aus?
Wir sehen riesiges Potenzial in den nächsten zehn Jahren bei den Megatrends erneuerbare Energien, Data-Center und Klimatechnik. Die Welt wird immer wärmer. Deshalb fokussieren wir uns als Ventilatorenhersteller auf die Luft- und Heiztechnik.
Sind Sie ein Profiteur der Klimakatastrophe?
Wenn Sie so wollen, ja. Aber wir tragen ja mit unseren Produkten erheblich zur Energieeffizienz bei. Damit tun wir etwas gegen die Erderwärmung.
Fokussieren heißt ja auch etwas weglassen. Was macht EBM Papst künftig nicht mehr?
Wir werden die Autoindustrie nicht mehr beliefern.
Warum? Ist Deutschlands wichtigste Industrie nicht mehr lukrativ für Sie? Immerhin haben Sie lange für den zweitgrößten deutschen Automobilzulieferer ZF gearbeitet.
Das Geschäft ist für uns nicht mehr profitabel zu betreiben und gehört deshalb künftig nicht mehr zum Kerngeschäft.
Kurswechsel: Nur noch Altaufträge aus manchen Branchen
Ist der Preisdruck wirklich zu hoch?
Ich würde sagen, die gewünschte Qualität fordert uns technologisch nur bedingt und ist zu den geforderten Preisen nicht attraktiv für uns als Zulieferer.
Wer steht denn noch auf Ihrer Streichliste?
Die Hausgeräteindustrie, also weiße Ware wie Kühlschränke oder Geschirrspüler werden wir auch streichen. Das ist für uns Lowtech.
Auf wie viel Umsatz verzichten Sie denn künftig freiwillig?
Das sind so rund zehn Prozent, die wir auslaufen lassen. Die Altaufträge arbeiten wir ab, aber es werden keine neuen Aufträge mehr reingenommen.
Vita Klaus Geißdörfer
Der heute 49-Jährige hat nach seinem Studium als Chemieingenieur in Erlangen und MBA am INSEAD in Fontainebleau zum Thema „Total Cost of Ownership and Life Cycle Costing“ promoviert. Nach dem Berufsstart bei Siemens arbeitete er zwölf Jahre beim Auto- und Industriezulieferer Schaeffler, zuletzt bis 2015 in der Geschäftsführung der Industriesparte. Anschließend wechselte er zum zweitgrößten deutschen Autozulieferer ZF als Divisionsleiter der Industriesparte. 2021 wechselte er als Chef zum KI- und Data Science-Unternehmen One Logic. Seit November 2021 ist der Vater zweier Kinder Chef von EBM Papst.
Ist das angesichts der anstehenden Rezession nicht ein bisschen zu mutig?
Das werden wir mit Wachstum in anderen Feldern locker auffangen.
Zum Beispiel?
Die Förderung von Wärmepumpen hat einen Boom ausgelöst. Die Nachfrage hat sich binnen kurzer Zeit verdreifacht, teilweise vervierfacht. Und wir müssen überlegen, wie wir hinterherkommen, und entsprechende Kapazitäten aufbauen.
Und was genau liefern Sie in die Wärmepumpe?
Den Ventilator. Der muss nicht nur wenig Strom verbrauchen, sondern besonders leise sein. Als Nachbar will man ja nichts von dem Gerät hören.
Ist denn die Strömungsphysik immer noch nicht ausgereizt?
Nein, da geht immer noch etwas. Wir brauchen leise und energiesparende Lüfter. Unser Anspruch ist es da, vorn zu sein, und das sind wir. Uns schmerzt, wenn wir nicht genug Lüfter für den Markt bauen können und dann weniger effiziente Lüfter von anderen Herstellern eingebaut werden.
EBM Papst: Markt wächst jährlich um bis zu sieben Prozent
Welche Wachstumsfelder gibt es noch?
Wir haben ja auch eine Sparte Antriebstechnik für Transportbänder oder autonome Shuttles in Fabriken mit rund 150 Millionen Euro Umsatz. Hier werden wir Kooperationen eingehen oder sogar noch mehr. Da wird in den nächsten zwölf Monaten schon etwas passieren.
Haben Sie denn ein konkretes Wachstumsziel für das gesamte Unternehmen?
Wir wollen stärker wachsen als der Markt.
Das sagt ja nun fast jeder Unternehmer.
Unser Markt wächst jährlich zwischen sechs und sieben Prozent.
Und wo stehen Sie derzeit?
Wir bauen ja noch um, aber in drei Jahren werden wir sicher schneller wachsen als der Markt.
Dann überschreiten Sie in fünf Jahren im Umsatz die Drei-Milliarden-Euro-Grenze?
Das will ich zumindest nicht ausschließen, hängt aber von der Weltkonjunktur ab.
War das jetzt schon die ganze Strategie?
Nein, ein wichtiger Punkt ist, dass wir noch zu stark in Deutschland und Europa produzieren. Wir müssen uns schon wegen der Lieferfähigkeit und aus Sicherheitsgründen globaler aufstellen und „local for local“ produzieren. Unsere Standorte in den USA und Asien werden wir deutlich ausbauen.
Ist das eine Konzession an die hohen Kosten hierzulande oder die aktuelle geopolitische Lage?
Es ist nicht zu verantworten, die bisherigen Lieferketten beizubehalten, bei denen Mulfingen stillsteht, wenn in China ein Lockdown ist.
Wie sind denn die Ziele bei der Umsatzverteilung?
Derzeit erzielen wir noch etwa 70 Prozent unseres Umsatzes in Europa. Ziel ist eine Gleichverteilung in der Triade.
Geißdörfer plant mindestens ein neues Werk in den USA
Aber Sie können bei Ihrer breiten Produktpallette nicht in einem Werk vom Lüfter für den Laptop bis zum Lüfter für eine Wärmepumpe alles machen?
Nein, da muss man schon ein ausgeklügeltes System haben. Bei kleinen Lüftern ist der Transport nicht das Problem. Bei Ventilatoren mit 1,5 Meter Durchmesser ist der Transport schon ein wichtiger Faktor. Da müssen wir möglichst nahe beim Endkunden produzieren.
Sie erwähnten den Megatrend zu großen Datencentern. Wie gut sind Sie da bei Unternehmen wie Google, Alibaba oder Amazon vertreten?
Wir nennen keine einzelnen Kunden, aber wir kühlen die Cloud. Und die wächst mit zunehmender Vernetzung rasant. Datencenter brauchen Belüftung und Kühlung ohne Ende, und wir sind die Energieeffizientesten in der Branche, was ja schon heute wichtig ist, aber künftig noch entscheidender für die Kunden sein wird.
Können Sie Zahlen nennen?
Im November eröffnen wir unser nächstes Werk in den USA. Die Nachfrage ist so groß, dass wir nicht überlegen, ob wir in den USA ein neues Werk bauen, sondern nur noch wo und ob wir mehrere brauchen. Da können wir richtig weiterwachsen. Das sind tolle Themen. Die Megatrends treiben uns an.
Und wie läuft aktuell das Geschäft?
Die Nachfrage ist immer noch weit höher als das, was wir liefern können. Unser Orderbuch ist extrem voll.
Wie wappnen Sie sich gegen die Rezession?
Wir haben vorsorglich ein grünes Schuldschein-Darlehen ausgegeben für einen mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Betrag, einmal wegen der Nachhaltigkeit, aber vor allem, um flexibel zu sein. Man muss sich ja vorher wetterfest machen, im Sturm wäre es dann zu spät.
Brauchen Sie das Geld denn schon konkret?
Wir verfügen natürlich über noch andere Mittel. Aber bei den energieintensiven Lieferanten wie Metall- und Kunststoffgießereien müssen wir schon schauen, dass wir die nicht verlieren. Diese meist kleineren Unternehmen haben es schwerer, an Geld zu kommen. Da zahlen wir die Rechnungen eben direkt bei Lieferung. Wir haben beispielsweise noch eine Absicherung der Energiepreise bis Ende des Jahres. Viele kleinere Firmen haben das nicht. Die hängen am täglichen Energiepreis. Wenn bei solchen Unternehmen der Energieanteil an den Gesamtkosten 20 Prozent beträgt und der Preis sich verfünffacht hat, dann frisst das jede Marge und bringt die Unternehmen fast um.
Nachhaltigkeitspläne „ganz schnell“ aus der Schublade geholt
Bezahlen Sie auch Vorkasse?
Nur in ganz brisanten Härtefällen zahlen wir im Voraus, um unsere Wertschöpfungskette zu schützen.
Wie energieintensiv ist denn Ihre Produktion?
Wir liegen unter einem Prozent der Kosten. Unser Thema ist ein anderes. Die effizientesten Lüfter zu bauen war schon immer ein Antrieb von EBM Papst. Jetzt kommt der CO2-Fußabdruck des gesamten Geräts hinzu. Wir wollen Ventilatoren aus nachhaltigen Rohstoffen bauen.
Gab es das nicht schon mal bei EBM Papst?
Doch, vor zehn Jahren mit eingearbeiteten Holzfasern. Die Pläne sind nur in der Schublade verschwunden. Jetzt haben wir sie wieder ganz schnell aus der Schublade geholt, weil jetzt die Zeit reif ist für das Thema. Die Produkte werden natürlich anders aussehen, aber wir wollen den Grundgedanken Nachhaltigkeit auch umsetzen. Kreislauftechnisch wäre es ideal, wenn wir den Kunststoff aus CO2 herstellen würden.
Welche Rolle spielt die Elektronik?
Das Thema Intelligenz, Steuerung, Leistungselektronik spielt bei der Effizienz eine große Rolle. Wir sind bei der Leistungselektronik ein genauso großer Abnehmer wie große Automobilzulieferer. Gegen diese Konkurrenz müssen wir uns in der Beschaffung durchsetzen, um unsere Volumen bei den Chipherstellern zu bekommen. Da müssen wir uns auch in der Wertschöpfungskette neu aufstellen.
Wie eng ist aktuell die Chipversorgung?
Es ist etwas besser geworden, weil die hohe Nachfrage der Consumer Electronics etwas nachgelassen hat. Aber bei Siliziumkarbid für leistungsfähigere Leistungshalbleiter ist der Engpass nach wie vor groß. Bei Siliziumkarbid ist der Markt sehr eng, weil die Kapazitäten erst entstehen. Die Förderung von Wärmepumpen hat einen Boom ausgelöst. Die Nachfrage hat sich binnen kurzer Zeit verdreifacht, teilweise vervierfacht. Und wir müssen überlegen, wie wir hinterherkommen. Aber auch wir müssen erst die entsprechenden Kapazitäten aufbauen.
Sie waren eines der ersten Unternehmen, die ihren Beschäftigten 500 Euro gezahlt haben, um die Auswirkungen der Inflation zu mildern. Andere Unternehmen taktieren bei dem Thema, warum Sie nicht?
Weil die Leute jetzt die Not haben. Wir hoffen, dass diese Zahlung steuerfrei bleibt und das Geld auch in vollem Umfang bei den Menschen ankommt. Die Unternehmen sind auch gefordert. Jeder kümmert sich um seine Energieeffizienz. Energiesparen muss man Unternehmen bei der Preisentwicklung nicht beibringen. Aber wir als Familienunternehmen sind auch verpflichtet, in solch einer Krise unsere Mitarbeiter zu unterstützen, sofern wir uns das als Wirtschaftsunternehmen auch leisten können.
Wie bewerten Sie die Maßnahmen der Regierung?
Die Regierung braucht generell zu lange für ihre Entscheidungen. Und zudem wird das häufig nicht unter den drei Partnern abgestimmt. Das irritiert Menschen und Unternehmen zunehmend.
Nicht nur beim Thema Sonderzahlung hat EBM Papst schnell gehandelt, Sie waren auch einer der Ersten, die nach Ausbruch des Angriffskrieges auf die Ukraine bei den Geschäften mit Russland den Stecker gezogen haben. Wie kommt das?
Wir sind ein Familienunternehmen. Der Weg zu den drei Eigentümerfamilien ist kurz, die Abstimmung geht schnell.
